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Irgendwo, unendlich weit entfernt, wie es ihr schien, erscholl das Klirren von Waffen, die aufeinander prallten, und ein wütendes Geschrei und Gebrüll. Die Dunkelheit, die sie umgab, schien noch schwärzer zu werden, und da war plötzlich ein winziger, vergeblich nach Beachtung schreiender Teil in ihr, der sie daran zu erinnern versuchte, was ihre Mutter ihr über eine Situation wie diese beigebracht hatte. Was sie gelernt hatte. Sie durfte sich von Schmerz und Schwäche nicht überwältigen lassen. Sie musste in Bewegung bleiben. Aber sie konnte es nicht. Es waren nicht so sehr Schwäche oder Schmerz, die nahezu ihre gesamte linke Körperhälfte zu lähmen schienen. Es war, als habe sie alles vergessen, was sie erlernt hatte - und als weigere sich etwas in ihr, zu kämpfen. Schatten tanzten vor ihren Augen. Schatten, die eine riesige verzerrte Gestalt umwogten wie ein aus der Nacht gewobener Umhang, und ein einsamer Strahl von verirrtem Mondlicht brach sich auf matt goldfarbenem Metall.

Vielleicht war es einzig dieser Anblick, der sie rettete. Es war viel zu dunkel, als dass sie den Angreifer wirklich erkennen konnte, aber sie erkannte das Schwert, das er in der Hand hielt, und sie wusste, warum er es in der Hand hielt.

Lähmendes Entsetzen griff nach ihr und schien ihr auch noch den allerletzten Rest von Kraft zu rauben, und zugleich machte sich der panisch-alberne Gedanke in ihr breit, wie unzufrieden ihre Mutter doch mit ihr sein würde, wenn sie sie beobachtete und sehen musste, dass sie offensichtlich alles vergessen hatte, was sie sie gelehrt hatte.

Dann - viel zu spät, aber dennoch im allerletzten Moment - reagierte sie. Der Schatten über ihr wuchs zur Größe eines Erdriesen heran, irgendetwas stieß sie so hart in die Seite, dass ihr vor Schmerz übel wurde, und sie spürte das Schwert des Angreifers nur auf sich niedersausen, ohne es zu sehen.

Irgendetwas, das älter und viel mächtiger war als ihr Verstand, übernahm die Kontrolle über ihren Körper. Der pochende Schmerz in ihrer Seite wurde eher noch schlimmer, aber er spielte plötzlich keine Rolle mehr; statt sich von ihm lähmen zu lassen, verwandelte Arri ihn in Zorn und den Zorn in Kraft, mit der sie sich herumwarf und am Ende dieser Bewegung schräg nach oben austrat. Das Schwert, das nach ihrem Gesicht gezielt gewesen war, fuhr mit einem schmatzenden Laut eine Handbreit neben ihrer Schulter in den Boden, und nahezu im gleichen Augenblick rammte sie den rechten Fuß zwischen die Beine des Angreifers.

Der Mann stieß ein überraschtes Grunzen aus, ließ sein Schwert los und machte einen unbeholfen torkelnden Schritt zur Seite, bevor er mit einer schon fast grotesk langsamen Bewegung in die Knie brach und die Hände vor dem Unterleib zusammenschlug. Arri half der Entwicklung noch etwas nach, indem sie mit einer fließenden Bewegung auf die Beine kam, auf ihn zusprang und die freie Hand in sein schulterlanges verfilztes Haar krallte, um seinen Kopf nach vorne zu reißen. Im nächsten Moment krachte ihr Knie mit solcher Gewalt in sein Gesicht, dass sie nicht nur hören konnte, wie irgendetwas darin zerbrach, sondern ihr der jähe Schmerz selbst die Tränen in die Augen trieb.

Aber das Ergebnis war diesen Preis allemal wert. Arri ließ das schmutzstarrende Haar des Kriegers los, humpelte mit zusammengebissenen Zähnen einen Schritt zurück, und der Angreifer rang noch einmal mit einem beinahe komisch klingenden Laut nach Luft, verdrehte die Augen und fiel dann stocksteif nach hinten.

Schwer atmend wandte sich Arri um. Alles war so schnell gegangen, dass sie beinahe selbst überrascht von dem war, was sie getan hatte.

Ihr Blick streifte flüchtig das Schwert des Angreifers, das noch immer zwei Schritte neben ihr im Boden steckte. Aber sie erwog den Gedanken, danach zu greifen, nicht einmal ernsthaft. Sie hatte keinerlei Erfahrung mit dieser Waffe, und ihre Mutter hatte ihr mehr als eindringlich eingeschärft, dass eine Waffe, die man nicht beherrschte, nur zu leicht zu einer Gefahr für denjenigen werden konnte, der sie schwang.

Obwohl es ihr wie eine kleine Ewigkeit vorgekommen war, hatten ihr Sturz und der zugegeben nicht besonders gerechte Kampf danach doch nur wenige Atemzüge gedauert. Dennoch hatte sich der Anblick hinter ihr so radikal verändert, wie es nur möglich schien. Ihre Mutter hatte sich vier, fünf Schritte weit entfernt und kämpfte mit wuchtigen Schwerthieben gegen zwei Gegner gleichzeitig. Der dritte lag ein gutes Stück entfernt am Boden und rührte sich nicht mehr. Sein Schild war fort, ebenso wie der Arm, der ihn gehalten hatte.

Dennoch währte Arris Erleichterung nur wenige Augenblicke. Ihre Mutter verteidigte sich tapfer und mit einer verbissenen Mischung aus Schnelligkeit und plötzlicher, berstender Wut, doch Arri erkannte auch sofort, dass ihr die beiden Männer, die auf sie eindrangen, mindestens ebenbürtig waren; und das, was sie ihnen an Schnelligkeit und Geschick voraushatte, mit ungestümer Kraft und Wildheit leicht wettmachten. Vielleicht hatte sie den ersten Angreifer nur so einfach überwältigen können, weil er nicht mit einer derart entschlossenen Gegenwehr gerechnet hatte; nicht bei der Übermacht, mit der die Krieger angriffen, und schon gar nicht von einer Frau. Aber wenn es so war, dann hatten seine beiden Waffengefährten daraus gelernt und würden diesen Fehler nicht wiederholen.

Und es war ganz egal, was Lea ihr gesagt hatte oder nicht - jeder der beiden Krieger war mindestens doppelt so schwer wie sie und wahrscheinlich dreimal so stark. Sie musste etwas tun!

Arris Reaktionen wurden noch immer von jenem anderen, instinktiven Teil ihres Selbst bestimmt, der ihr soeben das Leben gerettet und sie in die Lage versetzt hatte, sich des Angriffes des viel stärkeren und zu allem entschlossenen Kriegers zu erwehren, und sie dachte auch jetzt nicht, sondern reagierte einfach auf das, was sie sah.

Ein winziger, hoffnungslos machtloser Teil ihres Selbst schrie zwar in schierer Panik auf und versuchte sie zurückzuhalten, als sie herumfuhr, aber diese Stimme drang nicht einmal wirklich an ihr Bewusstsein. Arri stürmte los, ignorierte den pochenden Schmerz in ihrem Knie kurzerhand, und stieß sich mit aller Kraft ab, als sie bis auf zwei Schritte an einen der beiden Krieger heran war. Ihre Mutter schrie auf, und Arri glaubte sogar so etwas wie einen entsetzten Ausdruck auf ihrem Gesicht zu gewahren, aber plötzlich ging alles viel zu schnell, als dass sie auch nur Zeit gefunden hätte, einen klaren Gedanken zu fassen.

Arri stieß sich mit aller Gewalt ab, flog für den Bruchteil eines Atemzugs nahezu waagerecht durch die Luft und prallte dann so hart gegen einen der beiden Krieger, dass es ihr schmerzhaft die Luft aus den Lungen trieb.

Es gelang ihr nicht, den Mann zu Boden zu reißen.

Ihre Füße prallten mit solcher Wucht in seinen Rücken, dass eine Woge aus grellem Schmerz in ihren Knöcheln zusammenschlug und sie vor Pein aufschrie, während sie selbst zurückgeschleudert wurde und hilflos zu Boden fiel, und ganz sicher hatte sie diesmal alles richtig gemacht, aber sie war einfach zu leicht. Nicht einmal die gewaltige Kraft ihres Sprungtrittes reichte aus, den muskulösen Krieger endgültig aus dem Gleichgewicht zu bringen. Arri stürzte schwer, und der Krieger stieß ein ebenso überraschtes wie wütendes Grunzen aus und musste einen hastigen, fast komisch aussehenden Ausfallschritt nach vorn und zur Seite machen, um sein Gleichgewicht zu behalten, aber er behielt es, während Arri hilflos auf den Rücken fiel und dort liegen blieb. Als sie ihre Benommenheit überwunden hatte und sich hochzustemmen versuchte, fuhr er herum und versetzte ihr einen Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht, der sie erneut und diesmal halb bewusstlos zu Boden schleuderte.