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»Hören Sie gut zu, Sir. Das ist ein Geheimweg, und ich will nicht, dass Sie ihn uns kaputt machen, denn sonst werde ich böse. Wir gehen hier schon seit ein paar Monaten ein und aus, und der Mann, dem das Haus gehört, hat nie auch nur einen Mucks von uns gehört. Also seien Sie leise.«

»Worauf du dich verlassen kannst.«

»Und wann steht das Haus nun leer?«

»Morgen bei Sonnenuntergang. Wenn alles läuft, wie ich hoffe, werden sich Mr. Hammond, Edgar und jeder andere, der sich noch darin aufhält, dann irgendwo verstecken und nicht wagen, hierher zurückzukehren. Vorausgesetzt«, fügte ich hinzu, »dass sie mir heute Nacht nicht in die Quere kommen.«

»Und wenn nicht alles so läuft, wie Sie hoffen?«

»Dafür sorge ich schon. Ich brauche Ihnen nur mit ein paar Wörtchen zuzuflüstern, dass ich ihr Geheimnis kenne.«

»Dass das französische Spione sind, meinen Sie?«

Ich sah ihn erstaunt an. »Woher weißt du das denn?«

»Sie wissen doch, dass ich in dem Haus gewesen bin, und ich habe Augen und Ohren. Und lesen kann ich übrigens auch.«

In dem Gasthaus gab es eine Tür, die zum Keller führte. Das Schloss war alt und primitiv, und ich hätte es ohne Weiteres aufbrechen können, aber das überließ ich Luke, damit er merkte, dass ich ihn als Anführer akzeptierte. Als die Tür offen war, erklärte er mir kurz und bündig den Weg. Dann verabschiedete er sich von mir, und die Jungen rannten davon.

Ich betrat das Haus, schloss die Tür hinter mir und verriegelte sie Lukes Anweisungen entsprechend auch wieder, falls die Bewohner des Hauses kamen, um nachzusehen. Dann setzte ich mich zehn Minuten lang auf die Treppe, bis sich meine Augen so gut es ging an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Durch die Tür war nur wenig Licht eingefallen, aber es hatte gereicht, um mir einen Überblick zu verschaffen und die Markierungspunkte zu finden, die Luke mir genau beschrieben hatte.

Ich stieg die Treppe hinunter und tastete mich vorsichtig über den staubigen Kellerboden bis zu einem alten Bücherregal an der gegenüberliegenden Wand vor, auf dem nur ein paar Töpfe standen. Ich stellte die Töpfe auf den Boden und zog das Regal ein Stück vor. Dahinter fand ich das nur mit ein paar dünnen Brettern abgedeckte Loch in der Mauer, von dem Luke gesprochen hatte.

Ich hatte befürchtet, mich ab hier auf allen vieren bewegen zu müssen, aber ich stand vor einem unterirdischen Gang mit glatten Wänden, der hoch genug war, dass ich darin in leicht gebückter Haltung gehen konnte, und breit genug, dass ich mit den Schultern dabei nicht die Mauern berührte. Ich hätte sogar eine Kerze vor mir hertragen können, aber die besaß ich leider nicht. Ich hatte keine Ahnung, wozu dieser Durchgang je gedient haben sollte, und erst viele Jahre später, als ich ein paar von meinen Freunden mit dieser Geschichte ergötzte, hat mich ein Gentleman, der sich eingehend mit der Architekturgeschichte Londons befasst hatte, darüber aufgeklärt, dass das große Haus, in dem Hammond und Cobb gewohnt hatten, von einem Mann mit einer ausgesprochen zänkischen und eifersüchtigen Frau gebaut worden war und dass diesem Mann auch das Nachbarhaus gehörte, in dem er seine Geliebte unterbrachte, die er dann zu später Stunde, wenn seine Frau schlief, ungezwungen besuchen konnte. Und wenn die Ehefrau am nächsten Morgen die Diener fragte, ob ihr Mann in der Nacht das Haus verlassen habe, konnten diese in aller Unschuld sagen, das sei nicht der Fall gewesen.

Im Gegensatz zu mir war der Vorbesitzer des Hauses gewiss so klug gewesen, auf seine nächtlichen Stollengänge eine Kerze mitzunehmen, und bestimmt waren früher auch die Wände noch sauber gewesen oder vielleicht zumindest regelmäßig gereinigt worden. Nun aber befand sich alles im Zustand des Verfalls, und Luke hatte mich nicht umsonst wegen meiner Kleider gewarnt. Sooft ich im Dunkeln gegen die Wände stieß, rieselte irgendein feuchter Unrat auf mich herab. Ich hörte auch Ratten umherhuschen und griff dauernd in Spinnennetze, aber das war eben der Schmutz, an den man sich zwangsläufig gewöhnte, wenn man in einer so großen Stadt lebte. Ich war fest entschlossen, mich davon nicht abschrecken zu lassen.

Es kostete mich zehn Minuten, den Stollen zu durchqueren - mit einem Licht hätte es wohl nur eine oder zwei gedauert. Ich hielt im Gehen ständig eine Hand vor mich ausgestreckt, und irgendwann berührte ich damit wiederum morsches Holz, das ich, Lukes Anweisung entsprechend, zur Seite schob. Die Tür befand sich auf einer eisernen Laufschiene und ließ sich leicht bewegen. Ich trat hindurch und schob sie wieder zu. Ich konnte zwar im Dunkeln nichts sehen, hörte aber, wie der Riegel mit einem satten Geräusch einrastete, und nun wusste ich, was Luke damit gemeint hatte, als er sagte, wenn man es nicht wüsste, würde man in diesem Verschlag nie eine Türöffnung vermuten.

Von ihm und seinen Kameraden hatte ich auch erfahren, dass mich besagte Tür in die Wirtschaftsräume führen würde. Stets darauf bedacht, nichts umzustoßen, machte ich vorsichtig einen weiteren Schritt und fand mich tatsächlich in einer schwach erhellten Küche wieder.

Es schien eine Besonderheit dieses Hauses zu sein, dass die Küche sich im Keller befand, aber dies hatte wohl den Bedürfnissen des ursprünglichen Besitzers entsprochen. Mir sollte es gleich sein. Ich orientierte mich, wischte mir den gröbsten Schmutz von den Kleidern und stieg eine Treppe hinauf.

Bevor ich das Gewölbe betreten hatte, hatte ich noch gehört, wie der Nachtwächter die elfte Stunde ausrief, also konnte ich davon ausgehen, dass die meisten Bewohner des Hauses schliefen - obwohl ich natürlich nicht einmal annähernd wusste, aus wem diese Bewohnerschaft alles bestand. Irgendwie mussten Hammond und Edgar Mr. Franco ja gegen seinen Willen hier gefangen halten. Andererseits brauchte es vielleicht gar keine körperliche Gewalt, ihn festzuhalten. Schließlich war auch ich auf Cobbs Wünsche eingegangen, ohne dass er äußerlich erkennbaren Druck auf mich ausgeübt hatte. Ich hoffte jeden-falls, dass es sich auch hier so verhielt. Wenn es im Haus außer Mr. Franco nur die beiden gab, würde mein Vorhaben vielleicht von Erfolg beschieden sein - und das ohne jegliches Blutvergießen. Falls es aber im Hause bewaffnete Männer gäbe - Diener der französischen Krone etwa -, konnte es leicht gefährlich werden, und dann stand es um mich längst nicht so gut. Aber es gab nur einen Weg, das herauszufinden, also drehte ich oben an der Treppe am Türknauf und betrat den Wohnbereich des Hauses.

Es war ein geräumiges Haus, und obwohl Celia Glade angedeutet hatte, dass Cobb und Hammond es nicht riskieren würden, sich eine Dienerschaft zu halten, konnte ich mir kaum vorstellen, wie sie ohne einen Butler, einen Koch, ein Küchenmädchen und eine Waschfrau ausgekommen sein sollten. Aber es war niemand zu entdecken.

Im Erdgeschoss verschaffte ich mir einen raschen Überblick, wobei ich jeden meiner Schritte mit Bedacht setzte und es tunlichst vermied, mich durch ein Knarren der Bodendielen zu verraten. Aber nichts rührte sich, es schien niemand wach zu sein, und auch aus dem Stockwerk darüber war nichts zu hören.

Den Raum, den ich für Cobbs Arbeitszimmer hielt, durchsuchte ich schon ein wenig gründlicher nach den bewussten Plänen, konnte aber keine Spur von einem kleinen Oktavband entdecken, wie ihn Pepper zu benutzen gepflegt hatte. Ich fand überhaupt keine privaten Unterlagen - es sah so aus, als wäre das Zimmer aufgeräumt worden. Natürlich konnte es jede Menge Verstecke für das Büchlein geben, die mir bei meinem ersten Überblick noch entgangen waren, doch was sollte ich tun - es war stockfinster, und ich durfte kein Geräusch machen. Sowie ich Hammond erst in meiner Gewalt hatte, würde ich Mittel und Wege finden, den Verwahrort der Pläne in Erfahrung zu bringen.

Nachdem ich das Erdgeschoss so weit als möglich durch-sucht hatte, begab ich mich weiter in die obere Etage. Ich fragte mich, wo Edgar wohl seine Schlafkammer hatte. Als Diener stand es ihm eigentlich nicht zu, im oberen Stockwerk zu nächtigen, aber für diese Ausnahme mochte es zwei Gründe geben. Da Edgar offenbar der einzige ständig im Haus befindliche Bedienstete war, musste er sich natürlich in der Nähe seiner Herrschaft - die inzwischen ja nur noch aus einer Person bestand - aufhalten, falls diese in der Nacht etwas benötigte. Aber ich ging nun vielmehr davon aus, dass es sich bei Edgar gar nicht um einen Diener handelte, jedenfalls nicht auf die Weise, die es den Anschein hatte. Mit anderen Worten - auch er war, wie Cobb und Hammond, ein Agent der französischen Krone. Wenn das stimmte, musste ich mich vor ihm besonders in Acht nehmen.