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»Ich nehme nicht an, dass du mich begleiten möchtest«, sagte ich. »Und wenn, dann wüsstest du wahrscheinlich nicht, wie du dich verhalten solltest. Obwohl dir der Sinn nach Abenteuern steht, musst du stets bedenken, dass man uns dabei ertappen könnte, und ich bezweifle, dass du dich im Gefängnis gut aufgehoben fühlen würdest.«

Er nahm die Füße vom Tisch. »Das stimmt schon, aber es laufen allerhand miese Burschen herum. Und was soll ich so allein mit mir anfangen, bis du wieder da bist?«

»Wenn du möchtest, kannst du hier auf mich warten.«

»Aber es ist doch kein Portwein mehr da.«

»Du weißt, dass ich immer mehr als eine Flasche im Haus habe.«

»Oh. Dann bleibe ich hier.«

Es war den ganzen Tag bitterkalt gewesen, doch mit dem Einbruch der Nacht hatte es sich sonderbarerweise ein wenig erwärmt, so dass sich die Kälte draußen durchaus ertragen ließ. Der dunkle Himmel war wolkenverhangen, und es fielen immer wieder pappige Schneeflocken, die den Schmutz auf den Londoner Straßen in eine schlammige Masse verwandelten. Unter weniger dringlichen Umständen hätte ich vorsichtig einen Fuß vor den anderen gesetzt, um mich vor Dreckspritzern zu bewahren oder nicht aus Versehen in einen Haufen Kot zu treten, aber an diesem Abend war mir nur danach, entschlossenen Schrittes voranzustreben.

Ich sprach ein stummes Stoßgebet. Am nächsten Tag würde die Versammlung der Anteilseigner einberufen, und wenn es mir nicht gelang, bis dahin Mr. Franco zu befreien und Peppers Pläne zu finden, waren meine sämtlichen Bemühungen möglicherweise vergebens gewesen. Auf jeden Fall musste ich mir Zutritt zu dem Haus verschaffen, das Cobb und Hammond benutzt hatten.

Ich war schon in allerhand Häuser eingebrochen, einmal sogar in eine von französischen Spionen besetzte Festung, aber ich musste davon ausgehen, dass man Vorkehrungen gegen einen Einbruch getroffen, vielleicht sogar Fallen aufgestellt hatte, und das gefiel mir gar nicht. Daher wollte ich mich der Hilfe derer versichern, die ganz genau wussten, wie man in das Haus gelangte.

Nachdem ich in die Sparrow Street eingebogen war, blieb ich stehen und schaute mich nach allen Seiten um. Ich lehnte mich gegen eine Mauer und zog den Hut tief in die Stirn, damit niemand mein Gesicht sehen konnte. Die Dunkelheit verlieh mir zusätzlichen Schutz, und ich glaube nicht, dass jemand mich erkannt hätte. Es war gegen zehn Uhr, und aus ein paar Fenstern fiel hier und dort noch etwas Licht auf die Straße, die im Übrigen trotz der Finsternis alles andere als menschenverlassen dalag. Es waren noch einige Passanten unterwegs, und ab und zu fuhr eine mit Laternen beleuchtete Kutsche vorbei, aber das würde mich nicht an meinem Vorhaben hindern. So hoffte ich jedenfalls.

Ich zog meine Börse hervor und ließ sie auf einen nicht mit Schnee oder Schmutz bedeckten Pflasterstein fallen. Ein paar Pennies fielen heraus und erzeugten das klimpernde Geräusch, das ich beabsichtigt hatte.

Augenblicklich war ich von einem Dutzend dunkler Gestalten umringt.

»Nimm den Stiefel von deiner Börse, Mann, sonst bekommst du meinen zu spüren.«

»Das will ich gerne tun, vor allem, da es eure Börse ist und nicht meine. Ich werde sie euch nämlich schenken.« Ich hob den Blick und erkannte den Straßenbengel wieder. Es war jener Luke, den ich bei meinem ersten Besuch in dieser Straße aus Edgars Fängen befreit hatte.

»He«, sagte einer seiner Kumpane. »Ist das nicht der Kerl, der es dem eingebildeten Edgar mal so richtig gezeigt hat?«

»Das ist er«, bestätigte Luke. Er beäugte mich misstrauisch, als wäre ich ein Leckerbissen, der von jemandem gereicht wurde, der in dem Ruf stand, Lebensmittel zu vergiften. »Was sollte das dann? Haben Sie uns mit dem Klimpern der Münzen auf dem Pflaster anlocken wollen?«

»Du hast es erfasst«, sagte ich. »Ich muss etwas mit euch besprechen. Gleich, was ihr dazu sagt, und gleich, ob ihr mir helft oder nicht, die Börse gehört euch.«

Luke nickte einem seiner Begleiter, einem kleinen Jungen mit laufender Nase, aufmunternd zu. Ich schätzte ihn auf höchstens sieben oder acht Jahre, doch als er nähertrat, sah ich, dass er doch älter war, aber offenbar an einer Wachstumshemmung litt. Blitzschnell bückte er sich, schnappte die Börse und stellte sich wieder zwischen die anderen.

»Sie wollen, dass wir was für Sie tun?«, fragte Luke.

»So ist es. Als ich das erste Mal hier war, habe ich euren Freund Edgar gefragt, warum er so eine Abneigung gegen euch hat. Er sagte mir, ihr wäret Einbrecher, wüsstet, wie man in das Haus hinein- und wieder hinausgelangt, ohne sich erwischen zu lassen.«

Die Jungen lachten, am meisten ihr Anführer Luke. »Das mag er nicht«, kicherte er. »Er kriegt dann immer eine Stinkwut.«

»Vor allem, weil sie glauben, ihr Haus wie eine Festung gesichert zu haben«, betonte ich.

Luke nickte verständig. »Genau. Ich gebe ja zu, dass wir das eine oder andere Mal geklaut haben, aber vor allem geht es uns um den Spaß. Viel können wir ja sowieso nicht mitgehen lassen, weil die dauernd zu Hause sind und mit der Muskete im Schoß auf uns warten. Aber wir schleichen uns trotzdem immer wieder hinein, und sie wissen nicht, wie.«

»Ich würde gerne euer Geheimnis erfahren«, sagte ich. »Ich möchte nämlich auch ins Haus.«

»Ist aber unser Geheimnis.«

»Schon, aber ich habe auch das eine oder andere Geheimnis. Vielleicht könnten wir ja tauschen.«

»Und was für ein Geheimnis kennen Sie?«

Ich lächelte. Ich wusste, dass er nun Blut geleckt hatte. »Mr. Cobb ist fort. Mr. Hammond wird auch bald nicht mehr hier sein. Ich bin sicher, dass spätestens einen Tag nach seinem Verschwinden die Gläubiger kommen werden, um sich das Haus unter den Nagel zu reißen. Wenn aber ein paar schlaue junge Burschen genau wissen, wann sie zuzuschlagen haben, können sie sich frei im Haus bewegen und sich ungestraft alles nehmen, was ihr Herz begehrt.«

Luke tauschte Blicke mit ein paar seiner Kameraden aus. »Sie lügen doch nicht, oder?«

Ich gab ihm meine Karte. »Wenn ihr euch belogen fühlt, kommt zu mir. Ich gebe euch fünf Pfund, wenn ich die Unwahrheit gesagt habe. Ich bin hier, um euch zu helfen, und ich hoffe, dass ihr mir meine Großzügigkeit nicht mit Zweifeln vergeltet.«

Luke nickte. »Ich weiß auch was über Sie«, sagte er. »Ich habe keinen Grund zu glauben, dass Sie mich anlügen, und wenn Sie sich geirrt haben, werden Sie es wiedergutmachen. Also abgemacht.« Er drehte sich zu seinen Freunden um, die allesamt feierlich nickten. Ich schmeichelte nicht mir selber, indem ich mir einbildete, mit ihrem Kopfnicken würden sie Lukes Einschätzung meines Charakters bestätigen. Vielmehr war es wohl die erfreuliche Aussicht, sich in einem so eleganten Haus nach Herzenslust bedienen zu können.«

»Wollt ihr mir jetzt zeigen, wie man hineinkommt?«

»Ich mach's. Ich hoffe, Sie hängen nicht zu sehr an den Sachen, die Sie jetzt anhaben, denn die werden bald nicht mehr viel wert sein.«

Ein Mann wie ich, der aus dem berüchtigtsten Gefängnis Londons ausgebrochen war, dürfte sich kaum von dem Gedanken an einen Nagel, der sich in seiner Hose verfängt oder von etwas Ruß an seinem Ärmel abschrecken lassen. Meine größte Sorge war, dass ein geheimer Durchgang, in den ein Junge passte, für einen Erwachsenen vielleicht zu eng sein könnte, aber sie erwies sich als unbegründet. Luke führte mich um die Straßenecke herum zu einem kleineren Nachbargebäude. Es handelte sich um ein gepflegtes, anständiges Gasthaus, wie ich sofort erkannte - keines, in dem gemeinhin Tunichtgute wie mein Freund Luke verkehrten.