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Sie fand jedoch nicht einmal Zeit, den Gedanken weiter zu verfolgen, denn gerade in diesem Moment trat Salim auf Shalimas Rücken aus dem Wald heraus. Eine reglose Gestalt lag quer vor ihm über dem Sattel.

Robin, Horace und die anderen Tempelritter eilten ihm entgegen. Salim glitt mit einer lautlosen Bewegung aus dem Sattel und wartete, bis sie heran waren, ehe er zusammen mit einem der anderen Templer den reglosen Körper von Shalimas Rücken hob und vorsichtig ins Gras bettete.

Horace sog scharf die Luft ein, als er das Gesicht des Mannes sah. »Gernot! Das ist doch... Gernot von Elmstatt!« Er fuhr herum und wandte sich mit zornig blitzenden Augen an Salim. Seine Hand klatschte auf den Schwertgriff. »Was hast du ihm angetan, Heide?«

»Ich habe ihn im Wald gefunden«, antwortete Salim ruhig, »nicht weit von hier. Sie haben ihn gefoltert - zweifellos, um Euren Treffpunkt aus ihm herauszupressen.«

Gernot stöhnte leise, als wolle er etwas dazu sagen. Sein Gesicht war verschwollen, und er blutete aus verschiedenen, tiefen Schnittwunden, die nicht so aussahen, als stammten sie von einem Schwertkampf. Seine Hände waren mit einem groben Strick zusammengebunden. Als Salim sich zu ihm hinunterbeugte, um seine Fesseln zu durchtrennen, öffnete er die Augen und versuchte etwas zu sagen. Es gelang ihm nicht. Blut lief aus seinem Mund.

»Versucht nicht zu reden, Herr!« sagte Salim. »Ich werde ihnen alles erklären.« Er stand auf und wandte sich wieder an Horace.

»Er hat mir alles erzählt, aber es ging wohl über seine Kräfte. Sie haben ihm übel mitgespielt. Darf ich fortfahren?«

Für Horace schien das gar nicht so selbstverständlich zu sein, denn er zögerte einen fühlbaren Augenblick, ehe er sich zu einem Nicken durchdrang.

»Gernot bekam Kunde von einem geplanten Hinterhalt, der Euch galt«, fuhr Salim fort. »Er brach auf, um Euch zu warnen, aber er fiel den Verrätern in die Hände. Hätte ich ihn nicht gefunden, so wäre er jämmerlich verblutet.«

»Ist das wahr?« fragte Horace.

Gernot nickte und rang sich eine Bewegung ab, die man mit einiger Phantasie als Nicken auslegen konnte, und Robin war nun vollkommen fassungslos. Wieso dachte sich Salim eine derart haarsträubende Geschichte aus, um Gernot zu schützen? Als sie Salim gerade aus dem Wald hatte kommen sehen, da war sie fest davon überzeugt gewesen, daß er Gernot umgebracht hatte.

»Also gut«, sagte Horace. Er wirkte nicht sehr zufrieden, und die Blicke, mit denen er Salim maß, waren beinahe schon feindselig. Vielleicht glaubte er dem Tuareg nicht. Aber vielleicht war es ihm auch nur unangenehm, in der Schuld eines Moslems zu stehen. »Verbindet seine Wunden. Und dann laßt uns die Toten begraben und für ihre Seelen beten.«

KAPITEL 35

Der Morgen dämmerte bereits, als sie zur Komturei zurückkehrten. Es hatte bis lange nach Mitternacht gedauert, ein gutes Dutzend flacher Gräber am Waldrand auszuheben, in denen sie Ottos Männer, aber auch den Schankwirt und seine Frau beerdigten, die bei dem Feuer den Tod gefunden hatten, und, zu Robins Überraschung, auch Bruder Jeromé. Anschließend hatten Horace und seine Brüder gut zwei Stunden im Gebet zugebracht, wobei sie keinen Unterschied zwischen Feind und Freund gemacht hatten, sowenig wie damals Abbé, als er Helle, Olof und Jan den letzten Segen gab. Und sowenig wie die letzten Ruhestätten an der alten Kapelle, an der alles Unglück begonnen hatte, unterschieden sich diese Gräber voneinander. Als Robin, die mit gesenktem Blick dagestanden und so getan hatte, als ob sie auch betete, sich endlich herumdrehte und zu ihrem Pferd ging, hätte sie nicht mehr sagen können, wer in welchem Grab lag. Es spielte wohl auch keine Rolle.

Sie hatten den Rückweg zur Komturei so schnell bewältigt, wie sie konnten, aber das war nicht sehr schnell gewesen. Keiner von ihnen hatte noch viel Kraft. Auf den letzten Meilen wäre Robin mehrmals fast im Sattel eingeschlafen, und ihr Kettenhemd schien mittlerweile eine Tonne zu wiegen und mit jedem Schritt Wirbelwinds schwerer zu werden. Trotz des baumwollenen Unterkleides war sie überall wundgescheuert, und ihr rechter Arm schmerzte noch immer.

Der Hof war hell erleuchtet. Hinter jedem Fenster brannte Licht, und auf dem Hof selbst brannten zahlreiche Fackeln, die, dem Grad ihres Herunterbrennens nach zu schließen, die Dunkelheit die ganze Nacht über vertrieben hatten. Robin überlegte, ob der Grund für diese Aufregung möglicherweise Salims und ihr Verschwinden war, glaubte es aber nicht. Außerdem war es ihr im Grunde egal. Sie war unendlich müde, und sie wollte nur noch schlafen.

Bis dahin aber sollte noch viel Zeit vergehen.

Ihr Kommen mußte bemerkt worden sein, denn als sie durch das Tor ritten, kam ihnen eine aufgeregte Menschenmenge entgegen, die von Bruder Abbé angeführt wurde. Er sah übernächtigt und blaß aus, und seine fahrigen Bewegungen verrieten, daß er wahrscheinlich die ganze Nacht über kein Auge zugetan hatte.

»Bruder Horace!« rief er schon von weitem. »Gelobt sei der Herr! Ihr könnt Euch nicht vorstellen, in welch großer Sorge ich gewe...«

Er brach mitten im Satz ab, erstarrte mitten in der Bewegung und riß ungläubig die Augen auf, als er Robin sah, die unmittelbar neben Horace ritt. Und vor allem, was sie trug.

»Robin«, murmelte er. Dann verfinsterte sich sein Gesicht. »Was erdreistest du dich?! Du wirst auf der Stelle ...«

Horace unterbrach ihn. »Ich bitte Euch, Bruder Abbé, geht nicht zu streng mit Bruder Robin ins Gericht. Ohne ihn wäre wohl keiner von uns noch am Leben.«

Abbé starrte sie mit offenem Mund an. »Bruder Robin?«

»Er ist ein tapferer Bursche und ein mutiger Kämpfer vor dem Herrn«, fuhr Horace fort. »Aber der Schreck steckt ihm noch in den Knochen. Es war das erste Mal, daß er einen wirklichen Kampf erlebt hat.«

»Ja, das ... war gewiß hart«, murmelte Abbé. Er war noch blasser geworden. Es fiel ihm sichtbar schwer, überhaupt zu reden. Bevor er weitersprach, warf er einen fast ängstlichen Blick in die Runde. Er suchte nach Heinrich und Xavier, begriff Robin. Die beiden anderen Tempelritter befanden sich jedoch nicht auf dem Hof.

»Was... was ist geschehen?« fuhr er unsicher fort. »Wir hörten von einem Kampf, und ihr alle seid voller Blut.«

»Es ist vornehmlich das Blut unserer Gegner«, antwortete Horace. Er stieg ächzend vom Pferd. »Was Ihr gehört habt, entspricht der Wahrheit - auch wenn ich mich frage, wieso schlechte Nachrichten sich immer so viel schneller verbreiten als gute. Der Verräter Otto hat uns in einen Hinterhalt gelockt. Er hat mit dem Leben dafür gezahlt.«

»Otto ist tot?« vergewisserte sich Abbé.

»Er fiel von meiner Hand«, bestätigte Horace.

»Und Gernot?«

Horace wirkte leicht irritiert. Aber er antwortete nicht sofort, sondern machte eine befehlende Handbewegung, woraufhin Salim und Gernot aus dem Torgewölbe traten. Gernot hatte sich im Laufe der Nacht wieder genug erholt, um aus eigener Kraft im Sattel sitzen zu können. Sein Gesicht hatte sich jedoch blau und grün verfärbt, und sein rechtes Auge war vollkommen zugeschwollen.

»Er ist verletzt«, sagte Horace überflüssigerweise. »Doch es ist nicht so schlimm, wie es aussieht. Er hat Glück gehabt. Er ist dem Verräter in die Hände gefallen, wie Ihr seht. Hätte ihn Euer Sklave nicht rechtzeitig gefunden, so wäre er wohl jetzt tot.« Er maß Abbé mit einem nachdenklichen Blick. »Aber wieso fragt Ihr nach ihm?«

»Gunthar von Elmstatt ist auf dem Weg hierher«, antwortete Abbé. Robin konnte sehen, wie sich die Gedanken hinter seiner Stirn schier überschlugen. »Als ich von Eurer Ankunft hörte, dachte ich erst, er wäre es.«

»Ihr könnt ihn beruhigen«, antwortete Horace. »Sein Sohn wird wieder gesund werden.« Er zögerte. »Ich fürchte, ich habe auch schlechte Nachrichten, Bruder Abbé. Unser Bruder Jeromé ... er fand den Tod im Kampf gegen die Verräter.«