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»Und dann is die gekommen.«

»Wer ist gekommen?«

»Na, die. Die Alte.«

»Hattest du sie schon mal gesehen?«

»Klar nich.« Bertha betrachtete die Frage als Beleidigung. »Die war nich aus unserer Gegend. War die zweite Köchin von der Königin Eleanor. Von der Königin. Is überall mit der rumgereist.«

»Hat sie dir das erzählt? Dass sie für Königin Eleanor gearbeitet hat?«

»Jawohl, hatse.«

»Und wie sah die alte Frau aus?«

»Wie ’ne Alte eben.«

Adelia atmete tief durch und versuchte es erneut. »Wie alt? Beschreib sie mir. Gutgekleidet? Zerlumpt? Wie war ihr Gesicht? Was für eine Stimme hatte sie?«

Aber Bertha, die weder die Beobachtungsgabe noch das nötige Vokabular besaß, war unfähig, diese Fragen zu beantworten. »Die war hässlich, aber freundlich«, sagte sie. Das war die einzige Beschreibung, die sie liefern konnte, wahrscheinlich weil Freundlichkeit in ihrem Leben so rar war, dass sie sich das gemerkt hatte.

»Wie hat sich denn ihre Freundlichkeit gezeigt?«

»Die hat mir doch die Pilze geschenkt. Das waren Zauberpilze. Hat gesagt, die würden machen, dass Lady Ros mir dann …« Berthas bedauerliche Nase hatte sich vor lauter Anstrengung gekräuselt, als sie nach dem Wort suchte, das die Frau benutzt hatte. »… gewogen wäre.«

»Sie hat gesagt, deine Herrin wäre dann mit dir zufrieden?«

»Jawohl, hatse.«

Es dauerte seine Zeit, aber schließlich konnten Teile des Gesprächs zwischen Bertha und der alten Frau im Wald rekonstruiert werden.

»So mach ich das bei meiner Lady Eleanor«, hatte die Alte gesagt, »ich mach ihr ein gutes Pilzgericht, und dann ist sie mir gewogen.«

Bertha hatte hoffnungsfroh gefragt, ob das auch bei weniger hohen Herrinnen klappte.

»O ja, sogar noch besser.«

»Und wenn deine Herrin dich wegschicken wollte, würd sie’s dann nich mehr tun?«

»Dich wegschicken? Im Gegenteil, sie würde dich besser behandeln.«

Dann hatte die Alte hinzugefügt: »Weißt du, was, Bertha, mein Täubchen? Ich mag dich, und deshalb schenk ich dir meine Pilze, damit du sie deiner Lady zubereiten kannst. Sie mag doch Pilze, oder?«

»Is ganz verrückt danach.«

»Na bitte. Brat sie ihr, und dann wirst du dafür belohnt werden. Aber du musst es jetzt sofort tun.«

Fassungslos fragte sich Adelia, ob Bertha sich diese Geschichte nicht einfach nur ausgedacht hatte, um ihre eigene Schuld zu vertuschen. Dann verwarf sie den Gedanken. Niemand hatte sich je die Mühe gemacht, Bertha irgendwelche Märchen zu erzählen, in denen geheimnisvolle alte Frauen jungen Mädchen ihre Herzenswünsche erfüllten – oder überhaupt irgendwelche Märchen. Außerdem war Bertha ohnehin unfähig, sich irgendwas auszudenken.

Also hatte Bertha an jenem Tag im Wald den Pilzkorb auf den Schlitten mit dem Feuerholz gebunden und alles mit frischer Kraft und voller Hoffnung zurück zum Wormhold Tower gezogen.

Der beinahe menschenleer war. Das war interessant, fand Adelia. Die Haushälterin Dakers hatte sich an diesem Tag nach Oxford begeben, um dort eine neue Köchin zu suchen – Köchinnen, so schien es, hielten es unter Dakers’ hartem Regiment nie lange aus und kündigten unentwegt. Das andere Gesinde hatte ohne Dakers’ Aufsicht eigenmächtig freigenommen und die Schöne Rosamund praktisch allein gelassen.

Also hatte sich Bertha in der leeren Küche an die Arbeit gemacht. Es waren so viele Pilze, dass sie für zwei Mahlzeiten reichten, und Bertha hatte die Hälfte für den kommenden Tag aufbewahrt. Die übrigen hatte sie mit Butter in eine Pfanne getan, eine Prise Salz, ein bisschen Bärlauch und ein wenig Petersilie dazugegeben und sie über dem Feuer im eigenen Saft schmoren lassen. Dann hatte sie den Teller zum Sonnenzimmer hinaufgetragen, wo Rosamund am Tisch saß und einen Brief schrieb.

»Die hat nämlich schreiben gekonnt«, sagte Bertha ehrfürchtig.

»Und sie hat die Pilze gegessen?«

»Verschlungen.« Das Mädchen nickte. »Richtig gierig.«

Der Zauber hatte gewirkt. Lady Rosamund hatte Bertha ein überaus seltenes Lächeln geschenkt, ihr gedankt und gesagt, sie sei ein braves Mädchen.

Später hatten die Krämpfe begonnen …

Selbst jetzt noch, so wurde Adelia klar, erkannte Bertha bei dem alten Weib im Wald keine bösen Absichten. »War Pech«, sagte sie. »Hat die Alte keine Schuld dran. Da is ’n böser Pilz aus Versehen mit in den Korb gerutscht.«

Es war sinnlos, ihr zu widersprechen, aber es war kein Versehen gewesen. Bei den Pilzen, die Bertha verwahrt und die Rowley für Adelia mitgenommen hatte, war die Teufelshaube so zahlreich vertreten wie jede andere Sorte – und war sorgsam daruntergemischt worden.

Bertha jedoch war nicht bereit, jemandem etwas Böses zu unterstellen, der freundlich zu ihr gewesen war. »War nich ihre Schuld, war auch nich meine. War Pech.«

Adelia lehnte sich auf dem Schemel zurück und dachte nach. Also zweifelsfrei ein Mord. Nur Bertha konnte meinen, dass es ein Versehen gewesen war; nur Bertha konnte glauben, dass königliche Köchinnen den Wald durchstreiften und Mägden, denen sie zufällig begegneten, Zauberpilze schenkten. Das Ganze war genauestens geplant gewesen. Die alte Frau, wer auch immer sie war, hatte ein Netz gesponnen, um just an dem Tag, als Rosamunds Drachen Dakers ihrer Herrin einmal von der Seite gewichen war, eine ganz spezielle Fliege zu fangen, nämlich Bertha.

Was bewies, dass die Alte wusste, was in Rosamunds Haushalt vor sich ging, oder von jemandem Anweisungen bekommen hatte, der das wusste.

Rowley hat recht, dachte Adelia, jemand wollte, dass Rosamund stirbt und die Königin belastet wird. Wenn Eleanor den Befehl dazu gegeben hätte, wäre sie wohl kaum auf die Idee gekommen, eine alte Frau auszusuchen, die ihren Namen erwähnen würde. Nein, es war nicht Eleanor gewesen. Der Täter musste die Königin sogar noch mehr hassen als Rosamund. Oder vielleicht wollte er auch nur ihren Gatten gegen sie aufbringen und England auf diese Weise in den Krieg stürzen. Was ihm gelingen konnte.

Es war still geworden im Stall. Berthas Gebrabbel, dass es nicht ihre Schuld gewesen war, hatte aufgehört, und die einzigen Geräusche machten die Kühe beim Kauen und Herauszupfen des Heus aus den Trögen.

»Im Namen Gottes«, sagte Adelia verzweifelt zu Bertha, »ist dir denn sonst gar nichts an der alten Frau aufgefallen?«

Bertha dachte nach und schüttelte den Kopf. Dann blickte sie erstaunt. »Hat gut gerochen«, sagte sie.

»Sie hat gut gerochen? Was heißt gut?«

»Eben gut.« Das Mädchen kroch jetzt nach vorne und schnupperte wie eine Spitzmaus. »Wie Ihr.«

»Sie hat gerochen wie ich?«

Bertha nickte.

Seife. Gute parfümierte Seife, Adelias einziger Luxus, den sie sich erst vor zwei Stunden gegönnt hatte, als sie sich gründlich vom Schmutz der Reise gereinigt hatte. Einmal im Jahr ließ sie sich von ihrer Ziehmutter aus Rom eine Lieferung Seife zusenden, die aus Lauge, Olivenöl und Blütenessenzen hergestellt wurde. In einem ihrer Briefe hatte Adelia sich über die englische Seife beklagt, die hauptsächlich aus Rindertalg bestand, weshalb ihre Benutzer rochen, als sollten sie gleich in die Backröhre geschoben werden.

»Hat sie nach Blumen gerochen?«, fragte sie. »Rosen? Lavendel? Kamille?« Und wusste sogleich, dass es sinnlos war. Selbst wenn Bertha diese Pflanzen kannte, sie würde sie doch nur mit ihren einheimischen Namen benennen können, die wiederum Adelia unbekannt waren.