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Wie ich vorhergesagt hatte, erhob niemand Zweifel, dass wir mit Fug und Recht an der Versammlung teilnahmen. Wir waren beide wie Gentlemen gekleidet, also fielen wir unter den ungefähr hundertfünfzig dunkel gewandeten Herrschaften, die den Versammlungssaal füllten, nicht weiter auf - außer höchs-tens dadurch, dass wir jünger waren und nicht so stattliche Bäuche vor uns hertrugen wie die meisten übrigen Anwesenden.

Die Versammlung fand in einem Raum statt, der speziell für jene vierteljährlichen Ereignisse hergerichtet worden war. Ich hatte diesem Raum bereits einmal einen Besuch abgestattet, und dabei hatte er die freudlose Wirkung eines verlassenen Theatersaales auf mich gehabt. Nun aber war er von Leben erfüllt, wenn auch die Geschehnisse auf der Bühne vorerst träger, schwerfälliger Natur waren. Nur wenige der Anteilseigner schienen sich sonderlich für das zu interessieren, was hier verhandelt werden sollte. Sie standen herum und schwatzten miteinander; mehrere von ihnen waren auf ihren Stühlen eingeschlafen. Ein Mann - einer der wenigen, die jünger als ich waren - schien sich wach zu halten, indem er lateinische Verse repetierte. Manche aßen mitgebrachte Speisen, und ein besonders unerschrockenes Sextett hatte sogar ein paar Weinflaschen und Zinnkrüge dabei.

Es gab eine erhöhte Plattform, auf der ein Podium stand. Als wir den Raum betraten, ließ sich einer der leitenden Angestellten gerade über die Meriten eines bestimmten Gouverneurs in den Kolonien aus, welche wohl in Frage gestellt worden waren. Wie sich herausstellte, handelte es sich bei jenem Gouverneur um den Neffen eines der größten Anteilseigner, was zu einer, wenn nicht gerade hitzigen, so doch wenigstens als lauwarm zu bezeichnenden Debatte Anlass gab.

Elias und ich suchten uns Plätze in einer der hinteren Reihen. Mein Freund fläzte sich auf seinen Stuhl und zog sich sogleich den Hut ins Gesicht. »Ich kann es nicht ertragen, wenn sich nichts rührt«, sagte er. »Sei doch bitte so gut, mich zu wecken, wenn irgendwas passiert.«

»Du kannst ja auch wieder gehen«, versetzte ich. »Aber wenn du bleibst, darfst du nicht einschlafen. Ich brauche jemanden, der mich unterhält.«

»Sonst fallen dir selber gleich die Augen zu, nehme ich an. Sag mir, Weaver, was du dir hiervon eigentlich versprichst.«

»Dessen bin ich mir nicht ganz sicher. Vielleicht wird das, was wir bis jetzt bewerkstelligt haben, gar keine merklichen Auswirkungen haben, aber es ist doch inzwischen einiges geschehen. Und vor allem geht es heute um das Schicksal von Mr. Ellershaw. Forester wird etwas gegen ihn vorbringen, und selbst wenn Celia Glade nicht die Hand im Spiel hat und sich sogar die Angelegenheit mit Cobb sich letzten Endes als irrelevant erweist, möchte ich doch mit eigenen Augen sehen, wie die Dinge sich entwickeln.«

»Und dafür muss ich wach bleiben? Du bist mir ein schöner Freund.«

»Und du? Du willst die Frau, die ich begehre, zu dir ins Bett locken«, merkte ich an.

»Ich dachte, wir wären übereingekommen, nicht mehr davon zu sprechen?«

»Außer, wenn ich versuche, dich dazu zu bewegen zu tun, was ich von dir erwarte. Dann gedenke ich die Angelegenheit sehr wohl aufs Tapet zu bringen.«

»Das ist ziemlich niederträchtig von dir. Wie lange gedenkst du mich noch so zu quälen?«

»Solange du lebst, Elias. Wenn ich es nicht mit Humor betrachte, könnte ich ganz schön sauer werden.«

»Dann sage ich lieber nichts mehr dazu. Aber mir ist aufgefallen, dass du von meiner Lebensspanne sprichst und nicht von deiner. Hast du ein Rezept für Langlebigkeit entdeckt, das ich noch nicht kenne?«

»Ja. Nicht zu versuchen, die Frau ins Bett zu bekommen, auf die dein Freund ein Auge geworfen hat. Du solltest es bei Gelegenheit einmal ausprobieren.«

Er wollte etwas erwidern, aber ich hob die Hand. »Warte«, sagte ich. »Das möchte ich mir anhören.«

Einer der Anteilseigner, dem die Aufgabe zugefallen zu sein schien, als eine Art Zeremonienmeister zu fungieren, war gerade dabei, die Versammlung darüber zu informieren, dass Mr. Forester von der Geschäftsleitung etwas äußerst Wichtiges mitzuteilen habe.

Ich mutmaßte, dass die Anwesenden nun eine ausführliche Darlegung betreffs der Länge der bei Transportkisten verwendeten Nägel erwarteten, denn niemand schenkte der Sache besondere Aufmerksamkeit. Die Schläfer schliefen, die Speisenden speisten, die Schwätzer schwatzten, der Lateinrepetitor repetierte. Ich aber wartete gespannt darauf, was sich auf dem Podium tun würde.

»Gentlemen«, hob Forester an, »ich fürchte, es gibt zwei wichtige Dinge, auf die ich heute zu sprechen kommen muss. Das eine verheißt Gutes für die Zukunft des Unternehmens, wenn wir es nur richtig anzupacken wissen. Das andere ist eher unangenehmer Natur, und obwohl ich es nur sehr ungern überhaupt erwähne, fürchte ich doch, dass es meine Pflicht ist, dies zu tun. Doch zunächst zum erfreulichen Punkt.«

Forester gab einem Bediensteten, den ich bislang noch nicht wahrgenommen hatte, ein Zeichen, und dieser eilte sogleich mit einem golden, rot und schwarz lackierten, orientalisch anmutenden Kästchen zu ihm hin. Auf dem Deckel saß ein Griff in Form eines Elefanten. Forester hob den Deckel ab und gab ihn dem Bediensteten zurück. Dann nahm er eine eng gewickelte Rolle Stoff aus dem Behältnis und reichte dem Mann auch das leere Kästchen. Es hätte sehr gut auch ohne dieses dekorative Kästchen getan, aber Forester schätzte wohl dramatische Auftritte, und ich ahnte bereits, dass uns eine faszinierende Vorführung ins Haus stand.

»In meiner Hand halte ich die Zukunft der East India Company«, verkündete Forester. »Wie ich Ihnen wohl nicht zu sagen brauche, war es einer der niederschmetterndsten Augenblicke in der Geschichte unseres Unternehmens, als das Parlament ein Gesetz verabschiedete, das den Verkauf in-discher Stoffe hierzulande sehr problematisch gestaltete. Es wird nur noch wenige Wochen dauern, bis wir gezwungen sind, diese Stoffe den Bürgern unseres Landes vorzuenthalten. Trotz unserer Bemühungen, den Markt für die Stoffe, die wir weiterhin verkaufen dürfen, zu erweitern, ist es doch eine traurige Wahrheit, dass es der East India Company nicht gelungen ist, einen entsprechenden Gegenangriff auf die Interessen der Wollmanufakturen in die Wege zu leiten, so dass wir nun bald einem Umsatzverlust zu vergegenwärtigen haben dürften. Aber dazu komme ich später noch ausführlicher.«

Zweifellos wollte Forester die gesamte Verantwortung Eller-shaw aufbürden, und wenn dieser nicht glaubwürdig eine bevorstehende Gesetzesänderung ankündigen konnte, würden seine Tage bei der East India Company wohl gezählt sein.

»Es ist gewiss schlimm, was im Unterhaus passiert ist«, fuhr Forester fort, »und es gibt Gerüchte, uns stünden noch einschneidendere Entwicklungen bevor. Wir haben alle schon von einem neuen Webgerät gehört, mit dem angeblich amerikanische Baumwolle zu so feinen Fäden gesponnen werden könne, dass sie von indischer Seide nicht mehr zu unterscheiden sei - ebenso leicht, bequem und elegant. Die hiesigen Färbereien arbeiten seit Jahren an der Verfeinerung ihrer Verfahren, so dass ein Großteil der indischen Ware bereits jetzt in diesem Königreich weiterverarbeitet wird. Würden diese Betriebe sich nun auf die mittels jenem geheimnisvollen Wunderwerks zu Fäden gesponnene amerikanische Baumwolle umstellen, wäre es dem Käufer unmöglich, den Unterschied zu erkennen. Gewiss würden die Fachleute des Craven House einen Qualitätsverlust ausmachen können, doch nicht der Mann auf der Straße. So ein Gerät könnte das Ende unseres Handels mit orientalischen Rohmaterialien bedeuten.«

Das brachte die Menschenmenge ganz schön auf Trab. Pfiffe und Pfuirufe erfüllten den Saal. Selbst Elias, der sich betont ge-langweilt gegeben hatte, war nun hellwach. »Er hat die ganze Zeit davon gewusst«, flüsterte er.

»Ich bin hier, um Ihnen zwei Dinge mitzuteilen, Gentlemen. Zunächst, dass es dieses Wunderding tatsächlich gibt. Ich habe gesehen, wie es arbeitet.« Forester wurde niedergeschrien und musste ein paar Minuten warten, bis sich die Menge so weit beruhigt hatte, dass er fortfahren konnte. Als es endlich so weit war, konnte man ihn wegen des Lärms trotzdem nur schwer verstehen. »Ja, es ist wahr. Das Wunderding gibt es. Doch das Zweite, was ich Ihnen zu sagen habe, ist, dass dies nicht einen Augenblick der Niederlage, sondern des Triumphes darstellt. Das bewusste Gerät ist stets als ein Feind des Unternehmens erachtet worden, doch nun haben wir es in unserem Besitz, und damit können wir es nach unserem Gutdünken und zu unserem Gewinn einsetzen. Das, meine Freunde, bedeutet Reichtum über all unsere Vorstellungen hinaus.«