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Vielleicht hätte ihr selbstmörderischer Angriff den Kampf trotzdem entschieden, wäre es nicht jetzt ihre Mutter gewesen, die anders als erwartet - und vollkommen falsch! - reagierte.

So kurz die Ablenkung auch gewesen war, sie hatte Lea doch Gelegenheit gegeben, sich mit nur einem der beiden Angreifer zu befassen, und nun machte sich ihre überlegene Schnelligkeit und ihre bessere Waffe mit verheerendem Ergebnis bemerkbar. Ihre Klinge beschrieb einen funkelnden, rasend schnellen Dreiviertel-Kreis, schmetterte die Waffe des Kriegers beiseite und biss noch in der gleichen Bewegung tief in seinen linken Oberarm. Der Krieger ließ sein Schwert fallen und sank mit einem gellenden Schmerzensschrei auf die Knie.

Hätte Lea in diesem Moment den zweiten Krieger angegriffen, wäre der Kampf vermutlich vorbei gewesen. Stattdessen fuhr sie herum und war mit zwei Sätzen bei Arri.

Der Krieger, der Arri niedergeschlagen hatte, bemerkte die Gefahr im letzten Moment und wirbelte herum, sodass er dem wütenden Schwerthieb, den Lea nach seinem Kopf geführt hatte, nur um Haaresbreite entging, durch die ebenso hastige wie ungeschickte Bewegung aber rückwärts stolperte und nach zwei unbeholfenen Schritten auf den Rücken fiel. Spätestens jetzt hätte Lea allem ein Ende machen können, indem sie ihm nachsetzte und ihre Waffe einsetzte. Stattdessen jedoch fiel sie neben Arri auf die Knie, ließ ihr Schwert fallen und griff mit beiden Händen nach ihr.

»Arianrhod!«, keuchte sie. »Arianrhod, bist du verletzt?«

Arri war viel zu durcheinander, um diese Frage beantworten zu können. Benommen arbeitete sie sich auf die Ellbogen hoch und versuchte, die Hände ihrer Mutter abzustreifen. Lea schüttelte sie heftig, wobei sind immer wieder ihren Namen schrie. Ihre Augen waren schwarz vor Furcht, und Arri konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor einen Ausdruck von so abgrundtiefem Entsetzen und Furcht auf dem Gesicht ihrer Mutter gesehen zu haben.

»Arianrhod! So antworte doch!«, schrie ihre Mutter.

Arri wollte es ja - doch in diesem Moment sah sie eine riesige Gestalt hinter ihrer Mutter emporwachsen, und alles, was sie hervorbrachte, war ein verzweifeltes Quietschen, das mit einem Schrei kaum etwas gemein hatte. Dennoch reagierte ihre Mutter darauf. So schnell, dass Arri die Bewegung kaum richtig mitbekam, stieß sie sie wieder zurück ins nasse Gras, ließ sich gleichzeitig zur Seite fallen und rollte über die Schulter ab, um noch aus der Bewegung heraus ihr Schwert aufzuheben und auf die Füße zu springen.

Doch so schnell die Bewegung auch war, diesmal war sie nicht schnell genug. Der Schwerthieb, den der verletzte Krieger beidhändig und mit aller Gewalt nach ihr geführt hatte, verfehlte zwar sein eigentliches Ziel und fegte ihr nicht den Kopf von den Schultern, aber die schwere Bronzeklinge streifte dennoch Leas Rücken, zerschnitt ihren Umhang und das Kleid, das sie darunter trug, und fügte ihr eine fast unterarmlange, klaffende Wunde quer über den Rücken zu, die augenblicklich stark zu bluten begann.

Lea stieß einen spitzen Schrei aus und begann zu taumeln, und der Krieger setzte ihr mit triumphierendem Gebrüll nach und schwang seine Waffe zu einem zweiten, noch gewaltigeren Hieb, der sein Ziel diesmal einfach treffen musste.

Arri warf sich herum, hakte den linken Fuß vor seinen Knöchel und trat ihm mit dem anderen Fuß und mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, in die Kniekehle. Aus der unvorteilhaften Lage heraus, in der sie sich befand, brachte sie nicht genug Kraft auf, um den Mann wirklich zu Fall bringen zu können. Ihr ohnehin verletztes Knie schien in Flammen aufzugehen, und vermutlich tat sie sich selbst viel mehr weh als ihm. Aber sie brachte ihn aus dem Gleichgewicht, sodass aus seinem Vorwärtsstürmen abermals ein ungeschicktes Stolpern wurde und auch sein zweiter, kraftvoll geführter Schwerthieb ins Leere ging. Ihre Mutter strauchelte ebenfalls, drohte das Gleichgewicht zu verlieren und fing sich im allerletzten Moment dann wieder, indem sie ihr ungeschicktes Torkeln in eine zwar wenig anmutige, aber ungemein wirkungsvolle Bewegung verwandelte, mit der sie sich herumwarf und sich ihrem Gegner erneut zuwandte.

Arri hörte, wie die ungleichen Waffen der beiden noch ungleicheren Gegner aufeinander prallten, aber sehen konnte sie es nicht. Ihr wurde schwarz vor Augen. Ihr Knie schmerzte entsetzlich, und ihr wurde so übel, dass sie befürchtete, sich übergeben zu müssen. Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte sie den Brechreiz nieder, wälzte sich wimmernd auf die unverletzte Seite und sah zu ihrer Mutter.

Im ersten Moment war sie erleichtert, denn es sah zumindest so aus, als wäre die Verletzung ihrer Mutter nicht so schwer, wie es den Anschein gehabt hatte: Lea kämpfte nun wieder mit zwei Gegnern gleichzeitig, denn auch der zweite Krieger, den sie zu Boden geschleudert hatte, war wieder auf die Füße gekommen und stand seinem Kameraden bei, und ihre Bewegungen waren so flüssig und kraftvoll, dass sie eher ein Tanz zu sein schienen als ein Kampf auf Leben und Tod.

Doch Arris Erleichterung hielt kaum einen Atemzug lang an. Als Lea einen Schwerthieb eines der beiden Männer parierte und sich dabei einmal blitzartig um sich selbst drehte, um einem zweiten, heimtückisch geführten Stich des anderen auszuweichen, sah sie, dass ihr Rücken blutüberströmt war. Kleid und Umhang hingen schwer und nass an ihr herab, und auch an ihren Beinen lief etwas hinunter, das in der Dunkelheit wie schwarzes Wasser aussah. Ihre Mutter mochte den beiden Männern durchaus gewachsen sein, vermutlich sogar überlegen - doch dieser Blutverlust musste sie binnen weniger Augenblicke schwächen, sodass sie diesen Kampf ganz bestimmt nicht lange durchhalten würde.

Mit zusammengebissenen Zähnen wälzte sich Arri weiter herum, stemmte sich halb in die Höhe und versuchte, den bohrenden Schmerz in ihrem Knie so weit zurückzudrängen, dass sie aufstehen konnte. Es gelang ihr, wenn auch nur mit äußerster Anstrengung, und sie spürte sofort, dass sie allenfalls dazu in der Lage sein würde zu humpeln, auf gar keinen Fall aber zu laufen - oder gar in den Kampf einzugreifen und ihrer Mutter zu helfen!

Mühsam drehte sie sich um und suchte nach dem Schwert, das der Krieger zuvor beim Angriff auf sie in den Boden gerammt hatte. Es spielte keine Rolle, ob sie mit der Waffe umgehen konnte oder nicht - wenn sie nicht innerhalb der nächsten wenigen Augenblicke in den Kampf eingriff und wenigstens einen der Krieger ablenkte, und sei es nur kurz, dann war es vorbei. Es spielte nicht einmal eine Rolle, ob sie bei dem Versuch ihr Leben verlor oder nicht. Wenn ihre Mutter unterlag, dann war es um sie ebenfalls geschehen.

Sie entdeckte die Waffe nur wenige Schritte entfernt, wo sie noch genau so im Boden steckte, wie sie sie zurückgelassen hatte. Von ihrem Besitzer war keine Spur zu sehen, aber Arri verschwendete nur einen flüchtigen Gedanken an ihn; wahrscheinlich war er davongekrochen, um seine Wunden zu lecken. Wimmernd humpelte sie los.

Das Schwert steckte so tief im Boden, dass sie mit beiden Händen zugreifen musste, um es herauszuziehen, und als die Waffe endlich frei kam, geschah das mit einem so plötzlichen Ruck, dass sie nach hinten stolperte, das Gleichgewicht verlor und stürzte. Diesmal war der Schmerz in ihrer Hand und dem Knie so grausam, dass sie gellend aufschrie und das Schwert wieder fallen ließ. Sie verlor nicht das Bewusstsein, glitt aber für endlose Momente durch pure Trübheit ohne äußere Eindrücke und Gedanken, und die Verlockung, einfach loszulassen und auf den Grund des schwarzen Sees zu sinken, der sich in ihr auftat, wurde beinahe übermächtig.

Ein gellender Schrei schnitt wie ein Messer durch die schwarzen Spinnweben, die ihre Gedanken einhüllten.