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Ein Scheinwerfer richtete sich auf Miguel, der sich erhoben hatte. Die Menge klatschte.

Lavinia erging sich in einer Darstellung der charakteristi­schen Spielweise der beiden Finalistinnen - die Angriffsspiele­rin Carmen gegen die Rückhandspezialistin Rainey. Rainey Ro­gers wartete kochend vor Wut im Gang auf ihren Auftritt. Billige Publicity, dieser Bruder-Quatsch.

Mrs. Rogers war wie stets in der Nähe und kochte ebenfalls. Miguel Semana konnte nicht mehr Opfer gebracht haben als sie und Bill, Raineys Vater. Warum schenkte die Presse nicht Ame­rikanern mehr Aufmerksamkeit? Rainey war ein einheimisches Produkt. Sie hatte die Titelseite vonSeventeen geschmückt. Was sind schon ein paar Argentinier mit ihrem Gestrahle gegen das Titelbild vonSeventeen? Nun ja, dachte sie, bald wird man Mi­guel genauso links liegenlassen wie jeden anderen auf der Welt, der keinen Tennisschläger schwingt. Mrs. Rogers Schuhe drückten. Sie wackelte mit dem Zeh in der vergeblichen Hoff­nung, sie auch nur ein bißchen zu dehnen. Sie versuchte sich abzulenken, bis das Match tatsächlich anfing. Dann würde ihr Adrenalinpegel genauso steigen wie der von Rainey.

Lavinia legte widerstrebend das Mikrofon aus der Hand. Miranda Mexata nahm ihren Platz ein, und zur allgemeinen Erleichterung begann das Match.

Zur allgemeinen Überraschung war es ein sehr knappes Spiel, wenn auch kein farbiges. Der Teppich war Carmens Belag. Rainey hätte ihr fast einen dritten Satz aufgedrückt, aber Car­men erreichte den Tie-Break mit einem Lob. Es war für Rainey der plötzliche Tod.

Die Zeremonien im Anschluß ans Match übertrafen die dem Kampf vorausgegangenen noch an orchestrierter Langeweile. Jeder Sponsor hatte seinen Auftritt und rückte mit einer Hals­kette oder einem Gutschein für den lebenslänglichen Bedarf an Schmerzpillen heraus. Jeder lobte die Siegerin und tätschelte die Besiegte mit der Versicherung, sie hätte einen großen Kampf geführt - das nächste Mal mehr Glück. Als man Rainey das Mikrofon übergab, zollte sie ihr ebenfalls geistreich Lob. Eine solche Szene kam bei der Menge immer an. Da dies der Höhe­punkt des Tomahawk-Turniers war, der Abschluß der Hallen­saison des Vorjahres, überreichte Howard Dominick den Sie­gesscheck.

Das Mikro in der Hand, dankte Carmen versiert den Ballmäd­chen, Balljungen und Sponsoren - vor allem Tomahawk. «Und ich danke allen Fans, die diese Woche gekommen sind. Ohne sie wäre das Tennis der Damen nicht das, was es heute ist. Ich danke Ihnen.» Die Fans waren begeistert. Auch wenn die Dankesreden Routine waren, liebte Carmen die Fans wirklich. Sie war ein Showtalent. Das Publikum hatte auf sie einen größeren Einfluß als auf eine Spielerin wie Rainey, die auf eine einzige Frequenz schaltete und den Rest der Welt, die Fans eingeschlossen, aus­blendete.

Ricky stand am Feld und interviewte Carmen. «Was für ein toller Jahresanfang.»

«Stimmt.» Carmen lächelte.

«Rainey kam mit ihrem kurzen Cross-Rückhand nicht zum Zug. Mit diesem Schlag hattest du heute keine Schwierigkei­ten.»

«Damit schlägt Rainey weite Passagen und verwandelt weich­geschlagene Returns. Heute war der Belag für mich etwas vor­teilhafter, und ich war schnell.»

«Hast du irgendwelche Vorsätze für das neue Jahr?» Ricky verknüpfte technische Informationen mit persönlichen.

«Na ja, Sahneeisbecher werde ich mir wohl abschminken müssen.»

«Noch was?»

Carmen schwieg einen Moment, dann sagte sie: «Ja, ich hab es dieses Jahr auf den Grand Slam abgesehen.»

«Da wünsche ich dir viel Glück.»

«Danke, Ricky, das werde ich brauchen.»

Susan Reilly, die im Halbfinale der Turnierrunde von Rainey Rogers geschlagen worden war, sah sich Carmen im Fernsehen an. Susans Koffer für den Flug nach Kansas City in etwa drei Stunden waren gepackt. Außer in die Glotze zu sehen, gab es nichts zu tun. Craig und Lisa waren gestern abend nach San Francisco abgeflogen. Neben ihr im Doppelbett saß Alicia Brin­ker, ihre neueste Errungenschaft. Happy Straker hatte den Ver­such gemacht, Alicia vor Susans Erst-küssen-dann-wegschmei­ßen-Taktik zu warnen, aber Alicia war sicher, all das ändern zu können; Liebe war die Antwort darauf. Womöglich war Liebe die Antwort, doch die keimte besser im verborgenen. Alicia war eine solche Dunkellesbe, daß sie Gefahr lief, tagblind zu werden. Sie rangierte immerhin so weit vorn, so daß sie nicht allzu viele Qualifikationsturniere spielen mußte, um in die «A»-Klasse beim Tennis zu kommen. Aber wenn sie im selben Turnier spielten, nahmen sich Alicia und Susan verschiedene Zimmer auf verschiedenen Etagen, und die Spielerinnen witzelten über Alicia, die sich die Gänge runterschlich, damit niemand sie in Susans Zimmer verschwinden sah. Die Spielerinnen lachten zwar über Alicias Verfolgungsangst, doch ansonsten ignorier­ten sie die Affäre. Die Strände sämtlicher Kontinente waren mit Susans abgelegten Geliebten gepflastert.

In diesem Moment lief Alicia allerdings keine Gefahr, fallen­gelassen zu werden. Sie und Susan starrten gespannt auf den Bildschirm, als Carmen Ricky erzählte, daß sie dieses Jahr um den Grand Slam kämpfen wolle. «Da kann sie lange kämpfen», sagte Susan und drückte auf ein anderes Programm.

Susan hatte alles erreicht, was im Tennis zu erreichen war. Sie hatte jeden Titel im Einzel und Doppel gewonnen, aber niemals hatte sie das French Open, Wimbledon, das US Open und das Australian Open im selben Jahr geschafft. Jetzt, mit dreißig, hätte sie klüger sein müssen. Die jahrelangen wiederholten Wettkämpfe waren an ihrem Körper nicht spurlos vorüberge­gangen, doch sie war von fanatischer Entschlossenheit in bezug auf das eine Ziel besessen, das unerreichte - der Grand Slam. Sie wollte ihn gewinnen, wenn sie ihn aber nicht gewinnen konnte, würde sie dafür sorgen, daß keine andere es tat. Nicht solange sie lebte.

3

Kansas City tauchte aus der Prärie auf wie ein Gespinst menschlicher Phantasie. Das Turnier wurde auf der Missouri­Seite der Stadt ausgetragen. Schnurgeradeaus, der Vogelflugli­nie nach, 443 Kilometer in Richtung Osten lag St. Louis an die Ufer des Mississippi gequetscht. Zwischen beiden Städten be­stand ein Unterschied wie Tag und Nacht, obwohl beide zum selben Staat gehörten. St. Louis erinnerte noch immer irgend­wie an die Ostküste. Kansas City zählte zum Westen, zu den Legenden von Viehtrieben und Cowboys und vielleicht zur Zukunft. Die Behauptung, Kansas City sei eine schöne Stadt, wäre niemandem über die Lippen gekommen, aber es besaß eine Energie, die ansteckend wirkte.

Da dies Harriets dritte Tomahawk-Turnierreise war, fand sie sich im Labyrinth unter dem Stadion im Stadtzentrum mühelos zurecht. Wenn man sich erst mal auskannte, machte jedes Tur­nier entschieden mehr Spaß. Sie brannte darauf, dem kleinen, aber vorzüglichen Kunstmuseum einen Besuch abzustatten. Sollte Carmen einen ganzen Tag frei haben, würden sie zusam­men hingehen. Wenn nicht, würde Harriet allein in ein Taxi steigen und hinfahren. Das Herumreisen beim Tennis ist schon Zigeunerleben genug, doch oft erfahren Spieler und Spielerin­nen ihre Termine erst am Tag ihrer Ankunft oder am Morgen des ersten Spieltages. Pläne in bezug auf Essengehen, Kinobe­suche und ruhige Gespräche unterliegen alle der Tyrannei der Termine. Und die wurden im Hinblick auf die Klasse angesetzt - also saßen Carmen die Veranstalter und Lavinia im Nacken, diesen kleinen Auftritt und jenen kleinen Kurs zu machen, nur diesen ausnahmsweise. Und die Kette der «Nur-diese-aus­nahmsweise»-Veranstaltungen riß einfach nicht ab. Wenn sie nein sagte, bezeichnete man sie als undankbare Zicke. Wenn sie ja sagte, zehrte sie an ihren Kräften - von Harrietganz zu schweigen - und stellte ihren Sieg in Frage. Also kam Carmen zu der Kompromißlösung, daß Harriet die Neins übermittelte. Zum Ausgleich kochte sie, wann immer sie in dazu geeigneten Räumlichkeiten landeten, und besorgte auch zu Hause meistens das Kochen. Auf Reisen verkam freilich jede Gleichberechti­gung infolge von Terminen und Zeitmangel zum Wunschge­danken. Wer es als Geliebte einer Spielerin mit dem Tennis zu tun bekam, schminkte sich jede Illusion von Gleichberechti­gung augenblicklich ab.