Ich schlug mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass beinahe sämtliche Gäste zu mir herüberschauten. Aber das kümmerte mich nicht. Ich wollte nur, dass Elias mit seinen Salbadereien aufhörte, bevor mich das Verlangen überkam, ihn zu schlagen.
»Du hast genau gewusst, wie ich für sie empfinde«, sagte ich. »Das ist einfach ungeheuerlich.«
»Wieso? Sie hätte die deine sein können, wenn du sie gewollt hättest. Aber du hast dich anders entschieden.«
»Zum Teufel, Elias, ich kann es einfach nicht glauben, dass du so unbedarft handeln konntest. Hast du ernsthaft geglaubt, sie hätte sich von deinem Charme betören lassen?«
»Du brauchst mich nicht zu beleidigen.«
»Wohl kaum.« So wütend, wie ich auch war - unsere Freundschaft wollte ich deswegen nicht beenden. »Deine Verführungskunst in allen Ehren, aber dir muss doch klar sein, dass sie dich nur aushorchen wollte und nicht mehr.«
»Natürlich. Und umgekehrt ebenso. Es war so etwas wie ein Wettstreit, in dem jeder versucht herauszufinden, was der andere preiszugeben bereit ist und was nicht. Am Ende hat sie nichts von mir erfahren und ich nichts von ihr.«
»Und hast du sie auch die ganze Zeit im Auge behalten, während sie sich in deiner Wohnung aufhielt?«
»Nicht jede einzelne Minute. Man muss doch auch einmal kurz verschwinden dürfen.«
»Aber deine Notizen betreffs unserer derzeitigen Untersuchung - die lagen wohl noch auf deinem Schreibtisch?«
»Für diejenigen, die sie nicht gewohnt sind, ist meine Handschrift sehr schwer zu entziffern«, beeilte er sich mir zu versichern. Aber ich merkte, dass seine Stimme zitterte. Er war sich seiner Sache nicht ganz sicher.
Ich schon. »Und an deiner Tür habe ich die Namen Absalom Pepper und Teaser erwähnt.«
»Ja, du hättest vorsichtiger sein sollen.«
Ich sagte nichts, denn in dieser Hinsicht hatte er natürlich recht. Ich starrte vor mich hin, während Elias sich abwechselnd auf die Lippe biss und an seinem Ale nippte.
»Hör mal«, sagte er. »Ich habe dir nicht wehtun wollen. Du hättest mir deine Gefühle für sie deutlicher machen sollen. Und vielleicht hätte ich auch auf deine Gefühle mehr Rücksicht nehmen müssen, aber ich war viel zu sehr damit beschäftigt, eine schöne, willige Frau ins Bett zu bekommen. Eine schwache Entschuldigung, ich weiß, aber so ist es nun mal. Und es ist ja auch durchaus möglich, dass sie nie im Sinn gehabt hat, sich mir hinzugeben. Sie wollte wahrscheinlich nur Zugang zu meiner Wohnung. Wir werden es nie erfahren. Zu Vertraulichkeiten ist es jedenfalls nicht ge ...«
»Genug damit«, unterbrach ich ihn. »Passiert ist passiert. Sie weiß zu viel, und wir haben zu wenig Zeit. Das bedeutet, dass wir uns ranhalten müssen.«
»Ranhalten an was?«
»Es ist Zeit, Mr. Teaser aufzutreiben. Er sollte Peppers Vorhaben finanzieren, also muss er darin eingeweiht sein. Das ist der Schlüssel, hinter dem wir her sind. Ich will nur hoffen, dass wir ihn finden, bevor sie es tut.«
Keiner von uns beiden war in allzu verträglicher Stimmung, aber Elias und ich taten unser Bestes, es uns nicht anmerken zu lassen.
»Kennst du dich in der Gegend aus?«, fragte ich.
»Nicht besonders, aber gut genug, um zu wissen, dass es ein raues Pflaster ist, von dem man sich lieber fernhalten sollte. Aber es muss wohl sein.«
Also machten wir uns auf den Weg nach Holborn. Als es nur noch zwei Straßen bis zu der Adresse waren, unter der ich mir erhoffte, diesen Teaser anzutreffen, sahen wir vor uns mehrere dunkle Schatten aus einer Gasse treten. Ich blieb stehen und legte die Hand an meinen Dolch. Elias trat einen Schritt zu-rück, um mich als Schutzschild zu haben. Es waren sechs oder sieben Mann. Ein sehr ungleicher Kampf, dachte ich, aber dann fiel mir auf, dass die Unbekannten nicht gerade die Haltung von Männern einnahmen, die zu Gewalt bereit waren. Sie wirkten eher verunsichert und linkisch, als wären sie es, die sich vor uns fürchten mussten.
»Wen haben wir denn da?«, rief einer von ihnen.
»Scheinen mir ein Paar Arschficker zu sein«, sagte ein anderer. »Fürchtet euch nicht, ihr Sünder. Eine Nacht im Loch wird euch guttun, und wenn ihr euch genügend Zeit nehmt, den Herrn um Vergebung anzuflehen, könnt ihr vielleicht sogar eure Seele retten.«
Ich zweifelte an den seelenerrettenden Eigenschaften des Gefängnisses, wo ein so genannter Sodomiter damit rechnen musste, stundenlang malträtiert zu werden. An solchen Orten ist es schon seit jeher Tradition, dass die hartgesottenen Verbrecher gleichgeschlechtlich veranlagte Mitgefangene zwingen, große Mengen menschlicher Exkremente zu vertilgen.
»Zurück«, rief ich. »Ich will nichts mit euch zu tun haben. Verschwindet.«
»Ich bleibe hier«, rief einer von ihnen, der, der uns als Arsch-ficker bezeichnet hatte, glaubte ich. »Ich bin der Diener des Herrn, Sir, und er vollbringt seine Werke durch meine Hand.« Seine Stimme bebte wie die eines Predigers an einer Straßenecke.
»Das wage ich sehr zu bezweifeln«, rief ich zurück, denn ich wusste jetzt, dass diese Männer zu der Bewegung der Sittenreformer gehörten oder zu einer ähnlichen Vereinigung, wie sie seit einiger Zeit alle naslang irgendwo gegründet wurden. Die Angehörigen dieser Gruppierungen schlichen nachts durch die Straßen und waren auf der Suche nach all jenen, die sich möglicherweise gegen die Gesetze Gottes und des Königreiches vergingen. Nur von Straßenräubern hielten sie sich tunlichst fern, denn denen waren sie kaum gewachsen. Das Ärgste je-doch war, dass die Konstabler und der Magistrat diese Männer als ihre Handlanger duldeten. So konnte es vorkommen, dass ein Mann, dessen einziges Vergehen darin bestand, dass er einen über den Durst getrunken oder eine Dirne angesprochen hatte, von diesen religiösen Eiferern ergriffen und für eine Nacht eingesperrt wurde - eine Nacht, in der er die Hölle auf Erden erlebte. Ich hatte ja bereits erwähnt, dass es Sodomitern im Karzer besonders schlimm erging, aber auch andere kamen selten davon, ohne brutal verprügelt oder sonst wie erniedrigt worden zu sein, es sei denn, sie waren selber wüste Schläger, die vor nichts zurückschreckten.
»Es gibt in dieser Stadt so etwas wie eine abendliche Sperrstunde«, sagte mein Gegenüber zu mir.
»Davon habe ich gehört«, antwortete ich. »Aber ich bin noch nie jemandem begegnet, der sich darum schert, außer einem fanatischen Sektierer wie du einer bist. Mein Freund und ich wollen nicht mehr, als diese Straße entlanggehen, und daran ist ja wohl nichts auszusetzen.«
»Dass ihr bloß die Straße hinuntergeht, haben wir wohl gesehen, aber ich weiß genau, dass ihr vorhabt, euch verabscheu-ungswürdigen Schweinereien hinzugeben, die ein Schlag ins Antlitz Gottes und eine Beleidigung der menschlichen Natur sind.«
»So, das reicht mir jetzt«, sagte ich und zückte meinen Dolch.
Ein Japsen ging durch die Gruppe, als hätten diese Kerle noch nie erlebt, dass jemand derartige Anschuldigungen von sich wies und einfach weiter seiner Wege gehen wollte.
»Ich bin weder ein Sodomiter, noch habe ich vor, gegen das Gesetz zu verstoßen«, sagte ich, »aber ich bin ein Mann, der sich zu wehren weiß. Wer von euch will mir das Gegenteil beweisen?«
Ich hörte ihren keuchenden Atem, aber eine Antwort blieben sie mir schuldig.
»Das habe ich mir gedacht. Nun ab mit euch«, rief ich und hielt mein Messer drohend in die Höhe. Das verfehlte nicht seine Wirkung, denn die Raufbolde verstreuten sich sogleich, und Elias und ich konnten unseren Weg fortsetzen. Dann standen wir vor dem Haus, von dem Mrs. Pepper gesprochen hatte.
»Ach du meine Güte«, sagte Elias.
»Was ist?«
»Jetzt beginne ich zu begreifen, warum diese Männer uns Schweinereien unterstellt haben. Wenn ich nicht irre, finden wir diesen Mr. Teaser bei Mutter Tripper.«
»Mutter Tripper? Ist das der Name einer Bordellwirtin? Das klingt ja noch hergeholter als ein Freund namens Mr. Teaser.«