»Was ist das nur für ein grausamer Scherz?«, fragte sie. »Sie wissen sehr wohl, dass er tot ist.«
»Ich glaubte, es zu wissen«, sagte ich zu Elias, aber so, dass sie es auch hören musste. »Dies war einer der wenigen greifbaren Anhaltspunkte, die ich von Cobb bekommen habe, doch irgendwann bin ich stutzig geworden. Jeder erzählte mir Lügen und machte mir etwas vor. Woher sollte ich wissen, dass Pep-per wirklich nicht mehr lebte? Wenn Cobb mich nun angelogen hatte oder er selber einer Lüge aufgesessen war? Irgendwer aber musste Cobb verraten haben, also neige ich nun zu der letzteren Annahme.«
»Ach? Pepper ist gar nicht tot?«
»Nein. Das war Teil seiner Vereinbarung mit der East India Company. Er hat ihnen seine Pläne übergeben, Pläne, die er nie auf eigene Faust würde in die Tat umsetzen können, weil ihm, wie mir eine seiner Witwen verraten hat, seine ganzen gescheiten Ideen sofort wieder entfielen, sowie er sie sich notiert hatte. Als Gegenleistung für dieses Opfer würde ihm gestattet sein, mit dieser jungen Lady hier verheiratet zu bleiben. Und vielleicht hat man ihm noch etwas anderes versprochen. Ein neues Leben im Ausland zum Beispiel. Sie müssen ihn aufrichtig lieben, dass Sie trotz all seiner - wie soll ich sagen - Exzesse an seiner Seite geblieben sind.«
»Ich weiß nicht, warum Sie sein Andenken beschmutzen und mich so quälen«, sagte Bridget Pepper. »Er ist tot. Er ist tot.«
»Oder doch noch nicht endgültig«, sagte ich. »Vielleicht holt ihn das wieder aus dem Grab zurück.«
Und mit meinem zuvorkommendsten Lächeln überreichte ich ihr den Oktavband mit den Plänen von Peppers Erfindung.
»Was hatte Ellershaw denn nun in der Hand?«, fragte mich Elias, als wir unserer Gastgeberin in den hinteren Teil des Hauses folgten.
»Das erste Buch, das, das ich von der Lady in Twickenham bekommen habe«, erklärte ich. »Es war dem richtigen in Form und Inhalt ganz ähnlich, und man konnte auch nicht auf den ersten Blick erkennen, dass die darin enthaltenen Aufzeichnungen unvollständig waren. Auch für mich sahen sie sehr nach den Originalplänen aus, und wenn auf dem einen Buchdeckel nicht eine leichte Unvollkommenheit des Leders gewesen wäre, ein Makel in der Form eines P, hätte ich die beiden nicht zu unterscheiden gewusst.«
Im hinteren Bereich des Hauses erwartete Mr. Pepper uns mit einem Buch und einem Glas Wein vor sich. Er stand auf, um mich zu begrüßen. »Ich muss zugeben, dass ich die Hoffnung nie ganz aufgegeben habe«, sagte er. »Aber es war nie mehr als nur eine schwache Hoffnung. Ich muss sagen, Sie sind ein bemerkenswerter Mann.«
An mir war eigentlich gar nichts so Bemerkenswertes. Vielmehr war es Pepper, von dem eine Wärme, eine Herzlichkeit und eine Zufriedenheit ausgingen, wie ich sie noch nie bei einem Menschen erlebt hatte. Und er sah wirklich gut aus, doch ist die Welt nicht voller gut aussehender Männer? Nein, es war noch etwas an ihm, und obwohl ich wusste, dass es nur vorgetäuscht war, hatte es doch eine ähnliche Wirkung auf mich wie ein Blitz, vor dem man zwar lieber davonlaufen möchte, der einen aber doch voller Ehrfurcht innehalten lässt.
Ich reichte ihm sein Buch. »Ich würde Ihnen raten, sich in einen anderen Teil des Landes zurückzuziehen. Die East India Company dürfte nicht sehr davon erbaut sein, wenn Sie versuchen, diese Pläne doch noch in die Tat umzusetzen.«
»Gewiss nicht. Wie Sie ja bereits vermutet hatten, bestand die Übereinkunft darin, dass die Kunde von meinem Tod überall verbreitet würde, damit ich vor den Franzosen sicher bin. Das Ministerium hat sogar dafür gesorgt, dass gewisse französische Spione Briefe abfangen konnten, in denen beschrieben wurde, wie die East India Company meinen Tod herbeigeführt hat.«
»Und Mr. Ellershaw hat das alles in die Wege geleitet, damit Sie mit seiner Stieftochter glücklich werden können, wobei er Sie im Tausch gegen die Pläne auch mit einer ordentlichen Mitgift versorgt und, was Ihre, sagen wir mal, sonstigen entangle-ments betrifft, ein Auge zugedrückt hat«, riet ich aufs Geratewohl.
Mrs. Pepper legte ihrem Gatten die Hand auf die Schulter. »Sie brauchen gar nicht um den heißen Brei herumzureden«, sagte sie. »Ich weiß um den ziemlich gewundenen Weg, den mein Absalom gegangen ist, bevor wir zueinanderfanden. Ich trage es ihm nicht nach, dass er getan hat, was er tun musste, und da wir nun zusammen sind, will ich seine Vergangenheit gerne vergessen.«
»Doch dann«, spann ich meinen Faden fort, »bekam er kalte Füße. Er wollte Sie in Sicherheit wissen. Deswegen nahm Mrs. Ellershaw Sie wieder unter ihre Fittiche und versteckte Sie. Deswegen glaubte sie auch, ich würde im Auftrage von Mr. Ellershaw Nachforschungen über ihre Tochter anstellen. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt begriffen hat, in was Mr. Pepper sich sonst noch verstrickt hatte, aber wenn, dann kümmerte es sie kaum mehr, als es ihre Tochter tat.«
Pepper tätschelte die Hand seiner Gattin und lächelte mir verschmitzt zu. »Ich muss zugeben, ziemlich stolz darauf zu sein, dass mir die gute Frau sogar noch eine zweite Mitgift verschafft hat. Es war so vereinbart, dass Mrs. Ellershaw glauben sollte, ihr Ehemann wäre in schärfster Form gegen unsere Verbindung. Also hat sie erst eine Mitgift aufgebracht, und dann hat ihr Ehemann es ihr nachgetan. Ziemlich schlau eingefädelt, würde ich mal sagen.«
Er wartete nicht darauf, dass ich ihn in seinem Eigenlob bestätigte, sondern begann in dem Büchlein zu blättern. »Oh ja. Sehr klug. Wirklich sehr klug. Ja, ich habe schon so meine lichten Momente. Manchmal halte ich mich für das größte Genie auf Erden.« Er hielt inne und sah mich an. »Sie müssen mir verraten, wieso Sie die Pläne nicht für sich behalten. Es kann noch Jahre dauern, bis ich Kapital daraus schlage, und solange muss ich Ihnen den Lohn für Ihre Dienste schuldig bleiben.«
»Ich möchte weder die Pläne noch eine Belohnung«, sagte ich. »Ich habe Ihre Zeichnungen sowieso nie begriffen, und Ordnung in sie hineinzubringen, wäre mir viel zu anstrengend. Ich will ehrlich mit Ihnen sein, Mr. Pepper. Obwohl wir uns bisher nicht begegnet sind, bin ich doch schon eine Weile Ihrer Spur durch die ganze Stadt gefolgt, und ich muss sagen, dass Sie ein ziemlich verwerflicher Mensch sind. Sie nehmen sich einfach, was Sie wollen, und kümmern sich nicht um die Gefühle derer, die Sie verletzen.«
»Ein hartes Urteil«, sagte er. »Aber Sie werden so manchen finden, der nicht Ihrer Meinung ist«, fügte er gut gelaunt hinzu.
»Sei es, wie es ist«, sagte ich. »Dennoch bin ich der Ansicht, dass der Mann, der diese Erfindung gemacht hat, auch davon profitieren sollte, selbst, wenn dieser Mann ein Schurke ist. Es wäre der reinste Diebstahl, die Pläne an mich zu nehmen. Und wenn Sie finanziell abgesichert sind, braucht die Welt sich auch nicht mehr so vor Ihnen in Acht zu nehmen, Mr. Pepper. Mein Hauptziel ist, dass die East India Company bekommt, was sie verdient, und ich denke, Sie werden mit Ih-rer Erfindung, wenn sie erst einmal Wirklichkeit geworden ist, schon dafür sorgen.«
»Das ist sehr ehrenhaft von Ihnen.«
»Nein, es ist Rachsucht. Ich möchte, dass sie wissen, dass ihre Bemühungen gescheitert sind. All die Energie, die darauf verwandt wurde, einen Mann daran zu hindern, eine Arbeitstechnik zu verbessern, all diese Kunstgriffe, um den Leuten zu oktroyieren, was sie zu kaufen haben. Die East India Company glaubt, die ganze Welt beherrschen zu können. Ich habe mir einiges gefallen lassen müssen, Mr. Pepper, und die größte Befriedigung, die es für mich gibt, wäre, die auf die Knie gezwungen zu sehen, die mir das angetan haben. Ich weiß nicht, wie lange ich darauf werde warten müssen, aber ich kann mich damit trösten, die Saat dafür gelegt zu haben.«
Er grinste und steckte das Büchlein in seine Tasche. »Dann danke ich Ihnen«, sagte er. »Ich werde es zu nutzen wissen.«
Auf der Rückfahrt lachte Elias mit einem Male laut auf. »Er ist wirklich ein gerissener Bursche. Ganz schön verschlagen.«