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»Sammelt Schnee ein«, rief er einer Frau zu, die neben ihm stand, eines der Barmädchen, wie ich annahm, »und presst ihn ihm auf den Arm, und das mindestens eine Viertelstunde lang!«

Als er sich von seinem Patienten löste, um zu schauen, wer als Nächstes seiner Hilfe bedurfte - auch wenn er, wie er wohl selber zugegeben haben würde, nicht viel ausrichten konnte, denn Verbrennungen waren eine schlimme Sache -, wurde er plötzlich ganz schlaff und zeigte auf das brennende Haus.

Auch ich sah sofort, was er gesehen hatte, obwohl ich mir wünschte, dessen nicht teilhaftig geworden zu sein. Aus den Flammen kam Aadil getaumelt wie ein Mann, der seinem eigenen Grabe entsteigt. Seine Haut und seine Kleider waren versengt, und die Strümpfe an seinen Beinen waren vollständig verbrannt. Er hatte überall furchtbare Brandwunden, und der Ruß in seinem Gesicht färbte es noch schwärzer, als es ohnehin schon war. Doch am meisten erschreckte mich das Blut. Es lief ihm über das Gesicht, die Arme und die Beine, vor allem aber über die Brust, und es hörte nicht auf zu strömen. Elias und ich stürzten auf ihn zu und hielten ihn gerade noch fest, als er zusammenbrach. Es kostete uns unsere ganze gemeinsame Kraft, ihn zu stützen. Als wir ihn hingesetzt hatten, riss Elias ihm das Hemd von der Brust. »Er ist angeschossen worden«, rief er, »und zwar aus nächster Nähe, wie man an den Pulverspuren an seiner Kleidung sieht.«

»Kannst du was für ihn tun?«

Er wandte den Blick ab. Ich begriff, dass es nichts zu sagen gab.

»Teaser ist tot«, keuchte Aadil.

»Schone deine Kräfte«, sagte Elias.

Ein letztes Mal lachte Aadil auf. »Wofür denn? Ich komme ins Paradies, und ich fürchte mich nicht vor dem Tod, also braucht ihr euch nicht um mich zu kümmern.« Er spuckte einen Klumpen blutigen Schleimes aus.

»Du hast getan, was du konntest«, versicherte ich ihm. »Wer hat auf dich geschossen, Aadil? Hast du ihn gesehen?«

»Ich habe versucht, ihn zu retten, aber ich bin nicht mehr an ihn herangekommen.«

»Wer hat auf dich geschossen?«, fragte ich noch einmal. »Sag es uns, damit wir dich rächen können.«

Er wandte sich ab und schloss die Augen. Ich glaubte, er wäre tot, aber dann brachte er mit letzter Anstrengung noch einen Satz hervor: »Seht euch vor. Celia Glade.«

Und mit diesen Worten tat er seinen letzten Atemzug.

27

Wir wollten unseren neu gewonnenen und ebenso rasch wieder verlorenen Gefährten nicht zurücklassen, aber Elias und ich wussten nur zu gut, dass wir jedes Aufsehen vermeiden und den Konstablern aus dem Weg gehen mussten. Eine Vorführung bei Gericht würde schnell mit einem längeren Aufenthalt hinter Gittern enden, unabhängig davon, ob man sich etwas hatte zuschulden kommen lassen oder nicht, und ich war nicht in der Stimmung, mich vor einem Richter erklären zu müssen - nicht einmal vor dem allerhöchsten.

Anstatt uns den Widrigkeiten einer weiteren Bootsfahrt auszusetzen, nahmen wir eine Kutsche über die Brücke. Elias rang die Hände und biss sich auf die Lippe, und ich merkte, wie er seine Gefühle im Zaum hielt, indem er zu philosophischen Gedanken Zuflucht nahm. Selbst für jemanden wie mich, der ein Leben gewählt hat, in dem Gewalt oft eine Rolle spielt, war es nicht leicht, einen Menschen sterben zu sehen oder eben noch in einem Raum mit einem Menschen gesessen zu haben, von dem man Augenblicke später erfährt, dass er verbrannt ist. Als Arzt war Elias oft mit menschlichem Leid konfrontiert und musste in Ausübung seiner Tätigkeit auch selber so manches Leid zufügen, aber es ist schon etwas anderes, mitansehen zu müssen, wie ein Unschuldiger gewaltsam zu Tode kommt.

»Was hat er damit gemeint?«, brachte er endlich hervor. »Mit seinem letzten Satz? Was er über Miss Glade gesagt hat?«

Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein, seit ich entdeckt hatte, dass Elias sich für Celia Glade interessierte, aber ich besaß jetzt nicht mehr die Kraft, darüber nachzudenken. In Hinblick auf all das, was sich seither zugetragen hatte, erschien mir dieser kleine Treuebruch als belanglos. »Es kann zwei Dinge bedeuten - entweder, dass wir ihre Hilfe suchen sollen oder eben, dass wir uns vor ihr in Acht nehmen müssen.«

Im dunklen Coupe der Droschke sah ich ihn nachdenklich mit dem Kopf nicken. »Und wie deutest du es?«

»Ich weiß nur, dass wir auf der Stelle Mr. Franco aufsuchen müssen. Ich muss erfahren, was er uns über diesen Teaser und Peppers Erfindung sagen kann.«

»Ich denke, er ist doch angeblich dein Freund? Kann es da sein, dass er mit der East India Company im Bunde ist?«

Ich schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Ich gehe eher davon aus, dass er Geld in eine Sache gesteckt hat, und sich damit ahnungslos zu einem Mitwisser machte, und dass Cobb ihn sich als sein erstes Opfer ausgesucht hat, weil es ihm einerseits so gelegen kam und andererseits, um mich auf eine falsche Fährte zu locken.«

»Damit Franco nicht dahinterkommt, was es mit dieser Erfindung wirklich auf sich hat und mit dir darüber spricht?«

»Das ist meine Vermutung. Aadil und Teaser haben angedeutet, dass er Pepper Mittel für die Weiterentwicklung seiner Erfindung vorschießen wollte, und darum geht es bei diesem Wahnsinn ja wohl in erster Linie. Wenn es uns gelänge, die Pläne für dieses Gerät in die Hände zu bekommen, müssten wir sie Ellershaw bringen, und zwar noch vor morgen Mittag.«

»Was? Wieso? Zur East India Company? Ist dir noch nicht aufgegangen, zu was für Schurkereien die fähig sind?«

»Natürlich ist es das, aber so verhält es sich eben mit solchen großen Unternehmen. Wir können sie nicht bitten, nicht zu sein, was sie sind. Ellershaw hat einmal bemerkt, die Po-litik brächte keine Lösung für die Probleme der Wirtschaft, sondern wäre das Problem der Handelshäuser. Aber darin hat er sich geirrt. Die East India Company ist das Biest, und dem Parlament obliegt es zu entscheiden, wie groß sein Käfig sein soll. Ich werde mich nicht mit dem Craven House anlegen, weil man dort auf Profit bedacht ist, und es kann weder viel schaden, Ellershaw die Pläne zu zeigen, noch, sie vor ihm geheim zu halten.«

»Und warum tun wir es dann?«

»In einer Sache bin ich mir bei Cobb ganz sicher: Er weiß von Peppers Plänen und ist ganz versessen darauf, sie in die Finger zu kriegen. Also müssen wir die Pläne so oder so finden. Wir wollen doch mal sehen, wer wen in der Hand hat, wenn ich drohe, die Pläne zu verbrennen oder sie dem Cra-ven House auszuliefern. Es wird Zeit, dass wir die Zügel an uns reißen. Mein Onkel ist tot. Mr. Franco sitzt im Gefängnis. Die Männer, von denen ich mir Unterstützung erhoffe, werden ermordet. Es wäre töricht zu glauben, dass es uns besser ergehen wird, also müssen wir neue Regeln für das Spiel aufstellen.«

»Cobb bedroht nun nur noch uns und deine Tante«, gab Elias zu bedenken. »Wenn wir seine Bedrohung ignorieren und sämtlichen Gerichtsvollziehern aus dem Wege gehen, die er uns an den Hals schickt, kann er uns nicht aufhalten. Und was deine Tante betrifft - ich bezweifle nicht, dass die gute Lady eine vorübergehende Unbequemlichkeit, so unangenehm sie für sie auch sein mag, überstehen wird, solange dies dir Zeit gibt zurückzuschlagen.«

Obwohl er es im Dunkeln nicht sehen konnte, lächelte ich ihm zu. Er hatte einen schrecklichen Abend hinter sich, unsere Freundschaft war einer Zerreißprobe ausgesetzt gewesen, aber ich hatte sehr wohl begriffen, was er eben gerade zu mir gesagt hatte. Er würde es darauf ankommen lassen, Cobbs Zorn auf sich zu ziehen, um mir zur Seite zu stehen.

Und ich wusste, dass er viel mehr als nur seine Freiheit aufs Spiel setzte. Elias war ein gut beleumundeter Arzt, zu dessen Patienten Männer und Frauen von Stand zählten. Aber er wollte das alles riskieren, um mir bei meinem Kampf gegen meine Feinde beizustehen.