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»Meinen Lohn«, antwortete Rahn. »Ich habe jetzt lange genug darauf gewartet.«

»Deinen Lohn?«, wiederholte Lea. »Wir hatten ausgemacht, dass du ihn im Frühjahr bekommst.«

»Wir hatten eine Menge ausgemacht«, antwortete Rahn. »Aber seither ist auch viel passiert. Gib mir jetzt, was mir zusteht.« Er stemmte sich abermals auf den Lehnen des Korbstuhls nach vorn, ließ die Schultern aber jetzt nicht sinken, sondern sah Lea herausfordernd an, und seine Hand schloss sich fester um das schlankere Ende des Knüppels, den er mitgebracht hatte. Arri fragte sich, ob er tatsächlich so dumm war, ihn benutzen zu wollen. Ihre Mutter schien sich dasselbe zu fragen, denn sie wirkte mit einem Mal wieder angespannt, aber nur für einen Moment; dann kam sie offensichtlich zu einem Schluss, denn sie schüttelte nur verächtlich den Kopf, rammte das Schwert mit solcher Wucht in den hölzernen Boden des Hauses, dass es zitternd neben ihr stecken blieb, und griff mit der frei gewordenen Hand in den Ausschnitt ihres Kleides, um einen winzigen Lederbeutel hervorzuziehen, den sie an einer Schnur um den Hals trug. Das wenige Licht, das durch die Ritzen der Läden hereindrang, spiegelte sich honigfarben auf der winzigen Perle, die sie aus dem Beutel auf ihre linke Handfläche schüttelte. »Diese eine jetzt, die andere im Frühjahr, wenn die Saat ausgebracht ist. So war es vereinbart.«

Sie streckte Rahn die Hand mit der Oraichalkos-Perle entgegen, aber der hünenhafte Fischer rührte keinen Finger, um danach zu greifen. »So war es ausgemacht, bevor Sarn das Dorf gegen dich aufgewiegelt hat. Das meine ich jedoch nicht.«

Aber was dann?, dachte Arri erschrocken. Sie versuchte den Blick ihrer Mutter aufzufangen, doch Lea starrte unverwandt Rahn an. Ihr Gesicht war unbewegt, doch sie konnte trotzdem sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. Schließlich schürzte sie trotzig die Lippen und sagte, ohne Rahns Blick loszulassen: »Arianrhod, geh hinaus.« Gleichzeitig streifte sie den Ärmel von ihrer rechten Schulter und hob gleich darauf die andere Hand, um das Kleid auf der anderen Seite herunter und dann ganz abzustreifen, aber Rahn schüttelte rasch den Kopf und machte ein verächtliches Geräusch, und Lea erstarrte mitten in der Bewegung.

»Nein«, sagte er. »Das meine ich auch nicht. Ich mag nicht, was andere abgelegt haben.«

Lea sog scharf die Luft ein. »Meine Geduld ist bald erschöpft, Rahn. Was willst du von mir?«

»Was du mir versprochen hast«, erwiderte Rahn. Er beugte sich noch weiter vor, sodass Arri nun sein Gesicht erkennen konnte - sie war sicher, sie sollte es -, und sein Blick löste sich endlich von Leas Gesicht und tastete lüstern und anzüglich über das Arris, dann über ihre Gestalt. Nein, dachte sie, das konnte er nicht meinen. Das konnte ihre Mutter nicht meinen! »Es sei denn«, fuhr er fort, »deine Tochter ist wahrhaftig deine Tochter und hat dir erzählt...«

»Arianrhod hat mir erzählt, was passiert ist«, unterbrach ihn Lea kühl. »Sie hat mir die Wahrheit erzählt. Es tut ihr Leid. Was sie getan hat, war dumm, und ich entschuldige mich an ihrer Stelle dafür. Ich trage dir nichts nach.«

Rahns Augen wurden groß. »Du trägst mir...«, ächzte er.

»Arri hat mir gebeichtet, was sie getan hat«, sagte Lea noch einmal. »Ich hoffe, du kannst ihr verzeihen. Sie ist noch ein Kind und wusste nicht, was sie tut.«

Rahn starrte sie nur weiter ebenso finster wie fassungslos an. Und auch Arri hatte alle Mühe, den Worten ihrer Mutter überhaupt folgen zu können. Ihre Gedanken überschlugen sich. Was hatte Rahn nur gemeint?

»Du solltest besser keine Spielchen mit mir spielen, Lea«, sagte er. »Dazu habe ich zu lange auf dich gewartet.«

»Ich hoffe, die Zeit ist dir nicht lang geworden«, sagte sie böse.

»Eigentlich schon«, antwortete Rahn. »Es ist ziemlich einsam dort draußen.«

Leas Augen wurden schmal. Sie schwieg.

»Was... was hat er damit gemeint?«, fragte Arri krächzend. Ihre Stimme versagte fast.

Lea ignorierte sie.

Rahn auch.

Die beiden blickten sich nur an, als versuchten sie, sich gegenseitig niederzustarren, aber wenn, dann endete dieser Kampf unentschieden. Irgendetwas war mit Rahn geschehen, seit sie den jungen Fischer das letzte Mal gesehen hatte, und es war eine ganz erstaunliche Veränderung. Noch erstaunlicher war, dass Arri diese Veränderung... gefiel.

»Was willst du?«, fragte Lea schließlich. »Ich bin müde, Rahn. Wir beide sind müde und brauchen dringend ein wenig Ruhe. Also nimm, was dir zusteht, und verschwinde.« Sie streckte ihm erneut die Hand mit der Oraichalkos-Perle hin, aber Rahn rührte auch jetzt keinen Finger, um danach zu greifen.

Was, um alles in der Welt, hatte Rahn gemeint?, dachte Arri. Ihre Gedanken rasten. Sie machte einen weiteren Schritt nach vorn, um ihrer Mutter nun direkt ins Gesicht sehen zu können, doch Lea ignorierte sie weiterhin so beharrlich, als wäre sie gar nicht da.

Das konnte nicht sein.

Das war vollkommen un-mög-lich!

Sie musste Rahns Blick falsch gedeutet haben. So etwas würde ihre Mutter ihr niemals antun.

»Was mir zusteht, gehört mir auch«, sagte Rahn leise und fast verächtlich. »So einfach ist das.«

Für den Augenblick schien sich das alt eingespielte Verhältnis umgedreht zu haben. Vielleicht zum ersten Mal war Rahn der Überlegene und ihre Mutter die Bittstellerin, die zu ihm gekommen war und nun nicht mehr wusste, was sie sagen oder tun sollte. Aber nur für einen Augenblick, dann schien Lea selbst zu spüren, was geschah, denn sie straffte nicht nur die Schultern, sondern schürzte auch trotzig die Lippen. Ihre Hand legte sich um die honigfarbene Perle. Mit einer geradezu bedächtigen Bewegung verstaute sie sie wieder in ihrem Beutel, hängte sich die dünne Lederschnur um den Hals, zog das Schwert aus dem Boden und schob es in die Schlaufe an ihrem Gürtel zurück, bevor sie sich wieder an Rahn wandte. »Also gut«, begann sie in verändertem, jetzt wieder gewohnt überheblichem Ton. »Was stellst du dir jetzt vor?«

Die Antwort auf diese Frage stand überdeutlich in Rahns Gesicht geschrieben, aber obwohl er Leas Blick noch immer scheinbar gelassen standhielt, brachte er es nicht fertig, sie laut auszusprechen.

Nicht, dass es nötig gewesen wäre.

»Mutter, du kannst ihn doch nicht...«, begann Arri.

Leas Kopf fuhr mit einer abrupten Bewegung herum, wie ein Raubvogel, der ein Opfer erspäht hat und dazu ansetzt, darauf niederzustoßen. »Ich weiß schon, was ich kann und was nicht«, zischte sie. »Habe ich dich nicht gebeten, hinauszugehen?«

»Aber warum denn?«, fragte Rahn böse. »Hast du Angst, dass deine Tochter etwas hört, was sie nicht hören soll?« Er löste endlich die Hand von seinem Knüppel und machte eine schnelle, abwehrende Geste, mit der er Lea unterbrach, als sie antworten wollte. »Keine Sorge. Ich hatte ohnehin nie vor, dein großzügiges Angebot anzunehmen. Warum sollte ich ein Kind nehmen, wenn ich eine richtige Frau haben kann?«

»Das klang aus Arianrhods Mund aber etwas anders«, sagte Lea.

»So?« Rahn machte ein abfälliges Geräusch. »Ich dachte, sie hätte dir erzählt, was wirklich passiert ist.«

»Das habe ich auch«, mischte sich Arri ein. »Hört auf, euch zu streiten! Was ist hier los? Ich... ich will jetzt endlich wissen, was hier los ist! Mutter! Was hast du Rahn versprochen?«

»Die Frage ist wohl eher, was er jetzt will«, sagte Lea unwillig. »Also?«

»Nein«, antwortete Rahn. »Die Frage ist, was dir das wert ist, was ich zu erzählen habe.« Er machte eine Kopfbewegung auf den Beutel mit der kostbaren Perle, die Lea jetzt wieder unter ihrem Kleid am Hals trug. »Auf jeden Fall mehr als das da, da bin ich sicher.« Er machte eine kleine Pause, bevor er fragte: »Willst du denn gar nicht wissen, was während deiner Abwesenheit passiert ist?«

»Nicht im Geringsten«, behauptete Lea. »Wenn ich nicht da bin, wird ja wohl auch nichts Besonderes passieren.«