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Henry hatte den Kopf gehoben. »Hört Ihr das?«

»Nein.«

»Ich aber. Sie sind da.« Sein Schwert fuhr rasselnd aus der Scheide. »Jetzt gehen wir runter und schlagen diese Bastarde.«

Sie waren nicht da. Er hatte bloß die Vögel gehört. Sie beide würden für alle Zeit hier oben bleiben und neben Rosamund verfaulen.

Sie schleppte sich zum Fenster.

Aufgeregte Männer kamen aus der Küche gelaufen, schauten durch den Nebel irritiert nach links und rechts und rannten zurück, um ihre Waffen zu holen.

Sie hörte Schwyz rufen: »Um die andere Seite rum. Das kam von hinten.«

Der Abt von Eynsham machte ein paar unentschlossene Schritte auf den Eingang zum Irrgarten zu, trat dann wieder davon weg.

»Ja«, sagte Adelia.

Henrys Dolch, mit dem er ihre Handfesseln durchtrennt hatte, lag auf dem Tisch. Sie griff mit wilder Freude danach. Sie wollte gegen jemanden kämpfen.

Aber sie konnte nicht. Weil nämlich … »Mylord, wir sind eingeschlossen.«

Er stellte sich auf Zehenspitzen und tastete oben auf dem Ring herum, an dem der Vorhang von Rosamunds Bett befestigt war. Als er die Hand wieder senkte, hielt sie einen Schlüssel. Er winkte ihr damit. »Geh nie in ein Loch ohne zweiten Ausgang.«

Dann waren sie durch die Tür und polterten die Treppe hinunter, Henry voran.

Zwei Stockwerke tiefer kam ihnen einer von Schwyz’ Männern mit gezogenem Schwert entgegengelaufen. Ob er nach einem Versteck suchte oder heraufgeschickt worden war, um sie zu erledigen, sollte Adelia nie erfahren. Seine Augen weiteten sich, als er den König sah.

»Falsche Richtung«, stellte Henry fest und stieß ihm sein Schwert in den Mund. Der Mann fiel. Der König durchbohrte ihn noch einmal, hob ihn dann mitsamt Schwert wie auf einem Bratspieß hoch und schüttelte ihn ab, so dass er um die nächste Treppenbiegung fiel. Er stieß den schweren Mann immer weiter, um die nächste Biegung und die nächste, obwohl er längst tot war, als sie unten in der Halle ankamen.

Die Luft draußen wurde von Schreien und metallischem Klirren zerfetzt. Der Nebel war noch dichter geworden, so dass kaum zu sagen war, wer da gegen wen kämpfte.

Der König verschwand, und Adelia hörte einen frohen Aufschrei, »Dieu et Plantagenet«, als er einen Gegner fand.

Es war, als befände sie sich mitten in einer Schlacht von unsichtbaren Geistern. Mit erhobenem Dolch ging sie vorsichtig in die Richtung, wo sie Eynsham zuletzt gesehen hatte. Ein Mörder war geflohen, aber verdammt sollte sie sein, wenn noch ein anderer der Gerechtigkeit entkam. Und das würde er, wenn er konnte. Der Abt war kein mutiger Mann; das Töten überließ er stets anderen.

Zwei schwere Gestalten tauchten links von ihr auf, und ihre Schwerter sprühten Funken, als sie aufeinander einschlugen. Adelia sprang beiseite, und sie verschwanden wieder.

Wenn ich ihn rufe, wird er kommen, dachte sie. Sie war noch immer ein Unterpfand, und er würde sie als Schutzschild benutzen wollen. Sie hatte ein Messer, sie könnte ihn bedrohen und festhalten. »Abt.« Ihre Stimme klang hell und dünn. »Abt.«

Irgendetwas antwortete ihr mit noch hellerer Stimme. Verblüfft. Mit einem Crescendo der Qual, das zu einem nicht mehr menschlichen Falsett anstieg. Mit Schreien, die durch den Nebel pulsierten, den Kampflärm übertönten und zum Schweigen brachten. Es übertönte einfach alles.

Es kam aus Richtung Irrgarten. Adelia lief darauf zu, glitt im Matsch aus, fiel, rappelte sich hoch und rannte weiter. Was immer es war, es brauchte Hilfe. Es zu hören war unerträglich.

Irgendwer platschte an ihr vorbei. Sie konnte nicht sehen, wer.

Eine Mauer aus Büschen ragte vor ihr auf. Hektisch tastete sie sich daran entlang bis zum Eingang des Irrgartens, wo das Schreien herkam. Es wurde jetzt leiser. Vernahm sie Worte darin? Ein Gebet? Flehen?

Sie erreichte den Eingang und stürzte sich hinein.

Seltsamerweise war die Sicht hier besser. Es war bloß dämmrig, als wären die vielen Gänge schon verwirrend genug und hätten dem Nebel in ihren Windungen Einhalt geboten. Die heckenbewachsenen Tore standen offen, boten noch immer freien Durchgang.

Er war weit hineingelaufen, fast bis zu dem Ausgang, der zum Hügel führte. Das Geräusch wurde jetzt zu einem leisen Murmeln, als wäre da jemand unzufrieden. Als Adelia näher kam, hörte es ganz auf.

Beim letzten Todeskrampf hatte sich der Abt rückwärts über die Menschenfalle gereckt, so dass sich sein Bauch nach außen wölbte. Sein Mund war weit aufgerissen. Er sah aus, als wäre er brüllend vor Lachen gestorben.

Sie schob sich um das Gestell herum zur Vorderseite. Schwyz befingerte das zerfetzte Fleisch, wo die Zähne der Falle in Eynshams Leiste gedrungen waren.

»Ist ja gut, Rob«, sagte er. »Ist ja gut.« Er sah Adelia an. »Helft mir.«

Es war sinnlos. Er war tot. Man würde zwei Männer brauchen, um die Falle aufzustemmen. Nur ein Hass so stark wie das Feuer der Hölle hatte Dakers die Kraft verliehen, die Verstrebungen auseinanderzuwuchten, so dass die Zahnreihen flach auf dem Boden lagen und darauf warteten, nach dem Mann zu schnappen, der Rosamund vergiftet hatte.

Die Haushälterin hatte sich wenige Schritte entfernt hingesetzt, um ihm beim Sterben zuzusehen. Und war mit ihm gestorben, ein Lächeln im Gesicht.

Es gab viel aufzuräumen.

Sie brachten die Verwundeten zu Adelia auf den Landungssteg, weil sie nicht mehr zum Turm zurückkehren wollte. Es waren nicht viele, und keiner war schwer verletzt. Die meisten mussten nur mit ein paar Stichen genäht werden, was sie mit dem Inhalt von Henrys Nähetui bewerkstelligte.

Alle waren Plantagenets Männer. Henry hatte keine Gefangenen genommen.

Sie fragte nicht, was aus Schwyz geworden war. Es war ihr egal. Und ihm war es vermutlich auch egal gewesen.

Eine Barkasse kam von Godstow den Fluss herauf und brachte Rosamunds vielgereisten Sarg mit. Der Bischof von St. Albans war an Bord einer zweiten. Er war dabei gewesen, als der junge Geoffrey die Abtei erstürmte, und sah zum Umfallen müde aus. Als er Adelia erblickte, blieb er zurückhaltend, aber er dankte Gott für ihre Befreiung. Godstow war ohne Verluste aufseiten Plantagenets erobert worden. Wolvercote, der jetzt in Ketten lag, war der Einzige gewesen, der überhaupt Widerstand geleistet hatte.

»Allie ist sicher und wohlauf«, sagte er. »Ebenso wie Gyltha und Mansur. Die haben uns vom Fenster im Gästehaus aus angefeuert.«

Mehr musste sie nicht wissen. Oder doch, eines noch. »Was ist mit Master Warin?«, fragte sie.

»Diese Heulsuse? Der hat versucht, über die hintere Mauer abzuhauen, also haben wir ihn in Eisen gelegt.«

»Gut.«

Es taute immer stärker. Die ausgezackten Eisplatten, die den Fluss hinabtrieben und gegen den Landungssteg stießen, schrumpften sichtlich. Adelia beobachtete sie. Jede einzelne trug ihre eigene kleine Nebelbank durch die verhangene Luft.

Es war noch immer sehr kalt.

»Komm mit zum Turm«, sagte Rowley. »Wärm dich auf.«

»Nein.«

Er legte seinen Mantel um sie, aber ohne sie dabei zu berühren. »Eleanor ist entkommen«, sagte er. »Sie durchkämmen den Wald nach ihr.«

Adelia nickte. Es spielte ohnehin keine Rolle mehr.

Er trat zurück. »Ich muss jetzt zu ihm. Ich soll die Toten segnen.«

»Ja«, sagte sie.

Er wandte sich ab und ging zum Turm und zu seinem König.

Ein zweiter Sarg, der aus Teilen des Scheiterhaufens zusammengehämmert worden war, wurde zum Landungssteg getragen. Dakers würde ihre Herrin ins Grab begleiten.

Die übrigen Toten wurden im Hof gestapelt. Dort würden sie bleiben, bis die Erde weich genug war, um ein Gemeinschaftsgrab zu schaufeln.

Henry kam, trieb das Beladen der Barkasse voran und brüllte die Ruderer an, er würde ihnen die Eier abreißen, wenn sie nicht ruderten, was das Zeug hielt. Er wollte möglichst schnell nach Godstow und von dort nach Oxford.