Выбрать главу

Dakers starb. Adelia hatte diese gelbliche Haut und die tiefliegenden Augen schon zu oft gesehen, um nicht zu wissen, was das bedeutete. Die Tatsache, dass die Frau sich überhaupt noch auf den Beinen hielt, war ein Wunder, aber sie tat es. Und sie schlich lautlos.

Hilf mir, flehte Adelia lautlos. Tu was. Ohne sich zu bewegen, legte sie die Bitte in ihre Augen. Hilf mir.

Aber Dakers sah weder sie noch den Abt an. All ihre Energie richtete sich darauf, die Treppe zu erreichen.

Adelia beobachtete, wie die Frau zwischen Tür und Türrahmen hindurchschlüpfte, ohne irgendwo anzustoßen, und dann verschwand. Ein wilder Hass erfasste sie. Du hättest ihn mit irgendwas niederschlagen können.

Noch immer lesend, setzte sich der Abt auf Rosamunds Stuhl und murmelte dabei halblaut vor sich hin. »›… und ich erfreue den König im Bett besser, als Ihr das je vermochtet, wie er mir gesagt hat …‹ Ich wette, das hast du, Mädchen. Gelutscht und geleckt, ich wette, das hast du. ›… er stöhnte vor Lust …‹ Ich wette, das hat er, du dreckige Hure …«

Er erregte sich selbst mit seinen eigenen Worten.

In dem Moment, als Adelia das dachte, sah er auf – genau in ihre Augen. Sein Gesicht rötete sich. »Was starrt Ihr mich so an?«

»Nur so«, sagte sie. »Ich blicke Euch an und sehe nichts.«

Schwyz rief irgendwas von der Treppe, doch seine Stimme wurde von Eynshams Schrei übertönt: »Ihr richtet über mich? Ihr, eine Hure … richtet über mich?«

Er sprang auf, eine Riesenwelle, die sich erhob und sie erfasste. Er hielt sie an die Brust gepresst und schleppte sie mit, so dass ihre Füße zwischen seinen Knien hingen. Sie konnte nichts sehen und dachte, er würde sie aus dem Fenster werfen, doch dann drehte er sich um, packte sie im Nacken und am Gürtel und hob sie hoch.

Einen winzigen Augenblick lang sah sie das Bett, dann hörte sie ein Ächzen und wurde hinuntergeschleudert auf das, was darauf lag.

Als Adelias Körper auf der Leiche landete, stieß der Bauch der Toten mit einem pfeifenden Geräusch seine Gase aus.

Der Abt brüllte noch immer. »Küsst euch. Küsst, küsst, küsst … Lutscht, leckt, ihr Weiber.« Er stieß ihr Gesicht in das von Rosamund. Er drehte ihren Kopf hin und her wie ein Stück Obst, presste ihn in das Fett. »Schnüffelt, lutscht, leckt …«

Sie erstickte in verwesendem Fleisch.

»Rob. Rob. Im Stall steht ein Pferd.«

Es hörte auf. Es war vorbei.

»Kein Reiter«, sagte Schwyz. »Kann keinen Reiter finden, aber irgendwer ist hier.«

»Was für ein Pferd?«

»Streitross. Schönes Tier.«

»Ist es seins? … Er kann nicht hier sein. Jesus steh uns bei, ist er hier?«

Die Tür knallte zu, und ihre Stimmen verschwanden.

Adelia rollte sich vom Bett und tastete sich durchs Zimmer zu einem der Fenster, wo ihre gefesselten Hände auf dem Sims nach übriggebliebenem Schnee suchten. Sie fand welchen und stopfte ihn sich in den Mund. Das nächste Fenster und noch mehr Schnee in den Mund, sie putzte sich damit die Zähne, spuckte ihn aus. Noch mehr für das Gesicht, die Nasenlöcher, für Augen und Haar.

Sie taumelte von Fenster zu Fenster, doch es gab nicht genug Schnee in der Welt, nicht genug sauberes, betäubendes Eis …

Durchnässt, zitternd sank sie auf Rosamunds Stuhl, und während ihre gefesselten Hände noch immer über ihren Hals rieben, legte sie den Kopf auf den Tisch und begann, bebend und keuchend zu schluchzen. Hemmungslos wie ein Säugling weinte sie um sich selbst, um Rosamund, Eleanor, Emma, Allie, alle Frauen überall, sie weinte wegen allem, was ihnen angetan wurde.

»Warum flennt Ihr denn?«, fragte eine gekränkte Männerstimme. »Das findet Ihr schlimm? Dann solltet Ihr mal ein Weilchen mit Dakers versteckt in einem Scheißhaus hocken.«

Ein Messer zertrennte den Strick an ihren Handgelenken. Ein Taschentuch wurde ihr an die Wange gedrückt. Es roch nach Pferdesalbe. Es roch herrlich.

Unendlich vorsichtig drehte sie den Kopf so, dass ihre Wange auf dem Taschentuch ruhte und sie zu ihm hochschielen konnte.

»Wart Ihr die ganze Zeit da drin?«, fragte sie.

»Die ganze Zeit«, antwortete der König.

Den Kopf noch immer auf dem Tisch, sah sie zu, wie er ans Bett trat, den Umhang aufhob und ihn sorgsam wieder über den Leichnam breitete. Dann ging er zur Tür und versuchte, den Riegel zu öffnen. Er ließ sich nicht bewegen. Er bückte sich und spähte durchs Schlüsselloch.

»Abgeschlossen«, sagte er, als wäre das ein Trost.

Der Gebieter über ein Reich, das sich von der Grenze Schottlands bis zu den Pyrenäen erstreckte, trug Jagdkleidung aus verschlissenem Leder – sie hatte ihn nie in irgendwas anderem gesehen; das taten nur wenige. Er hatte den wiegenden säbelbeinigen Gang eines Mannes, der mehr Zeit im Sattel verbrachte als auf dem Boden. Nicht groß, nicht gutaussehend, es gab nichts, was ihn irgendwie auszeichnete, außer einer Energie, die den Blick bannte. Wenn Henry Plantagenet im Raum war, sah niemand irgendwo anders hin.

Die Falten, die von der Nase zu den Mundwinkeln verliefen, waren tiefer geworden, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, in seinen Augen lag weniger Glanz, und das rote Haar war lichter geworden; etwas war ihm unwiederbringlich verlorengegangen.

Vor lauter Erleichterung verspürte Adelia den irrwitzigen Drang, loszukichern. Sie rieb sich die Handgelenke. »Wo sind Eure Männer, Mylord?«

»Tja, also …« Er verzog das Gesicht, wandte sich von der Tür ab und schob sich um den Tisch herum, um vorsichtig nach draußen zu spähen. »Die sind auf dem Weg hierher, nur ein paar wohlgemerkt, aber handverlesene Männer, gute Männer. Ich hab mir die Lage in Oxford angesehen und den jungen Geoffrey dagelassen, um die Stadt zu erobern, ehe er weiter nach Godstow zieht.«

»Aber … hat Rowley Euch gefunden? Wisst Ihr, dass die Königin in Godstow ist?«

»Deshalb nimmt Geoffrey es ja dann als Nächstes ein«, sagte er gereizt. »In beiden Fällen dürfte er keine Probleme haben. Die Rebellen, Gott verfluche sie, ich werde ihnen die Köpfe abreißen, waren sowieso schon kurz davor, in Oxford die weiße Fahne zu hissen, also …«

»Meine Tochter ist in Godstow«, sagte sie, »meine Leute …«

»Ich weiß, Rowley hat’s mir gesagt. Und Geoffrey weiß es, weil ich es ihm gesagt habe. Hört auf zu jammern: Ich hab schon Schneemänner gesehen, die bessere Verteidigungsstrategen waren als dieser Wolvercote. Überlasst das ruhig dem jungen Geoffrey.«

Vermutlich blieb ihr nichts anderes übrig.

Er schaute sich um. »Wie geht’s Rowleys Kleiner denn so? Hat sie schon ihren ersten Zahn? Zeigt sie Talent für die Medizin?«

»Es geht ihr gut.« Irgendwie kriegte er sie immer. Aber es wäre schön, hier rauszukommen. »Diese handverlesenen Männer …«, sagte sie. Das war derselbe Mist wie bei Rowley. Wieso brachte keiner von ihnen einmal ein richtiges Heer mit?

»Sie sind auf dem Weg«, sagte er, »aber ich fürchte, ich habe sie weit hinter mir gelassen.« Er drehte sich wieder zum Fenster um. »Man hatte mir gesagt, dass sie noch immer nicht beerdigt worden ist, versteht Ihr? Meine Leute bringen einen Sarg mit. Die armen Teufel kamen einfach nicht mehr mit.«

Wie auch? Er musste wie der Teufel geritten sein, um Abschied nehmen zu können, um die Schmach wiedergutzumachen, die man seiner Geliebten angetan hatte.

»Ich war noch nicht lange da, als ihr aufgetaucht seid«, sagte er. »Ich habe gehört, wie ihr die Treppe heraufkamt, also haben Dakers und ich uns versteckt. Erste Regel, wenn man in der Unterzahl ist – finde heraus, wie stark der Feind ist.«

Und dann hatte er erfahren, dass Rosamund ihn in ihrer Dummheit und ihrem Ehrgeiz verraten hatte. Wie seine Ehefrau, wie sein ältester Sohn.

Adelia empfand schreckliches Mitleid. »Die Briefe, Mylord … Es tut mir so leid.«