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»Spiel einfach den Erschöpften«, sagte er. »Nach der vergangenen Nacht hast du jedes Recht dazu. Sieh zu Boden und antworte möglichst einsilbig.«

Er wirkte plötzlich sehr nervös, so, dachte Robin, als hätte er mit einem Male Angst vor seinem eigenen Plan. Vielleicht war sie ja gut beraten, dasselbe zu empfinden.

Sie mußten nicht mehr lange warten. Der Reiter näherte sich schnell, und Robin erkannte ihn als einen der Tempelritter, die in Horaces Begleitung gekommen waren. Sie wußte seinen Namen nicht.

»Bruder Robin«, sagte er keuchend. Er atmete fast so schwer wie sein Pferd, dem flockiger, weißer Schaum von den Nüstern tropfte. Er mußte wie der Teufel geritten sein, um sie einzuholen. »Bruder Horace befiehlt Eure sofortige Rückkehr!«

Robin wollte widersprechen, fing aber im letzten Moment einen warnenden Blick von Salim auf. Sie neigte nur das Haupt und sagte mit leiser Stimme, deren erschöpfter Klang nur zum Teil gespielt war: »Ich werde Gunthar unterrichten.«

Der Ritter machte eine herrische Geste. »Das erledige ich. Reitet zurück. Die Zeit drängt! Ich hole Euch schon ein.«

Er sprengte los. Robin blickte ihm nach und wandte sich dann mit einem fragenden Blick an Salim. »Die Zeit drängt?«

Salim hob die Schultern. Er sah sehr besorgt aus. Wortlos drehte er Shalima herum und ritt los. Robin folgte ihm.

KAPITEL 38

Sie benötigten nur einen Bruchteil der Zeit, um zur Komturei zurückzukehren. Salim und der fremde Krieger sprangen aus den Sätteln, kaum daß sie den Hof erreicht hatten, aber Robin zügelte Wirbelwind lediglich und deutete auf den Turm, in dem ihr Zimmer lag.

»Ich will mich nur ein wenig frisch machen«, sagte sie. »So will ich Bruder Horace nicht unter die Augen treten.«

Sie ritt weiter, bevor der Templer noch Gelegenheit fand, zu widersprechen, sah aber aus den Augenwinkeln, wie Salim erbleichte, und fast im selben Augenblick wurde ihr klar, daß ihre Worte möglicherweise ein schwerer Fehler gewesen waren. Immerhin spielte sie die Rolle eines Tempelritters, und die Zellen der frommen Brüder lagen im Haupthaus, direkt neben Bruder Abbés Officium. Aber nun war es zu spät, diesen Fehler rückgängig zu machen.

Sie sprengte über den Hof, sprang vom Pferd und rannte in ihre Kammer hinauf, wobei sie immer zwei oder drei Treppenstufen auf einmal nahm. Hastig riß sie sich die Kutte vom Leib, schlüpfte in Unterhemd und Kettenhemd und legte auch noch Wappenrock und Mantel an. Beides war voller Schmutz und eingetrocknetem Blut, aber sie fühlte sich trotzdem jetzt wohler. Es war genau das, als was Abbé es am Morgen bezeichnet hatte: Ein alberner Mummenschanz. Aber es mußte reichen, um Horace zu täuschen.

Falls er die Wahrheit nicht längst wußte. Vielleicht war das ja der Grund, weshalb er auf ihrer Rückkehr bestanden hatte...

Sie würde es erfahren.

Robin legte den Waffengurt an und ließ als einziges den Schild dort, wo er war. Arn liebsten hätte sie auch noch den Helm aufgesetzt, aber das wäre des Guten wohl doch etwas zuviel gewesen, und so klemmte sie ihn sich nur unter den linken Arm und machte sich auf den Rückweg.

Drei oder vier Bedienstete kamen ihr entgegen, als sie den Hof überquerte. Die meisten senkten den Blick und gingen einfach weiter, aber einer blieb überrascht stehen und starrte sie aus aufgerissenen Augen an. Robin ging schneller weiter, bevor er noch etwas sagen konnte. Aber der kleine Zwischenfall machte ihr klar, was für ein Irrsinn dieser Mummenschanz war. Es konnte einfach nicht funktionieren. Es war vollkommen unmöglich, daß sie damit durchkam. Horace und die anderen mußten schon blind sein, um auf diese alberne Verkleidung hereinzufallen.

Sie erreichte das Haupthaus und stürmte die Treppe hinauf, so schnell es ihr schweres Kettenhemd zuließ. Die Tür zum Officium stand offen, und sie hörte schon von weitem die Stimmen der Templer, die erregt durcheinandersprachen. Robin atmete tief ein, sammelte all ihren Mut und dachte an etwas, was Salim ihr einmal gesagt hatte, nämlich daß Angriff oft die beste Verteidigung sei.

Ohne weitere Umstände platzte sie in die Versammlung hinein und wandte sich an Abbé, der am Ende der langen Tafel saß. »Bruder Abbé!« rief sie mit erhobener Stimme. »Das ist ungeheuerlich! Seht Euch meine Kleider an! Ich hatte befohlen, sie zu säubern, aber diese faulen Knechte haben sie nicht einmal angerührt!«

Alle Gespräche im Raum verstummten. Abbé starrte sie aus hervorquellenden Augen an und wurde kreidebleich, und Xavier und Heinrich, die zu seinen Seiten saßen, sahen aus, als träfe sie gleich der Schlag. Heinrich japste hörbar nach Luft.

»Robin?« murmelte Abbé schließlich. »Was... was tust du hier? Du solltest doch mit...«

»Das ist meine Schuld, Bruder.« Horace stand auf und wandte sich mit einer verzeihungheischenden Geste an Abbé und die beiden anderen. »Ich habe seine Rückkehr befohlen. Bitte verzeiht, daß ich Euch nicht informiert habe.«

Abbé wurde immer nervöser. Seine kurzen, fleischigen Finger begannen mit der Tischplatte zu spielen, und sein Blick wanderte flackernd zwischen Robin und Horace hin und her. Er sah aus, als litte er Höllenqualen.

»Ich ... ich habe Robin nach Elmstatt geschickt, um...« begann er, wurde aber augenblicklich von Horace unterbrochen.

»Mir ist klar, warum Ihr Bruder Robin in solcher Hast weggeschickt habt«, sagte er. »Immerhin gibt es ein Geheimnis zu bewahren, nicht wahr?« Er lächelte, aber es wirkte so falsch, wie es nur ging. Abbé wurde noch blasser, und auch Robin hatte plötzlich einen bitteren Kloß im Hals. Horace wußte es. Er wußte alles. Es war närrisch gewesen, sich nur eine Sekunde lang einzubilden, daß sie mit dieser Täuschung durchkommen könnten. Gestern nacht, in der Hitze des Gefechts, vielleicht, und auch danach, in der Dunkelheit. Aber jetzt, im hellen Tageslicht? Lächerlich!

»Er ist nicht eingeweiht, habe ich recht?« fragte Horace. »Ihr habt es bisher versäumt - oder auch gar nicht gewollt. Ihr wißt, daß das gegen den Schwur verstößt, den wir gemeinsam geleistet haben. Doch es ist dumm, zu glauben, daß er Jahre unter euch zubringen könnte, ohne daß er das eine oder andere mitbekäme. Und es ist noch dümmer, zu glauben, daß Ihr ihn jetzt einfach so wegschicken könntet, nur damit ich es nicht merke.«

Robin verstand kein Wort mehr, aber sie hatte auch noch niemals einen Menschen erblickt, dem seine Erleichterung so deutlich anzusehen war wie Abbé in diesem Moment.

»Herr«, murmelte er, »ich versichere Euch, daß wir...«

Horace unterbrach ihn erneut.

»Das spielt jetzt keine Rolle«, sagte er. »Die Zeit drängt, Abbé. Wir sind nicht nur hergekommen, um auf dem Weg Station zu machen, und ich habe Bruder Robin nicht nur zurückbeordert, weil er uns allen das Leben gerettet hat und ich ihm meine Dankbarkeit ausdrücken wollte.« Er machte eine entsprechende Geste. »Setzt Euch, Robin. Von nun an gehört Ihr zu uns.«

Robin gehorchte. Ihr Herz hämmerte, und sie sah hilflos zu Abbé hin, aber dessen Gesicht hatte schon wieder einen Ausdruck angenommen, als hätte er gerade ein Gespenst gesehen. Die Heinrichs und Xaviers übrigens auch.