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Susan brüllte, und die Fans brüllten mit. Der Linienrichter war hartnäckig. Die Hitze ließ auch ihn hochgehen.

«Carmen, willst du etwa das Match auf diese Weise gewin­nen?» appellierte Susan.

Carmen antwortete nicht.

«Seit Jahren spielen wir jetzt zusammen. Wir haben einander noch nie verladen.» Susan nahm es hier nicht allzu genau.

Carmen schwankte.

«Sag ihm schon, was du gesehen hast.»

Miranda sagte: «Meine Damen, den nächsten Punkt bitte.»

«Sag's ihm.»

«Ich hab den Ball drin gesehen», sagte Carmen heiser zu dem verlegenen Linienrichter.

«Miss Semana, ich sah ihn im Aus.»

«Hören Sie, selbst meine Gegnerin weiß, daß er drin war.»

«Susan, wenn Sie nicht den nächsten Aufschlag machen, bekommen Sie einen Strafpunkt, womit es Vorteil für Miss Semana steht.»

Etwas schnappte über. Zuviel Spannung. Zuviel Hitze. Zuviel Unausgesprochenes zwischen den beiden ehemaligen Liebhabe­rinnen, die auf ein unheilvolles Ende zusteuerten. Susan hechtete übers Netz. Tobend stand sie vor dem Linienrichter. Carmen wechselte vernünftigerweise auf die Einstandsseite hinüber.

Die Menge schäumte. Alle waren wütend. Susan stieß den Linienrichter von seinem Stuhl.

«Wächter, entfernen Sie Mrs. Reilly vom Platz. Dieses Match ist vorbei, meine Damen und Herren. Carmen Semana gewinnt durch Abbruch.» Miranda Mexata hatte schon miterlebt, wie beim US Open aus Funktionären Hackfleisch gemacht wurde. Hier konnten die Veranstalter ihre Autorität nicht untergraben. Die Situation war klar. Keine Spielerin ist größer als das Spiel selbst. Susan Reilly hatte einen abscheulichen Verstoß gegen den Linienrichter, ihre Gegnerin, das Publikum und den Tennis­sport selbst verübt. Aus!

Vier Wächter waren notwendig, um Susan Reilly vom Platz zu schaffen. Einer der Veranstalter tauchte wunderbarerweise am Fuß von Mirandas Hochsitz auf. Sie beugte sich hinunter und sagte ihm, er solle seinen Scheiß wegpacken. Auf gar keinen Fall würde dieses Spiel fortgesetzt, sobald sich Susan gefangen hätte. Verdammt, man müsse sie mit Thorazin vollpumpen. Trotz seiner Panik wußte der Veranstalter doch, daß er Miranda Mexata den Rücken stärken mußte.

Am nächsten Tag zogen die Journalisten eine Orgie der Empörung über Susans Attacke ab. Merkwürdigerweise hielt sich Martin Kuzirian bedeckt.

Also hatte Carmen das US Open gewonnen. Eine Wolke hing über diesem Sieg, und dafür würde sie Susan bis an ihr Lebens­ende verfluchen ... aber sie hatte es gewonnen. Ein Turnier lag noch vor ihr. Nur eines.

13

Jane sagte niemandem etwas über ihren Zustand. Ende September stand es sehr schlecht um sie. Die Chemotherapie griff sie furchtbar an. Sie erholte sich zwar, reiste aber nicht mehr herum. Harriet, die nichts davon wußte, rief jeden zweiten Tag an. Jane erklärte die Tatsache, daß sie nicht unterwegs war, damit, daß sie an ihrem seit langem angekün­digten Roman schriebe. Sie versprach, Harriet bald zu be­suchen.

Sie wurde in der zweiten Oktoberwoche in die Klinik einge­liefert. Ricky brachte Harriet die Nachricht bei. Jane schwor, sie würde wieder gesund, doch er wußte, daß sie das Krankenhaus nicht mehr lebend verlassen würde. Als Harriet durch die Tür kam, warf Jane ein Glas nach Ricky. Ihr Zorn verrauchte so rasch, wie er gekommen war. Ricky ließ sie allein.

«Ich habe meine Reiseschreibmaschine mitgebracht. Dachte, du möchtest mir vielleicht diktieren.»

«Später.» Jane seufzte. «Ich wollte nicht, daß mich jemand so sieht.»

Sie sah schrecklich aus. In den letzten drei Wochen hatte sie gefährlich an Gewicht verloren. Ihr Blick war glasig, und die Kopfschmerzen waren schlimmer geworden. Medikamente stillten die Schmerzen, betäubten sie aber auch.

«Mir ist es egal, wie du aussiehst.»

«Reichlich mies.»

Harriet zuckte die Achseln. «Es tut mir leid, wenn ich dich durch mein Kommen aufgeregt habe. Ich wünschte, du hättest es mir gesagt.»

«Es ist nicht deinetwegen. Ich habe es niemandem gesagt. Du verstehst das, oder?»

«Ja.»

«Ich habe viel nachgedacht. Du wärst erstaunt, was du alles denkst, wenn du krank bist. Freilich, die halbe Zeit bin ich so gedopt, daß ich überhaupt nicht denken kann.»

«Kann ich irgend etwas für dich tun?»

«Gib auf Ricky acht.»

Ein krampfhafter Schauder durchzuckte Harriets Körper. «Jane .»

Jane winkte ab. «Krieg dich wieder ein. Vielleicht geht's mir ja morgen wieder gut.»

«Natürlich wird es das!»

«Ja, na, kann auch sein, daß ich die Pfadfinderin zum Kosmos werde.»

«Und himmlische Lagerfeuer entfachst.» Harriet lächelte. Sie fühlte sich entsetzlich.

Jane lehnte sich hinüber und nahm Harriets Hand. «Tut mir leid, daß du so viel Kummer hast.»

«Mein Gott, Jane, mein Kummer ist gar nichts!»

«Ich halte nichts von Leidensvergleichen. Du machst eine miese Zeit durch. Jetzt, wo Carmen verheiratet ist, probieren sie vielleicht die lesbische Witwenverbrennung an dir aus.»

«Nach einer Weile bist du dagegen abgestumpft.»

«Weißt du, worüber ich nachgedacht habe?» Jane hielt weiter Harriets Hand. «Ich bin christlich erzogen worden.»

«Ich auch.»

«Na ja, ich glaube wirklich, daß Christus für meine Sünden gestorben ist, sag das Baby Jesus. Aber, weißt du, im Laufe der Geschichte waren da Tausende von Söhnen und Töchtern Got­tes, namenlose Seelen, die ebenso für uns gelitten haben und gestorben sind. Wiedergeburt ist ein kollektiver Prozeß. Wir haben ein Individuum ausgewählt, um das zu symbolisieren, doch in Wahrheit müssen wir es zusammen tun. Verstehst du?»

«Ich versuch's.»

Das war das letzte Gespräch, das die beiden Freundinnen führten. Jane Fulton starb plötzlich am nächsten Abend. Sie sprach gerade mit Ricky, als sie starb.

Während sie einen Korridor langer Dunkelheit durcheilte, stürzte Jane dem Unbekannten entgegen und vereinigte sich schließlich mit blendendem Licht. Vielleicht war dies eine Erin­nerung an die Reise durch den Geburtskanal und in die Welt. Vielleicht steckt diese Erinnerung in jedem Menschen, und der Tod weckt sie wieder wie eine abgelegte Kassette, um das Sterben zu mildern. Oder vielleicht war es wahre Wiedergeburt. Was auch immer, Jane Fulton lächelte am Ende.

«Ich habe die Berichterstattung von den Olympischen Spielen in Melbourne verpaßt. Ich hatte gerade das Studium abgeschlos­sen und arbeitete für eine winzige Zeitung in Charleston, West Virginia.» Ricky und Harriet spazierten durch den Olympia­park, dicht bei Fitzroy Gardens in Melbourne, Australien.

«Ich las die Ergebnisse in den Zeitungen und träumte davon, einmal Speerwerferin zu werden.»

«Würstchen.» Ricky schirmte die Augen ab und sah auf die Namen, die außen in die Stadionmauern gemeißelt waren. «Danke, daß du mitgekommen bist. Ich weiß, es ist hart für dich, Carmen zu sehen und unter den Tennisleuten zu sein, aber ich konnte dieses Turnier nicht allein durchstehen. Es ist mein erstes großes Turnier, über das ich ohne Jane berichte.» Ihm versagte die Stimme.

«Nicht ich tue dir einen Gefallen, du tust mir einen. Ich liebe Australien, und es war sehr großzügig von dir, mir die Reise zu bezahlen.»

Ricky las weiter die in das weiße, etwas bröcklige Stadionge­mäuer verewigten Namen. «Kaum zu glauben, daß dieser Park vor weniger als 30 Jahren voll mit Menschen aus aller Welt war. Für zwei Wochen war hier der Mittelpunkt des Sports.»

Das Kooyong-Stadion, ein smaragdgrünes Juwel, liegt außer­halb von Melbourne. Lastwagenfahrer, die auf dem hoch gele­genen Highway vorbeirasten, drückten aus purem Spaß am Krach auf die Hupe. Mehr als ein Spieler wurde von dem fröhlichen Gehupe aus dem Rhythmus gebracht.

Der Rasen glitzerte in diesem Jahr. Weil die Jahreszeiten auf der anderen Seite des Äquators umgekehrt sind, machte Harriet ihre Weihnachtseinkäufe im rückenfreien Oberteil.