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Das Schweinefleisch wurde zurückgeschickt, damit sein Geruch weder Doktor Mansurs Nase noch seine Speisevorschriften beleidigte, aber es gab Neunaugen und Hecht in Aspik, vier verschiedene Sorten Ente, Kalbsfrikassee und knuspriges goldbraunes Brot in Hülle und Fülle. Das Mahl hätte für zwanzig Leute gereicht und – ob es muslimische Nasenflügel erbeben ließ oder nicht – der Wein, der in schön geschliffenen Glasschalen gereicht wurde, für noch einmal zwanzig mehr.

Sobald alles auf dem Tisch stand, wurden die Diener aus dem Raum geschickt. Pater Paton durfte bleiben. Von dem Stroh unter dem Tisch kam das Geräusch eines Hundes, der an seinem Knochen kaute.

»Er musste sie gefangen setzen«, sagte Rowley über seinen König und Königin Eleanor. »Sie hat den jungen König aufgestachelt, gegen seinen Vater zu rebellieren.«

»Hab ich sowieso nie verstanden«, sagt Gyltha, die an einem Entenbein knabberte. »Ich mein, wieso Henry seinen Jungen zum König neben sich gekrönt hat. Ein alter König und ein junger König, die gleichzeitig herrschen. Das muss Ärger geben.«

»Henry war zuvor sehr krank gewesen«, erklärte Rowley ihr. »Er wollte für den Fall seines Todes eine friedliche Thronfolge sichern, damit es nicht noch einmal zu einem Krieg wie Stephen gegen Matilda kommt.«

Gyltha erschauderte. »Da sei Gott vor.«

Es war ein seltsames Abendessen. Bischof Rowley sah sich gezwungen, seinen Fall einer Haushälterin aus Cambridgeshire und einem Araber vorzutragen, weil die Frau, die er für die Lösung des Falles brauchte, ihn keines Blickes würdigte. Adelia saß schweigend und teilnahmslos da und rührte so gut wie keinen Bissen an.

Er ist völlig anders, nicht mehr der Mann, den ich kannte, dachte Adelia. Zum Teufel mit ihm, wieso war es so leicht für ihn, mich nicht mehr zu lieben?

Der Sekretär, der von allen ignoriert wurde, langte kräftig zu, ließ aber dabei seinen Herrn nicht aus den Augen, als fürchtete er eine Fortsetzung des unbischöflichen Benehmens.

Der Bischof erklärte, was ihn veranlasst hatte, aus Oxford, das zu seiner Diözese gehörte, herzueilen, und weshalb er morgen weiter in die Normandie reisen würde: Er musste den König aufsuchen und ihm, ehe er es von anderen erfuhr, mitteilen, dass auf Rosamund Clifford, die dem König von all seinen Mätressen die liebste war, ein Mordanschlag mit giftigen Pilzen verübt worden war.

»Pilze?«, hakte Gyltha nach. »Dann könnt’s auch ein Versehen gewesen sein. Bei Pilzen muss man aufpassen, die sind tückisch.«

»Es war Absicht«, sagte der Bischof. »Glaub mir, Gyltha, es war kein Unglücksfall. Sie wurde sehr krank. Deshalb haben sie mich nach Wormhold gerufen, an ihr Krankenbett. Sie dachten, sie überlebt das nicht. Dank der Gnade Christi hat sie überlebt, aber der König wird wissen wollen, wer dahintersteckt, und ich will, ich muss ihm versichern können, dass sein Lieblingsermittler sich der Sache angenommen hat …« Geistesgegenwärtig verneigte er sich in Mansurs Richtung, der die Verbeugung erwiderte. »… gemeinsam mit seiner Assistentin.« Eine Verneigung in Adelias Richtung.

Sie war erleichtert, dass er vor Pater Paton weiterhin so tat, als wäre Mansur derjenige, der über die notwendigen Fähigkeiten verfügte, eine solche Untersuchung durchzuführen, nicht sie. Er hatte sich selbst dem Vorwurf der Unsittlichkeit preisgegeben, indem er Allie als sein Kind anerkannte, aber er schützte sie damit vor dem wesentlich gefährlicheren Vorwurf der Hexerei.

Gyltha genoss die Gelegenheit, Fragen zu stellen: »Aber es kann ja wohl nich die Königin gewesen sein, die ihr die Pilze geschickt hat, was? Wo sie doch in Ketten liegt und so.«

»Ich wünschte, sie hätte in Ketten gelegen, verdammt.« Einen Moment lang war Rowley wieder Rowley, so wütend, dass sein Sekretär erschrocken blinzelte. »Das vermaledeite Weib ist geflohen. Vor zwei Wochen.«

»Oje«, sagte Gyltha.

»Oje, das kann man wohl sagen. Und als sie zuletzt gesehen wurde, war sie unterwegs nach England, wodurch sie, wie alle außer mir glauben, genug Zeit hatte, ein Dutzend von Henrys Huren zu vergiften.«

Er beugte sich über den Tisch zu Adelia, wobei er den Platz zwischen ihnen freifegte, indem er seine und ihre Weinschale umstieß. »Ihr kennt ihn, Ihr kennt sein Temperament. Ihr habt ihn erlebt, wenn er die Beherrschung verliert. Er liebt Rosamund, er liebt sie wirklich. Was passiert, wenn er lauthals Eleanors Tod verlangt, so wie den von Becket? Er wird es nicht so meinen, aber es gibt immer irgendeinen Hundsfott, der selber Grund hat, der vermeintlichen Aufforderung nachzukommen. Und anschließend wird er behaupten, er habe es auf Befehl des Königs getan, genau wie bei Becket. Und wenn ihre Mutter hingerichtet wird, dann werden sich alle ihre Söhne wie eine riesige beschissene Flutwelle gegen ihren Vater erheben.«

Er lehnte sich zurück. »Bürgerkrieg? Der würde kommen, hierher, überallhin. Im Vergleich dazu wäre Stephen und Matilda gar nichts.«

Mansur legte beruhigend eine Hand auf Gylthas Schulter. Die Stille war aufgewühlt, wie von einer geräuschlosen Schlacht und den stillen Schreien Sterbender. Der Geist eines erschlagenen Erzbischofs erhob sich aus den Gemäuern Canterburys und schlich durch den Raum.

Pater Paton starrte ein Gesicht nach dem anderen an und wunderte sich, dass der Bischof so beschwörend auf die Assistentin des Arztes einredete und nicht auf den Arzt selbst.

»Hat sie es getan?«, fragte Adelia endlich.

»Nein.« Rowley wischte mit einer Serviette etwas Fett von seinem Ärmel und goss sich Wein nach.

»Seid Ihr sicher?«

»Nicht Eleanor, ich kenne sie.«

Kennt er sie wirklich? Zweifellos bestand zwischen Königin und Bischof eine zarte Achtung. Als Eleanors und Henrys erstgeborener Sohn im Alter von drei Jahren gestorben war, hatte Eleanor gewünscht, dass man das Schwert des Kindes nach Jerusalem trug, damit der kleine William noch im Tode zum heiligen Kreuzfahrer wurde. Rowley war es gewesen, der die schreckliche Reise auf sich genommen und das Kinderschwert auf den Hochaltar gelegt hatte. Daher schätzte Eleanor Rowley, natürlich schätzte sie ihn.

Aber wie jede andere königliche Angelegenheit war auch diese von König Henry angeordnet worden. Henry war es gewesen, der Rowley den Befehl erteilt hatte, und Henry hatte sich bei Rowleys Rückkehr darüber in Kenntnis setzen lassen, was im Heiligen Land vor sich ging. O ja, Rowley Picot war eher der Spion des Königs gewesen als der Schwertträger der Königin.

Dennoch, der Bischof nahm für sich in Anspruch, Eleanors Charakter zu kennen, und fügte hinzu: »In der direkten Auseinandersetzung wäre sie Rosamund an die Gurgel gegangen … aber Gift, nein. Das ist nicht ihr Stil.«

Adelia nickte. Auf Arabisch sagte sie: »Ich verstehe noch immer nicht, was Ihr von mir wollt, ich bin eine Ärztin der Toten …«

»Ihr habt einen scharfen Verstand«, sagte der Bischof ebenfalls auf Arabisch. »Ihr seht Dinge, die andere nicht sehen. Wer hat denn letztes Jahr die Juden von dem Vorwurf des Kindermordes entlastet? Wer hat den wahren Mörder aufgespürt?«

»Ich hatte Hilfe.« Die gute zarte Seele, Simon aus Neapel. Er war der eigentliche Ermittler gewesen, der zu diesem Zweck mit ihr aus Salerno gekommen und dafür gestorben war.

Mansur tat etwas für ihn Ungewöhnliches, indem er sich einmischte und auf Adelia deutete. »Sie darf nicht wieder in solche Gefahr gebracht werden. Der Wille Allahs und nur der Wille Allahs hat sie letztes Mal aus der Hölle erlöst.«

Adelia lächelte ihn herzlich an. Soll er es doch ruhig Allah zuschreiben, wenn er möchte. Tatsächlich hatte sie die Höhle des Kindermörders nur deshalb überlebt, weil ein Hund Rowley rechtzeitig dorthin geführt hatte. Wovon jedoch weder er noch Gott oder Allah sie erlöst hatten, waren die Erinnerungen an einen Alptraum, die sie im täglichen Leben noch immer heimsuchten, und zwar so deutlich, als würde alles noch einmal passieren – jetzt oft mit der kleinen Allie als Opfer.