Выбрать главу

Natürlich war der Bischof die große Attraktion. Er war ein ebensolches Wunder wie ein herabgestiegener Engel. Schon allein ein Blick auf seinen Chormantel und die Mitra war den Zehnten wert, den jedermann zahlen musste. Vielleicht würde er ja auch den Husten des Kleinen heilen; und ganz sicher konnte er die Winteraussaat segnen. Einige krank aussehende Milchkühe und ein hinkender Esel waren schon draußen am Wassertrog angebunden worden und harrten seiner Aufmerksamkeit.

Die Geistlichkeit zog durch eine gesonderte Tür ein und begab sich zu ihren Sitzen im prächtigen Gestühl des Chores unter dessen ebenso prächtigem Fächergewölbe.

Aufgrund seiner Tonsur saß Pater Paton neben dem Klosterkaplan, einem kleinen verhuschten Mann, und gegenüber den Nonnen, in deren ansonsten schwarzen Reihen zwei junge Frauen in weißen Gewändern auffielen, die häufig kicherten. Sie fanden Pater Paton lustig.

Die meisten Bischöfe nahmen ihre Homilie zum Anlass, die Sünde im Allgemeinen zu verdammen, häufig in normannischem Französisch, ihrer Muttersprache, oder auf Latein, weil sie glaubten, je weniger die Gemeinde verstand, desto größer ihre Ehrfurcht.

Rowleys Predigt war anders, und er sprach eine Sprache, die seine Herde verstand. »Ein paar Kerle behaupten, die arme Lady Rosamund sei durch die Hand Königin Eleanors gestorben. Das ist eine boshafte Lüge, und ihr macht unserem Herrn Freude, wenn ihr dem keinen Glauben schenkt.«

Er verließ die Kanzel und marschierte in der Kirche auf und ab, während er predigte und schimpfte. Er war gekommen, um herauszufinden, was oder wer hinter Rosamunds Tod steckte, sagte er. »Denn ich weiß, dass sie hier allseits beliebt war. Vielleicht war es ein unglücklicher Zufall, vielleicht auch nicht, aber wenn nicht, dann werden König und Königin dafür sorgen, dass der Übeltäter rechtmäßig bestraft wird. Bis dahin sind wir alle verpflichtet, unseren Mund zu halten und den kostbaren Frieden unseres Herrn Jesus Christus zu wahren.«

Dann kniete er sich auf die Steine und das Stroh nieder, um zu beten, und alle in der Kirche taten es ihm gleich.

Sie lieben ihn, dachte Adelia. Einfach so lieben sie ihn. Spielt er ihnen was vor? Nein, darüber ist er hinweg. Genau wie er über mich hinweg ist.

Als sie sich erhoben, stellte jedoch ein Mann – dem gespenstischen Weiß nach zu schließen, das sich in den Poren seiner Haut eingenistet hatte, war es der Müller von der anderen Seite der Brücke – eine Frage. »Master, es heißt, die Königin ist mit dem König zerstritten. Das wird doch keinen Kampf zwischen den beiden geben, oder?«

Ein ängstliches Murmeln bestätigte seine Frage. Der Bürgerkrieg, in dem ein König gegen eine Königin gekämpft hatte, lag erst eine Generation zurück, und niemand wollte einen weiteren erleben.

Rowley wandte sich ihm zu. »Welche ist Eure Missus?«

»Die hier.« Der Mann deutete mit dem Daumen auf die rundliche Frau neben sich.

»Und soweit ich das sehe, habt Ihr da eine gute Wahl getroffen, Master Müller. Ihr zwei habt euch im Laufe der Jahre doch bestimmt schon mal gestritten, aber deswegen noch lange keinen Krieg angefangen. Das ist bei Königen auch nicht anders.«

Unter allgemeinem Gelächter kehrte er zu seinem Thron zurück.

Eine der beiden weißgekleideten jungen Frauen sang zu Ehren des Bischofs das Responsorium, und sie sang so schön, dass es Adelia, die normalerweise nichts für Musik übrig hatte, bei den Antworten der Gemeinde kaum erwarten konnte, erneut diese Stimme zu hören.

Daher freute sie sich, als dieselbe junge Frau nach dem Auszug der Geistlichkeit draußen im großen Hof auf sie wartete. »Darf ich mitkommen und mir Eure Kleine ansehen? Ich liebe Kinder.«

»Gern. Ich muss Euch zu Eurer Stimme gratulieren, es ist ein Genuss, Euch zuzuhören.«

»Vielen Dank. Ich bin Emma Bloat.«

»Adelia Aguilar.«

Sie gingen nebeneinander her. Besser gesagt, Adelia ging, und Emma hüpfte. Sie war vierzehn Jahre alt, und aus irgendeinem Grund sprudelte sie über vor Glück. Adelia hoffte, dass nicht der Bischof der Grund war. »Zählt Ihr zu den Benediktineroblaten?«

»O nein. Nur Priscilla wird den Schleier nehmen, ich werde bald heiraten.«

»Gut.«

»Ja, nicht? Irdische Liebe …« Emma tänzelte vor lauter Lebensfreude. »Gott schätzt sie bestimmt ebenso hoch ein wie die himmlische Liebe, nicht wahr, auch wenn Schwester Mold etwas anderes sagt, warum sollte er uns wohl sonst dieses Gefühl geben?« Sie klopfte sich auf die Herzgegend.

»›Es ist besser, zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren‹«, zitierte Adelia.

»Genau. Ich frage mich, wie konnte der heilige Paulus das wissen? Wo ihm doch beides fremd war.«

Sie war ein erfrischendes Kind und tatsächlich ganz vernarrt in Kinder oder wenigstens in Allie, mit der sie länger Guck-guck spielte, ohne geistig Schaden zu nehmen, als Adelia das für möglich gehalten hätte.

Anscheinend genoss das Mädchen irgendwelche Privilegien, denn sie wurde nicht für die Nachmittagsarbeiten der Schwestern zurückgerufen. Reichtum oder Stand, fragte Adelia sich, oder beides?

Die Fremden, die aus heiterem Himmel im Kloster aufgetaucht waren, interessierten das Mädchen nicht mehr als Spielzeug, das zu ihrer Belustigung da war, doch verlangte sie umgekehrt, dass die Fremden sich für sie interessierten. »Fragt mich nach meinem zukünftigen Mann, fragt mich, fragt mich.«

Er war offenbar wunderschön, ach, so wunderschön, stattlich, leidenschaftlich in sie verliebt, und er schrieb romantische Gedichte, die denen von Paris an Helena in nichts nachstanden.

Gyltha sah Adelia an und hob die Augenbrauen, Adelia hob die ihren. Das Mädchen war richtig glücklich, was bei arrangierten Ehen selten der Fall war. Denn arrangiert worden war sie. Emmas Vater, so erzählte sie ihnen, war Weinhändler in Oxford und belieferte das Kloster mit bestem Rheinwein, der dadurch bezahlt wurde, dass sie hier die Erziehung erhielt, die der Frau eines Adeligen zukam. Der Vater hatte ihren Zukünftigen für sie ausgewählt.

Auf einmal wurde Emma, die jetzt am Fenster stand, so von Lachen geschüttelt, dass sie sich am Mittelpfosten festhalten musste.

»Euer Zukünftiger ist also ein hoher Herr?«, fragte Gyltha grinsend.

Das Lachen erstarb, und Emma schaute aus dem Fenster, als könnte die Aussicht ihr etwas verraten, und Adelia sah, dass der Überschwang der Jugend im Laufe der Zeit durch Schönheit ersetzt werden würde.

»Der Herr meines Herzens«, sagte Emma.

Es war schwierig für die Reisenden, ungestört zusammenzukommen, um ihr weiteres Vorgehen zu besprechen. So nachsichtig die Regeln in Godstow auch gehandhabt wurden, es war ausgeschlossen, dass ein Sarazene den inneren Hof betrat. Ebenso ausgeschlossen war es, dass der Bischof die Frauenunterkünfte aufsuchte. Die einzige Möglichkeit bot die Kirche, und selbst dort war vor dem Hauptaltar stets eine Nonne anwesend, die für die Seelen jener Verstorbenen betete, die für dieses Privileg bezahlt hatten. Es gab jedoch eine Seitenkapelle, die der Jungfrau Maria gewidmet war und in der auch nachts Kerzen brannten – ein weiteres Geschenk der Toten, damit die Muttergottes ihrer gedachte. Die Äbtissin hatte ihnen erlaubt, diese Kapelle als Treffpunkt zu nutzen, solange sie Stillschweigen darüber bewahrten.

Davon, dass die Gemeinde tagsüber beim Gottesdienst den Kirchenraum angewärmt hatte, war nichts mehr zu spüren. Die flackernden Kerzen auf dem Schrein verbreiteten nur wenig Licht und Wärme, während der gewölbte Raum um sie herum in eisigem Schatten lag.