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»Das weiß ich nicht«, sagte Cobb. »Ich erhalte nur meine Befehle und werde über die Gründe nicht aufgeklärt.«

»Aber es liegt doch ziemlich klar auf der Hand«, sagte Elias. »Du weißt doch, dass ich dir erzählt habe, die Franzosen wollten selber in den Ostindienhandel einsteigen. Bis zu einem gewissen Grade betrachten sie die East India Company als ein Anhängsel der britischen Krone, denn wenn der Reichtum der East India Company sich vermehrt, dann auch der unseres Königreiches. Also ist allen daran gelegen, dass die East India Company neue Märkte erobert. Alles, was die Franzosen tun können, um der East India Company zu schaden, schadet auch dem Wohlstand der britischen Nation.«

»Richtig«, sagte Celia Glade. »Und obwohl ich bezweifle, dass unser Freund hier einen so scharfen Verstand besitzt wie Mr. Gordon, glaube ich doch, dass auch er das weiß. Deswegen wird er nicht mit der ganzen Wahrheit herausrücken wollen, und ihm einzeln die Finger zu brechen, könnte gar kein so schlechter Einfall sein. Ich habe versprochen, diesen Lumpen abzuliefern, aber ich habe nicht gesagt, in welchem Zustand.«

»Bei wem sollen Sie ihn denn abliefern?«, fragte ich.

»Bei wem? Nun, im Tower von London natürlich. Er wird ein Gefangener der Krone.«

»Nicht bevor Mr. Franco aus den Händen von Cobbs Lakaien befreit ist«, sagte ich.

»Seien Sie versichert«, stammelte Cobb, »dass er sich in keiner Gefahr befindet. Es steht nicht in meiner Macht, ihn freizulassen, aber Sie brauchen nicht zu befürchten, dass ihm etwas geschehen könnte.«

»Nicht in Ihrer Macht?«, fragte ich. »Halten Sie ihn denn nicht in Ihrem Haus fest?«

»Ja, dort ist er, aber Mr. Hammond hat ihn in seiner Gewalt.«

»Ihr Neffe?«

»Er ist nicht wirklich mein Neffe«, sagte Cobb.

Endlich begriff ich. »Und er ist auch nicht Ihr Untergebener. Mr. Hammond ist ein hochrangiger französischer Agent, der sich bis zu den höchsten Posten im britischen Zollamt hochgearbeitet hat, und Sie sind bloß sein Handlanger. Sie präsentieren sich als derjenige, der das Sagen hat, um damit Hammond umso gründlicher vor Entdeckung zu schützen. Richtig?«

Cobb antwortete nicht, aber sein Schweigen bestätigte mich nur umso mehr in meiner Vermutung.

»Was wird aus Mr. Franco, wenn Hammond erfährt, dass Cobb unter Arrest ist?«, fragte Elias.

»Er wird es nicht erfahren«, sagte Celia Glade. »Wir haben Cobb ergriffen, als er gerade das Land verlassen wollte. Er wollte nach Calais - offenbar in einer offiziellen Mission für seine Auftraggeber. Mindestens zwei Wochen lang wird keiner ihn vermissen. Hammond hat keine Ahnung, was seinem Speichellecker widerfahren ist.«

Die Kutsche hielt. Ich sah aus dem Fenster und stellte fest, dass wir beim Tower angekommen waren. Sofort traten vier streng dreinblickende Soldaten auf uns zu.

»Einen Moment noch«, sagte Celia Glade zu ihnen und dann, an mich gewandt: »Haben Sie noch Fragen an Mr. Cobb? Ich fürchte, er wird Ihnen nicht noch einmal zur Verfügung stehen.«

»Wie bekomme ich Mr. Franco aus Hammonds Gewalt?«

»Das können Sie nicht«, sagte Cobb. »Und ich würde es an Ihrer Stelle auch gar nicht erst versuchen, Weaver. Lassen Sie die Finger davon. Sie haben es hier mit Männern zu tun, die viel mehr Macht besitzen, als Sie sich vorstellen können, und Mr. Franco wird kein Haar gekrümmt, solange Sie sich nicht einmischen.«

»Aber was will denn Hammond noch von ihm? Hofft er, mich bei der Stange zu halten, indem er meinen Freund festhält?«

»Hammond spricht mit mir nur über seine Pläne, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt. Wenn Sie Antworten suchen, werden Sie die Fragen wohl ihm selber stellen müssen.«

»Das werde ich tun«, sagte ich. »Worauf Sie Gift nehmen können.«

»So«, begann ich. »Wer sind Sie?«

Wir waren wieder in ihrer Kutsche unterwegs, aber nunmehr nur noch zu dritt, denn Cobb war abgeführt worden und sah im Tower nun einem traurigen Schicksal entgegen. Gewiss erwartete ihn die Folter, doch Miss Glade zeigte keine Spur von Mitgefühl. Sie wirkte kühl und besonnen wie immer.

»Können Sie das nicht erraten?«

»Jedenfalls keine Spionin der französischen Krone, wie ich ursprünglich angenommen hatte, aber etwa der britischen?«

»So ist es«, bestätigte sie. »Uns ist nicht entgangen, dass die East India Company seit einiger Zeit an zwei Fronten bedroht wird. Zuerst haben die Franzosen versucht, Geschäftsgeheimnisse aus dem Craven House zu stehlen und nach Möglichkeit noch weiteren Schaden zu stiften. Wie Sie sich vorstellen können, dürfen wir so etwas nicht zulassen. Zu diesem Zweck sind wir eine Übereinkunft mit dem indischen Mogul eingegangen, der es zwar nicht schätzt, wenn wir Engländer uns in seine Angelegenheiten einmischen, es andererseits aber auch aus gutem Grund vermeiden möchte, dass sein Reich zum Schauplatz europäischer Machtkämpfe wird. Daher kam es, dass ich in gewissem Maße mit Aadil Baghat zusammengearbeitet habe. Ich wage nicht zu behaupten, dass er mir alles erzählt hat, was er wusste, doch das beruhte auf Gegenseitigkeit. Aber er war ein guter Mann, und es hat mich sehr bestürzt, von seinem Tod zu erfahren. Diese französischen Teufel schrecken aber auch vor nichts zurück.«

Ein kummervoller Ausdruck huschte über ihr Gesicht, war jedoch im nächsten Moment schon wieder verschwunden. »Sie sprachen von zwei Fronten.«

»Ja. Die zweite ist Mr. Peppers Erfindung. Wenn die Pläne dafür in die falschen Hände fallen, könnte das der East India

Company erheblichen Schaden zufügen. Sie verdient zwar ihr Geld auch mit Tee und Gewürzen, aber der Handel mit Textilien macht sie zu dem, was sie darstellt. Ohne ihn wäre sie nur ein beliebiges Handelshaus.«

»Und was ist sie jetzt?«, fragte Elias.

»Ein neuer, bedeutender Baustein des britischen Weltreiches«, sagte sie. »Stellen Sie sich doch nur die Möglichkeiten vor. Die britische Krone mag der Welt ihren Stempel aufdrücken, mag ihre Macht ausspielen, mag bestimmend für den Handel und Wandel in allen Ländern der Erde sein, ohne jemals ihre militärische oder ihre Seemacht in Einsatz bringen oder ihre Bürger zwingen zu müssen, Haus und Hof zu verlassen und in einem fremden und unwirtlichen Land in den Krieg zu ziehen. Die East India Company hat uns gezeigt, wie man die Welt auf Handelswegen erobert. Sie finanziert ihre eigene Machtausdehnung, unterhält eigene Armeen und setzt nach ihrem Gutdünken Gouverneure ein. Und währenddessen werden unser Markt und unsere Vormachtstellung immer größer. Wundert es Sie da, wenn wir die East India Company um beinahe jeden Pries zu schützen versuchen?«

»Also wollen Sie die Früchte britischen Erfindungsgeistes unterdrücken, um das britische Weltreich auszudehnen?«, fragte Elias.

»Nun seien Sie nicht so spitzfindig, Mr. Gordon. Mr. Pep-per ist schließlich tot und kann die Früchte seines Erfindungsreichtums gar nicht mehr ernten.«

»Und was ist mit seiner Frau«, erkundigte ich mich, bereute die Frage aber sogleich wieder.

»Welche denn? Denken Sie, eine dieser Armseligen würde auch nur einen Penny sehen, selbst wenn Peppers Erfindung weiterentwickelt würde? Die Rechte an seinem Gedankengut würden die Gerichte auf Jahre hinaus beschäftigen, und am Ende wären es die Anwälte, die ihr Schäfchen ins Trockene bringen.«

»Wenn ein Mann so eine Erfindung machen kann«, wandte ich ein, »dann kann es auch ein anderer.«

»Das ist möglich und vielleicht sogar unvermeidlich, aber es muss ja nicht sofort sein. Die Welt wird nie erfahren, dass so eine Erfindung je existierte. Die Möglichkeiten sind es, die Erfindungsgabe gebieren, und keiner wird auf die Idee kommen, sich noch einmal an die Arbeit zu machen. Wenn niemandem je der Gedanke kommt, Baumwolle aus den Kolonien so zu spinnen, dass sie feinfädig wird wie indische Seide, wird sich auch niemand je um die Erfindung eines entsprechenden Webstuhls bemühen. Aufgabe des Parlaments ist es, dafür zu sorgen, dass Textilien billig und für jeden erschwinglich bleiben, damit niemand eine Notwendigkeit sieht, an dem System etwas zu ändern. Es gibt so manche, die glauben, das Gesetz von 1721 wäre ein verheerender Fehler gewesen, und zu diesen zähle auch ich mich. Aber man kann Gesetze ja auch wieder rückgängig machen.«