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Miguel stand jeden Morgen früh auf. Carmen schlief sich aus. Nach einigen Szenen mit einer verschlafenen Carmen an ihrer Zimmertür ließ er sie in Frieden ausschlafen. Aber kaum war sie wach, stürzte er ins Zimmer. Dann kommentierte Miguel Car­mens letztes Spiel und zwinkerte Harriet zu.

An diesem späten Vormittag war das einfach zuviel. Harriet verabschiedete sich zu Carmens Ärger. Sie zog ihren Pelzmantel über und machte sich auf zur Kunstgalerie. An der Rezeption stieß Harriet auf Jane Fulton.

«Jane, ich dachte, du kämst erst im Laufe der Woche.»

«Ich auch, aber die Zeitung will eine Geschichte über das Wunderkind. Also muß ich Trixie Wescott die Woche über auf den Fersen bleiben.»

«Diese Kinder sitzen in ihren Startlöchern. In Position auf dem Nebenplatz, mit beidhändiger Rückhand und beängstigen­der Geduld. Schleifchen im Haar sind von Vorteil.»

«Wo willst du hin?» fragte Jane.

«Ins Kunstmuseum. Komm mit.»

Jane war sofort einverstanden. Sie wanderten durch die Säle des Museums und bewunderten die Skulpturen und Gemälde.

«Was ist los?»

Harriet setzte sich auf eine kleine Bank in der Mitte eines hell ausgeleuchteten Raumes. Der polierte Boden glänzte, und die Gemälde waren gut gehängt. Außer einem Wärter war zu dieser Stunde niemand zu sehen.

«Jane, mir fehlt das Unterrichten.»

«Dachte ich mir schon.»

«Ich versuche, soviel wie möglich mit Carmen unterwegs zu sein. Der einzige Unterricht, den ich noch gebe, ist ein kurzes Sommerseminar. Sie will, daß ich zu einem europäischen Show­turnier mitfahre, das mit meinem Kurs zusammenfällt. Ihre Karriere sei so kurz, und ich könne immer noch unterrichten, wenn sie aufhört.»

«Das Tennisleben ist kurz.» Jane rollte ironisch die Augen zu diesem Gemeinplatz.

«Die Zeiten, in denen wir getrennt sind, sind nervend.»

Jane sagte: «Was passiert mit Carmen, wenn der Applaus vorbei ist, ich meine, wenn das wahre Leben einsetzt und auf sie zurückschlägt mit all seinen Wehwehchen und Zipperleins? Himmel, Lavinia Sibley Archer ist zwei Jahre älter als Gott und kann's noch immer nicht lassen. Denk mal drüber nach.»

«Tu ich, ziemlich oft. Ich hab das Gefühl, ich bin unloyal, wenn ich Carmen gegenüber davon rede.»

«Hoffentlich kann sie dich auffangen, wenn du sie brauchst. Im Augenblick braucht sie dich, Harriet.»

«Verdammt, was soll's. Liebe ist ein Risiko. Ich liebe sie seit drei Jahren. Sie ist in dieser Zeit soviel reifer geworden. Und ich auch. Ich weiß, daß ich ein Risiko eingehen muß und hoffe nur, sie steht zu ihrem Wort.»

«Susan hält sich tapfer. Mag sein, daß Carmen nicht aufhört.»

«Hoffentlich doch. Carmen bewundert Greta Garbo sehr, die wußte, wann sie abtrat.»

«Du setzt alles auf eine Karte.»

«Was meinst du damit?« Harriet sah sie von der Seite an.

«Du hast gar nichts für dich. Du hast dich von deiner Arbeit und alten Freundschaften abgeschnitten. Ich bezweifle, daß Carmen je daran denkt. Sie hat keine Zeit, an was anderes als an Tennis zu denken. Mehr kennt sie nicht.»

«Ja.»

«Und ist dir je eingefallen, daß du eine unsichtbare Frau bist?»

«Ach geh.» «Im Ernst. Wenn Ricky gute Arbeit leistet, bekomme ich von seinen Lorbeeren was ab. Wer zollt dir je Anerkennung dafür, daß du Carmen den Rücken stärkst?»

«Ich bin nicht der Anerkennung wegen mit ihr zusammen.»

«Nein, natürlich nicht, aber gesellschaftliche und emotionale Unterstützung helfen uns allen in schweren Zeiten, und auch die wirst du nicht kriegen.»

«Du hörst dich total lesbenfeindlich an.»

«Nein, ich sage bloß, was ich beobachte. Niemand, auch andere Lesben nicht, macht sich dafür stark, zwei Frauen in ihrer Liebe zu unterstützen.»

Harriet wurde nervös: «Seit wann ist das Leben fair?» Sie hielt inne und sah Jane gedankenverloren an. «Wo warst du in den Sechzigern?»

«Wie kommst du jetzt darauf?»

«Ich weiß nicht. Vielleicht fühle ich mich alt oder so anders als alle Leute, die heute so um mich sind.»

«Ich habe Busladungen von engagierten Smithies nach Wa­shington zu den Friedensmärschen organisiert.»

«Erzähl keinen Scheiß.»

«Und wo warst du?»

«William und Mary. Es war kein sehr radikales College, aber ich schon. Ich bin auch zu den Märschen mitgezogen. Komisch, letzte Nacht habe ich an die Mahnwache bei Kerzenlicht in New York City gedacht. Erinnerst du dich?»

«Klar.»

«Wir müssen ein kilometerlanger Zug gewesen sein. Ich weiß noch den Namen meines Soldaten - Vincent Masconi. Da stand ich mit seinem Plakat um den Hals, und meine Kerze brannte in der Nacht.»

«Mein Soldat hieß Roosevelt Cogger.»

«Merkwürdig, daß wir uns daran erinnern. Ich wünschte, ich hätte dich schon damals gekannt.» Harriet nahm Janes Hand.

«Du kennst mich jetzt. Hast du etwa noch nicht genug ge­litten?»

Harriet lachte. «Laß uns was essen. Ich bin halb verhungert!»

Auf dem Weg zum Hotel sagte Jane: «Ich erinnere mich nicht, daß damals in den sechziger Jahren irgendwelche für ihre Arbeit bezahlt wurden. Wir waren alle Freiwillige. Wie haben wir uns eigentlich vorgestellt, daß wir die Revolution bezahlen wür­den?»

«Per Kreditkarte», sagte Harriet trocken.

Die Woche verging - wie die meisten Wochen der Tomahawk­Turnierrunde - damit, daß Carmen ihre Gegnerinnen abser­vierte. Page Bartlett nahm nicht an der Tomahawk-Turnier­runde teil. Sie schonte sich für die großen Wettkämpfe plus einige andere Turniere, auf die es ihr ankam oder auf deren Geld es ihr ankam. Obendrein schonte sie sich für ihren Mann.

Page Bartlett, eine hübsche Frau, hatte sich mit fünfzehn in die Herzen der Amerikaner gespielt, als sie bei den offenen amerikanischen Meisterschaften ins Viertelfinale kam. Das war vor zwölf Jahren. Seit damals war sie bei den Leuten beliebt. Sie war feminin, redegewandt, intelligent und wohlerzogen. Mütter sahen in Page das perfekte Idol für ihre kleinen Mädchen und lagen in dieser Hinsicht auch gar nicht so falsch. Natürlich machte sich niemand die Mühe, Page Bartlett zu fragen, welchen Preis sie dafür zahlte, und Page hütete sich, einen Einblick in ihre Seele zu geben.

Jeffrey Campbell war ein gutaussehender, talentierter Stür­mer bei den San Francisco Forty-Niners. Sie lernten sich ken­nen, verliebten sich, boten dem Land vor zehn Jahren eine Märchenhochzeit - und schwebten dem Sonnenaufgang entge­gen. Page spielte die eine Hälfte des Jahres, die andere war Jeffreys Football-Terminen gewidmet.

Sie wurde als Gegnerin von allen gefürchtet, weil sie selten einen schlechten Tag hatte. Ihre Geduld und messerscharfen Schläge schafften ihre glänzenderen Gegnerinnen im allgemei­nen.

Page war der lebende Beweis dafür, daß Ehe und sportliche Karriere sich durchaus vereinbaren ließen. Als eine der wenigen verheirateten Spielerinnen bestätigte sie freilich eher die Ausnahme als die Regel. Für die meisten Frauen galt, daß Ehe und Sport nicht miteinander harmonierten.

Die meisten Spielerinnen waren für feste Bindungen zu jung. Sofern sie nicht zu jung waren, wo hätten sie einen Partner finden können, der die Stirn hatte, sie um ein Rendezvous zu bitten? Nach einer Woche in Kansas City ging die Tour weiter nach Cincinnati, dann nach Chicago und weiter und weiter. Selbst Piloten waren da noch seßhafter als Tennisspieler. Infol­gedessen hatten die meisten Frauen ihren Märchenprinzen zu Hause. Oft gab's ja wirklich eine reale Person, doch der Traum von einer intimen Beziehung diente dazu, die Einsamkeit zu verscheuchen.

Die Angst davor, als Lesbierin verdächtigt zu werden, schüchterte die Frauen ein. Jede Frau über zwanzig wußte, was es hieß, als Freak betrachtet zu werden, weil sie ihren Sport liebte. Lesbianismus schlich sich ins Bewußtsein der Frauen ein und machte ihnen angst. Und den Lesbierinnen am allermeisten. Es war ein offenes Geheimnis, daß Carmen lesbisch war, aber solange sie es nicht sagte, taten alle, als wüßten sie von nichts. Sie lebte in einer demilitarisierten Zone zwischen Lüge und Wahrheit. Sie wollte ihre lukrativen Produktwerbeverträge nicht verlieren.