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Während meiner Jugend suchte ich leider allzu oft die Nähe zu Spieltischen jeglicher Art und musste mit Entsetzen zusehen, wie Fortuna so manche Münze, die, genau genommen, nicht einmal mir gehörte, in fremde Hände spielte. Als ein Mann von etwas reiferen Jahren, der an der Schwelle zur dritten Dekade seines Lebens steht, wusste ich es dann durchaus besser, als mich mit Würfeln und Karten abzugeben. Dieses Teufelszeug ist zu nichts nutze außer dazu, einen Mann in trügerischer Hoffnung zu wiegen, bevor seine Träume am Boden zerschmettert werden. Leichten Herzens jedoch machte ich bei jenen Gelegenheiten, bei denen das Silber eines anderen meine Börse füllte, eine Ausnahme - umso leichter noch, wenn jener andere in Machenschaften verstrickt war, die dafür sorgten, dass der Wurf oder die Karten zu meinen Gunsten ausfielen. Jene, die es mit der Moral ganz genau nehmen, mögen der Meinung sein, es stürze die Seele in den tiefsten Abgrund, wenn man dem Zufall so auf unlautere Weise ein wenig nachhalf, und dass ein Taschendieb, ein Mörder, selbst ein Vaterlandsverräter besser sei als ein Betrüger am Spieltisch. Möglicherweise haben sie damit nicht einmal unrecht, doch handelte ich im Dienste eines großzügigen Auftraggebers, und das dämpfte meines Ermessens das Schlagen des Gewissens.

Die Geschichte, die ich zu erzählen habe, setzt im November des Jahres 1722 ein, runde acht Monate nach den die Parlamentswahl begleitenden Geschehnissen, über die ich bereits an anderer Stelle berichtet habe. Die brackigen Wogen der Demokratie waren in jenem Frühjahr über London und somit auch über das ganze Land hinweggespült und hatten uns alles andere als geläutert daraus hervortreten lassen. Wie die Gladiatoren waren Männer im Dienste dieses oder jenes Kandidaten oder dieser oder jener Partei zum Kampf angetreten, doch im Herbst sah es so aus, als wäre nichts von Bedeutung dabei herausgekommen, und mit Hilfe gegenseitiger Patronage hielten Whitehall und das Parlament das Heft so fest in der Hand wie eh und je. Dem Königreich stand während der kommenden sieben Jahre keine neue Wahl mehr ins Haus, und im Nachhinein fragte man sich, warum eigentlich die vorangegangene solche Wogen geschlagen hatte.

Auch ich war keineswegs an Leib und Seele unbeschadet aus den politischen Tumulten hervorgegangen, doch meinem Ruf als privatem Ermittler war dies im Gegenteil eher zuträglich. Ich genoss eine gewisse anerkennende Erwähnung in den Zeitungen, und obwohl das Meiste, was die Schreiberlinge über mich zu berichten wussten, ganz und gar grotesk anmutete, hatte mein Name weitere Verbreitung erfahren. Seit jener Zeit konnte ich mich nicht über einen Mangel an Klienten vor meiner Tür beklagen. Gewiss gab es einige, die sich nun von mir fernhielten, weil sie befürchteten, meine Taten hätten auf unerwünschte Weise Aufmerksamkeit erregt. Viele andere erwogen jedoch mit weit mehr Wohlwollen die Möglichkeit, sich meiner Dienste zu versichern, denn ich galt als ein Mann, der aus dem Zuchthaus von Newgate entkommen war, sich in hitzigsten Faustkämpfen bewiesen, den Mächtigsten im Lande die Stirn geboten und damit gezeigt hatte, aus welchem Schrot und Korn er war. Ein Mann, dem dies gelungen war, sagte man sich, würde gewiss auch einen Halunken stellen, der einem Ehrenmann noch dreißig Pfund schuldete, oder den Namen des Wüstlings herausbekommen, der sich mit dem Gedanken trug, eine ungebärdige Tochter zu entführen, oder den Schuft, der eine Uhr gestohlen hatte, seiner verdienten Strafe zuführen.

Das war das täglich Brot meiner Arbeit, doch es gab auch eine Klientel, die eine ungewöhnlichere Verwendung für mich hatte, und eben aus diesem Grunde fand ich mich an jenem Abend im November in Kingsley's Coffee House ein, einem Etablissement von einst zweifelhaftem Rufe, das inzwischen jedoch einen recht lebhaften Publikumsverkehr verzeichnete. Kingsley's war unter den bon ton seit einiger Zeit als Spielsalon sehr en vogue und dürfte diesen Ruf wohl noch für mindestens eine weitere Saison genießen. Mit Verstand gesegnete Londoner würden dieser Art Amüsement nicht allzu lange frönen, doch für den Augenblick schöpfte Mr. Kingsley mit beiden Händen sein Glück ab.

Während der Tagesstunden war es durchaus nicht unüblich, dass ein Gast kam, um seinen Kaffee oder Kakao zu genießen und dabei gemütlich Zeitung zu lesen oder sich vorlesen zu lassen, doch nach Sonnenuntergang hätte es eines eisernen Willens bedurft, um sich noch auf trockene Worte zu konzentrieren. Zu dieser Stunde wurde Kingsley's von mehr Huren als Spielern bevölkert, und es waren durchaus die begehrenswertesten ihres Standes darunter. Nach hinfälligen, spindeldürren Metzen aus Covent Garden oder St. Giles suchte man bei Kingsley's vergeblich. Ja, in den Gesellschaftsspalten hieß es sogar, Mrs. Kingsley inspiziere höchstpersönlich eine jede Kandidatin, um sich zu vergewissern, dass sie auch dem Standard ihres Hauses entsprach.

Es gab Musikanten, die fröhliche kleine Melodien zum Besten gaben, zu denen ein ungewöhnlich schlanker Tänzer sein Gesicht, das einem Totenschädel glich, und seinen skelettartigen Körper zu den unnatürlichsten Posen und Fratzen verzerrte - und dabei von den meisten Anwesenden mit Missachtung gestraft wurde. Im Ausschank befanden sich Claret, Portwein und Madeira mittlerer Qualität, die auch die Gaumen der Genießer nicht beleidigten, denn diese Gäste waren viel zu sehr durch den Genuss anderer Dinge abgelenkt. Und der Anlass für diese Ablenkung waren - die Spieltische.

Es wäre schwer zu sagen, was Kingsleys Spieltische aus der Obskurität zur Berühmtheit erhoben hatte. Sie unterschieden sich kaum von denen in anderen Spelunken, und doch dirigierten die feinsten Herrschaften von London ihre Kutscher nach dem Theater, nach der Oper, nach dem Gesellschaftstanz oder sogar nach der Spätandacht dahin, wo das Leben tobte - zu Kingsley's, jenem Tempel des Glücksspiels. Am Pharo-Tisch spielten gut situierte Gentlemen aus den Ministerien, unter ihnen auch niemand Geringeres als ein Mitglied des Unterhauses, der für seine opulenten Gesellschaften berühmter war denn für seine Fähigkeiten als Vertreter einer gesetzgebenden Körperschaft. An einem anderen Tisch sah ich den Herzog von N. beim Piquet verlieren. Mehrere bezechte Beaus bemühten sich, der bekannten Komödiantin Nance Oldfield beizubringen, wie man sich die Gesetzmäßigkeiten des Risikos zu Nutze machte, und man konnte ihnen nur Glück dabei wünschen, denn im Spiel war wie in der Liebe alles möglich. Es amüsierte mich außerordentlich zu beobachten, wie die Reichen ausgenommen und die aus der Gosse vermögend wurden, doch was ich dabei dachte, spielte eine untergeordnete Rolle. Das Silber in meiner Börse und die Banknoten in meiner Rocktasche gehörten nicht mir, und ich durfte sie nicht nach meinem Gusto einsetzen. Sie waren dazu bestimmt, einen gewissen Herrn in größte Verlegenheit zu stürzen, der jüngst den Gentleman gedemütigt hatte, in dessen Auftrag ich mich in einen Wettstreit begeben sollte, bei dem Täuschung und Arglist gefragt waren.

Ich verbrachte eine Viertelstunde damit, durch Kingsley's Räumlichkeiten zu schlendern, mich in dem Licht der zahllosen Lüster zu sonnen und an ihrer Wärme zu ergötzen, denn der Winter war in diesem Jahr früh und mit Macht gekommen, und draußen war alles bitterkalt und mit einer Frostschicht überzogen. So gewärmt und in Stimmung gebracht - wozu die Musik und das Gelächter und die Verlockungen der Schönen der Nacht das ihrige getan hatten, um meinen Kopf in einen Rausch zu versetzen -, begann ich alsdann, meinen Plan zu schmieden. Ich nippte an einem verdünnten Madeira und nahm unauffällig meinen Mann ins Visier. Dies war ein leichtes Unterfangen, denn ich hatte mich als Geck der affigsten Sorte verkleidet, und wenn die Gäste Notiz von mir nahmen, dann nur von einem Mann, der es darauf anlegte aufzufallen. Auf welche Weise kann man sonst sein wahres Ich gründlicher verbergen?