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»Es tut nichts zur Sache, ob es mir gefällt oder nicht«, sagte ich. »Aber Sie müssen doch zugeben, dass die Männer hier ihre Zeit mit höchst unnatürlichen Vergnügungen verbringen.«

»Ja, unnatürlich mögen Sie es nennen. Es wäre ja auch unnatürlich, wenn jemand im Dunklen sehen könnte, also behilft man sich mit einer Kerze oder einer Laterne, nicht wahr?«

»Und dennoch«, griff Elias mit einem Eifer, der, wie ich wusste, seine Geistesschärfe demonstrieren sollte und nicht seine inbrünstige Leidenschaft für das Thema, das Beispiel auf, »verbietet die Heilige Schrift solches Treiben, nicht jedoch, sich Licht zu schaffen.«

Mutter Tripper warf Elias einen abschätzenden Blick zu. »In der Tat, das verbietet sie. Sie verbietet allerdings auch Vielweiberei, nicht wahr, Sie libertiner Freigeist? Ich frage mich, mein guter Mann, ob Sie dabei auch so rasch mit Skrupeln wegen der Gebote der Heiligen Schrift zur Hand sind.«

»Nein, das gerade nicht«, gab er zu.

»Und sagt nicht unser Erlöser«, fragte sie an mich gewandt, »dass wir die Armen und Bedürftigen bei uns aufnehmen sollen, all jene, die die Mächtigen und Bevorrechteten verstoßen haben?«

»In allen Fragen betreffs unseres Erlösers müssen Sie sich an Mr. Gordon wenden«, erwiderte ich.

Elias senkte artig den Kopf. »Sie verdienen unsere Entschuldigung, Madam. Wir sind nur Menschen, die von den Moralvorstellungen ihrer Gesellschaft geprägt sind. Es mag sein, wie Sie es sagen - dass die Ablehnung durch diese Gesellschaft nur das künstliche Produkt unserer Zeit und unserer Umgebung ist und nichts weiter.«

»Natürlich kann man sich damit trösten, das Produkt seiner Zeit und seiner Umgebung zu sein«, sagte sie. »Aber ist nicht jeder rechtschaffene Mensch geradezu verpflichtet, sich zu bemühen, darüber hinauszuwachsen?«

»Da haben Sie ganz gewiss recht«, musste nun auch ich einräumen, denn obwohl ich nach wie vor meine Vorbehalte hegte, konnte ich nicht anders, als ihr beizupflichten. Da sie dem Gesagten nichts weiter hinzuzufügen zu haben schien und auch von uns keine weiteren Einwände kamen, saßen wir eine Weile lang schweigend da und lauschten dem Knistern des Feuers, bis nach ein paar Minuten die Tür aufging und ein ziemlich gewöhnlich aussehender Bursche im schlichten Gewand eines Händlers den Raum betrat. Er war ungefähr Ende dreißig, hatte aber ein ebenmäßiges, knabenhaftes Gesicht voller Sommersprossen und mit rosigen Wangen, was ihn deutlich jünger aussehen ließ.

»Ich höre, Sie wollen mich sprechen«, sagte er mit leiser Stimme.

»Diese Gentlemen sind Mr. Benjamin Weaver und sein Freund Elias Gordon«, stellte Mutter Tripper uns ihm vor, womit sie keinen Zweifel daran ließ, dass sie der Befragung beizuwohnen trachtete.

Elias und ich erhoben uns zu einer Verbeugung. »Mr. Teaser, wie ich annehme?«

»Richtig. Das ist der Name, unter dem man mich hier kennt.«

Er setzte sich, also nahmen auch wir wieder Platz.

»Darf ich Ihren richtigen Namen erfahren?«, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf. »Ich würde es vorziehen, ihn für mich zu behalten. Ich habe Frau und Kinder, müssen Sie verstehen, und es würde ihnen großen Kummer bereiten, wenn sie von meiner Anwesenheit hier erführen.«

Ja, damit hatte er zweifellos recht. »Ich glaube, Sie sind mit einem Mr. Absalom Pepper bekannt.«

Wieder schüttelte Teaser den Kopf. »Ich habe noch nie von einem solchen Mann gehört.«

Ein Gefühl der Enttäuschung durchfuhr mich, aber dann sagte ich mir, dass Teaser ja schließlich nicht sein richtiger Name war und es keinen Grund zu der Annahme gab, dass Pepper es nicht ebenso halten konnte. »Ein Mann, der mit dem Gewerbe der Seidenweber zu tun hat«, half ich ihm ein. »Der immer ein Buch bei sich trägt, in dem er sich Notizen macht.«

»Ach so.« Teaser blickte interessiert, beinahe erschrocken, auf. »Fräulein Eule. Kennen Sie sie? Wo ist sie?«

»Die Eule«, sagte Mutter Tripper. »Ja, es ist wirklich schon ein paar Monate her, dass wir von ihr gehört haben. Ich habe mir schon ernsthaft Sorgen gemacht.«

»Gibt es etwas Neues von ihr?«, fragte Teaser. »Hat sie Sie zu mir geschickt? Ich bin so besorgt gewesen. Sie ist einfach eines Tages nicht mehr gekommen, und ich habe schon das Schlimmste befürchtet. Ich habe befürchtet, dass ihre Familie hinter unser Geheimnis gekommen ist, denn warum sonst sollte sie mich einfach so im Stich lassen? Sie hätte mir doch wenigstens eine Nachricht zukommen lassen können. Warum hat sie das nur nicht getan?«

Elias und ich sahen einander an. Ich blickte einen Augenblick lang zu Boden, während ich den Mut zusammennahm, Pepper in die Augen zu schauen. »Sie müssen sich auf eine traurige Nachricht gefasst machen. Die Eule, wie Sie ihn nennen, ist nicht mehr.«

»Wie bitte?«, entfuhr es Mutter Tripper, »Tot? Wie das?«

Teaser saß wie erstarrt da. Seine Augen waren ganz groß und feucht geworden, und dann sank er in seinem Sessel zusammen. In einer theatralischen Geste presste er eine Hand an die Stirn, aber ich bezweifelte nicht, dass seine Gefühle ehrlich waren. »Wie kann sie denn tot sein?«

Diese Verwirrung der Geschlechter begann mir auf die Nerven zu gehen. »Eine ziemlich komplizierte Geschichte«, sagte ich. »Manches davon verstehe ich selber nicht so ganz, aber es gibt einige, die glauben, die East India Company könne dahinterstecken.«

»Die East India Company«, wiederholte Teaser mit einer anrührenden Mischung aus Wut und Verzweiflung. »Oh, habe ich sie nicht davor gewarnt, sich mit denen anzulegen? Aber sie wollte ja nicht hören. Nein, sie wollte partout nicht hören. Die Eule hat immer ihren eigenen Kopf durchgesetzt.«

In Hinblick darauf, dass derjenige, von dem hier die Rede war, zum Zeitpunkt seines Todes mindestens drei Ehefrauen hatte und sich gleichzeitig auch noch mit Männern einließ, konnte ich dieser Einschätzung Peppers nur beipflichten. »Ich weiß, dass das ein furchtbarer Schock für Sie sein muss«, sagte ich, »aber ich möchte Sie dennoch bitten, uns ein paar Fragen zu beantworten.«

»Wozu?«, fragte er, das Gesicht in den Händen vergraben. »Warum sollte ich Ihnen helfen?«

»Weil wir gebeten worden sind herauszufinden, wer diese Gräueltat begangen hat und den- oder diejenigen dem Richter zuzuführen. Können Sie mir nicht sagen, warum die East India Company seinen Tod gewollt haben sollte?«

»Wer hat Sie beauftragt?«, fragte er. »Wer will Gerechtigkeit walten lassen?«

Ich merkte, dass ich mich an einem Kreuzweg befand und eine Umkehr nicht mehr möglich war. Aber ich war die Halblügen und die Täuschungen ohnehin längst leid. Ich war es leid, eine Befragung durchzuführen, bei der ich die Hälfte der Fragen für mich behalten musste, und ich wollte die Sache endlich einmal zu einem Abschluss bringen. Also sagte ich es ihm. »Ein Mann namens Cobb.«

»Cobb?«, sagte Teaser. »Was sollte ihn das angehen?«

Meine geneigten Leser können sich kaum vorstellen, wie sehr ich mich zusammennehmen musste, um nicht von meinem Sessel aufzuspringen. Niemand in London hatte je privat oder geschäftlich von einem Cobb gehört, und ausgerechnet der Intimus eines Mannes mit drei Ehefrauen sprach diesen Namen aus, als wäre er allgegenwärtig. Aber damit Teaser mir auch weiterhin vertraute, musste ich den Anschein der Geschäftigkeit wahren und meine Erregung verbergen.

Also schüttelte ich nur den Kopf. »Das kann ich Ihnen auch nicht sagen«, erklärte ich beiläufig. »Cobb ist nur der Mann, der mich beauftragt hat. Seine Gründe kennt nur er selber. Aber die Frage ist natürlich interessant. Würden Sie eine Vermutung wagen?«

Teaser erhob sich so plötzlich, als hätte etwas ihn gestochen. »Ich muss gehen. Ich muss mich hinlegen. Ich ... ich möchte Ihnen helfen, Mr. Weaver. Auch ich will, dass die Gerechtigkeit ihren Lauf nimmt. Das kann ich Ihnen versprechen. Aber im Augenblick kann ich nicht darüber reden. Geben Sie mir etwas Zeit, mich hinzulegen, mich auszuweinen, meine Gedanken zu ordnen.«