»Natürlich wird sie nicht wieder in Gefahr geraten«, sagte der Bischof mit Nachdruck zu Mansur. »Dieser Fall ist doch ganz anders. Hier hat es keinen Mord gegeben, nur einen gescheiterten Mordversuch. Der Täter, wer auch immer es war, ist längst über alle Berge. Aber eines ist doch klar!« … Eine weitere Schale kippte um, als er mit der Faust krachend auf den Tisch schlug. »Eines ist doch klar! Jeder wird glauben, dass Eleanor sie vergiftet hat. Sie hasst Rosamund, und sie war möglicherweise in der Nähe. Hat Gyltha das nicht auch sofort gedacht? Wird die Welt es nicht denken?« Er richtete den Blick von Mansur auf die Frau ihm gegenüber. »Im Namen Gottes, Adelia, hilf mir.«
Mit einem Nicken Richtung Tür stieß Gyltha Mansur an, der unverzüglich aufstand und den widerstrebenden Pater Paton im Genick packte.
Die beiden, die am Tisch sitzen blieben, bemerkten nicht, dass die anderen gingen. Die Augen des Bischofs ruhten auf Adelia; die ihren auf den eigenen, fest gefalteten Händen.
Ich muss aufhören, ihm Vorwürfe zu machen, dachte sie. Er hat mich nicht verlassen. Ich wollte nicht heiraten, nur ich habe darauf bestanden, dass wir uns nicht wiedersehen. Es ist irrational, ihm zu verübeln, dass er sich an die Vereinbarung gehalten hat.
Aber verdammt, in all den Monaten hätte wenigstens irgendwas von ihm kommen können – zumindest, dass er das Kind anerkennt.
»Wie versteht Ihr Euch mit Gott?«, fragte sie.
»Ich diene ihm, hoffe ich.« Seine Stimme klang amüsiert.
»Mit guten Werken?«
»Wenn ich kann.«
Sie dachte: Und wir wissen beide, dass du Gott und seine Werke, mich und deine Tochter, dass du uns alle opfern würdest, wenn du damit Henry Plantagenet dienen könntest.
Er sagte leise: »Ich bitte dich um Verzeihung, Adelia. Ich hätte unsere Vereinbarung, uns nie wiederzusehen, auf keinen Fall für etwas Geringeres gebrochen.«
Sie sagte: »Falls sich herausstellt, dass Eleanor schuldig ist, werde ich nicht lügen. Dann sage ich es.«
»Ja-haa.« Endlich, das war Rowley, diese Energie, dieser Freudenschrei, der den Wein in der Schale erzittern ließ. Für einen kurzen Augenblick sah sie ihren lebenssprühenden Liebhaber vor sich.
»Kannst doch nicht widerstehen, was? Nimmst du die Kleine mit? Ja, natürlich, du stillst ja noch – verdammt seltsame Vorstellung, du und Milch geben.«
Er war aufgesprungen, hatte die Tür geöffnet und rief nach Paton. »In meinem Gepäck ist ein Korb mit Pilzen, bring ihn her.« Er wandte sich grinsend zu Adelia um. »Ich habe mir gedacht, du willst bestimmt ein paar Beweise sehen.«
»Du Teufel«, sagte sie.
»Mag sein, aber ich Teufel werde meinen König und mein Land retten, und wenn es mich das Leben kostet.«
»Oder mich.« Hör auf, dachte sie, hör auf, dich wie eine sitzengelassene Frau anzuhören. Es war deine Entscheidung.
Er zuckte die Achseln. »Dir wird nichts passieren, schließlich will keiner dich vergiften. Du wirst Gyltha und Mansur dabeihaben – Gott steh demjenigen bei, der dir etwas tun will, wenn die beiden dabei sind –, und ich schicke euch Diener mit. Ich vermute, dieser hündische Schandfleck kommt auch mit?«
»Ja«, sagte sie. »Er heißt Wächter.«
»Wieder eines von diesen Fundstücken vom Prior, um dich zu beschützen? Ich erinnere mich an Aufpasser.«
Ein weiteres Geschöpf, das ihr das Leben gerettet hatte und dabei gestorben war.
Der Raum war voller schmerzlicher Erinnerungen, die noch dazu die gefährliche Eigenschaft hatten, dass sie gemeinsame waren.
»Mein Wachhund ist Paton«, sagte er im Plauderton. »Er hütet meine Tugend wie ein verdammter Keuschheitsgürtel. Übrigens, warte nur, bis du das Labyrinth der schönen Rosamund siehst – das größte der Christenheit. Und vor allem, warte, bis du die schöne Rosamund selbst siehst, sie ist ganz anders, als man erwarten würde. Ehrlich gesagt …«
Sie fiel ihm ins Wort. »Wie steht’s damit?«
»Mit dem Labyrinth?«
»Deiner Tugend?«
Auf einmal wurde er sanft. »Erstaunlicherweise steht es gut um sie. Als du mich abgewiesen hast, dachte ich zuerst … aber Gott war gnädig und erbarmte sich meiner.«
»Und als Henry einen willfährigen Bischof brauchte.« Hör auf, hör auf.
»Und die Welt eine Ärztin brauchte, keine weitere Ehefrau«, sagte er noch immer sanft. »Inzwischen sehe ich das ein. Ich habe um diese Einsicht gebetet. Die Ehe hätte dein Talent verschwendet.«
Ja, ja. Wenn sie eingewilligt hätte, ihn zu heiraten, hätte er das Bischofsamt abgelehnt, das der König ihm aus politischen Gründen aufgedrängt hatte, aber für sie hatte ihre Berufung Vorrang gehabt. Die hätte sie aufgeben müssen – er brauchte eine Frau, keine Ärztin, vor allem keine Ärztin der Toten.
Letzten Endes, dachte sie, wollte keiner von uns dem anderen das höchste Opfer bringen.
Er stand auf, ging zu der kleinen Allie und malte mit dem Daumen das Zeichen des Kreuzes auf ihre Stirn. »Gott segne dich, meine Tochter.« Er wandte sich um. »Und Gott segne auch dich, Mistress«, sagte er. »Möge Gott euch beide behüten und bewahren. Und möge der Friede des Herrn Jesus Christus über die Apokalyptischen Reiter obsiegen.« Er seufzte. »Denn ich höre das Donnern ihrer Hufe nahen.«
Pater Paton kam mit einem Korb herein und reichte ihn Seiner Lordschaft, der ihn gleich wieder hinauswinkte.
Adelia starrte Rowley an. Inmitten all des überflüssigen Pomps des Raumes, in all dem inneren Aufruhr, den sie empfunden hatte, als die Schatten der Vergangenheit kamen und gingen, hatte eines gefehlt, eben das, was hierhergehörte – sein eigentlicher Zweck. Und gerade hatte sie dessen Duft wahrgenommen, klar und kalt: Heiligkeit. Die allerletzte Eigenschaft, die sie bei Rowley erwartet hätte. Ihr Geliebter war ein Mann Gottes geworden.
Er setzte sich neben sie, begann, ihr die genauen Umstände des Anschlags auf Rosamund zu schildern, und stellte den Korb so vor ihr auf den Tisch, dass sie den Inhalt inspizieren konnte. Früher hätte er niemals neben ihr sitzen können, ohne sie zu berühren. Jetzt war es, als säße sie neben einem Eremiten.
Rosamund aß für ihr Leben gern gedünstete Pilze, erklärte er. Das war allgemein bekannt. Eine faule Dienerin, die losgeschickt worden war, um welche für ihre Herrin zu sammeln, hatte einen Korb voll von einem alten unbekannten Weib geschenkt bekommen und ihn in die Küche gebracht, ohne sich noch die Mühe zu machen, weitere zu suchen.
»Rosamund hat sie nicht alle gegessen, sondern einige für später aufgehoben, und als ich bei ihr war, ließ ich mir den Rest bringen, um ihn mitzunehmen. Ich habe mir gedacht, du könntest vielleicht bestimmen, aus welchem Gebiet sie stammen oder so – du kennst dich doch mit Pilzen aus, nicht wahr?«
Ja, sie kannte sich mit Pilzen aus. Während er noch sprach, begann Adelia gehorsam, sie mit ihrem Messer umzuwenden.
Es war eine schöne Sammlung, auch wenn die Pilze inzwischen schrumpelig waren. Butterröhrlinge, im Volksmund auch »Rotzer« genannt, Hallimasch, Ziegenbart, Rötelritterlinge, Semmelstoppelpilze. Eine schmackhafte, aber vor allem vielseitige, extrem vielseitige Mischung. Manche dieser Exemplare wuchsen ausschließlich auf Kalkböden, andere in Nadelwäldern, wieder andere auf freiem Feld oder unter Laubbäumen.
Wer auch immer sie gesammelt hatte, er hatte sein Netz, ob nun mit Absicht oder nicht, weit ausgeworfen und es damit unmöglich gemacht, die Pilze einem bestimmten Herkunftsort zuzuordnen.
»Wie ich schon sagte, es war Absicht, keine Frage«, stellte der Bischof fest. »Das alte Weib hat klipp und klar gesagt, die Pilze sollten ausschließlich für Lady Rosamund sein, und ist seitdem nicht mehr gesehen worden. Verschwunden. Die Hexe hat ein paar Giftpilze druntergemischt, verstehst du, und gehofft, die arme Frau würde daran sterben, und nur durch die Gnade Gottes …«