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»Das genügt!«, schrie Sarn plötzlich. Er stampfte mit seinem Stab auf, um sich Gehör zu verschaffen, doch der weiche Boden verdarb ihm den Effekt, da er den Laut nahezu völlig verschluckte.

»Aufhören!«, rief er noch einmal, und jetzt so laut, dass seine Stimme selbst das Klirren der Schwerter und die keuchenden Atemzüge der Kämpfenden übertönte.

Tatsächlich ließen die drei Krieger für einen Moment von Lea ab und wichen zurück, und auch Lea ließ ihren Schwertarm erschöpft sinken. Sie taumelte. Das Gras, auf dem sie stand, hatte sich dunkel von ihrem eigenen Blut gefärbt und war schlüpfrig geworden, sodass sie rasch zwei, drei Schritte zurückwich, bis sie wieder einen festen Stand hatte und den Abstand zwischen sich und ihren Gegnern damit deutlich vergrößerte. Ihr Gesicht glänzte vor Schweiß, und ihr Blick irrte zwischen den drei Männern und Sarn hin und her. Die Entfernung war zu groß, als dass Arri den Ausdruck auf ihrem Gesicht hätte erkennen können, aber sie sah, wie erschrocken ihre Mutter zusammenfuhr, als sie den Schamanen erblickte, und dann noch einmal und deutlich heftiger, als sie Arris Blick begegnete und den Fischer bemerkte, der hinter ihr stand und sie festhielt.

»Aufhören, habe ich gesagt!«, sagte Sarn noch einmal und stampfte abermals mit seinem Stab auf. Wie um ihn zu verhöhnen, verschluckte der Boden den Laut nun gänzlich, was Sarns Zorn noch zu schüren schien. »Es ist genug! Leg das Schwert weg!«

Lea schwieg endlose Augenblicke lang. Sie senkte die Waffe tatsächlich noch ein Stückchen weiter, bis die Spitze der langen, blutbefleckten Klinge den Boden berührte, aber dann hob sie sie wieder und machte eine trotzig-auffordernde Bewegung in Richtung der drei Krieger. »Schick deine Handlanger ruhig her, Sarn«, sagte sie herausfordernd. »Ich bin mit den Ersten fertig geworden, und diese hier schaffe ich auch noch.« Sie lachte laut und hart. Aber nun war es ihre Stimme, die ihr die beabsichtigte Wirkung verdarb. Arri war sicher, dass sie nicht die Einzige war, der das Zittern darin auffiel. »Sehr viele Krieger hast du ja nicht mehr, wenn ich richtig gezählt habe. Willst du es wirklich darauf ankommen lassen?«

Sarn zog eine wütende Grimasse, und auch Rahn, der immer noch hinter ihr stand, fuhr spürbar zusammen. Sein Griff lockerte sich, aber nicht weit genug, dass Arri es wagte, sich loszureißen. Noch nicht.

»Ich habe es dir gesagt.« Rahn klang angespannt. Sein Griff lockerte sich weiter. »Es war ein Fehler, sie anzugreifen. Wir hätten...«

»Schweig!«, fiel ihm Sarn ins Wort. Lauter und nun wieder an Lea gewandt, fuhr er fort: »Ich sage es dir nicht noch einmal!«

»Was?«, gab Lea in bewusst abfälligem Ton zurück. Sie lachte - diesmal klang es fast überzeugend -, machte zwei schnelle Schritte auf die Krieger zu und ließ das Schwert dabei mit einer ruckartigen Bewegung durch die Luft schnellen, mit der sie das Blut von der Klinge schleuderte. Sie befand sich noch immer weit außerhalb der Reichweite der drei Krieger. Trotzdem fuhren die Männer erschrocken zusammen, und zumindest der verletzte Mann zog sich hastig um die gleiche Entfernung zurück, um die sie sich ihm genähert hatte.

»Lass uns einfach gehen, Sarn«, fuhr sie fort. »Das ist es doch, was du von Anfang an wolltest, und ich gebe sogar zu, dass du Recht hattest und ich im Irrtum war. Wir hätten niemals hierher kommen sollen. Lass uns in Frieden ziehen, und niemandem wird ein Leid geschehen.«

Sarn wirkte regelrecht verblüfft, aber dann verdunkelte ein Ausdruck schierer Wut sein Gesicht. Er schüttelte heftig den Kopf. »Dazu ist es zu spät. Du hast die Götter lange genug erzürnt. Jetzt verlangen sie ihre Opfer!«

»Lass mich raten«, sagte Lea spöttisch. »Es besteht nicht zufällig darin, dass ich dir meine Geheimnisse verrate?«

»Von deinen Hexenkünsten will ich nichts wissen«, sagte Sarn scharf. »Du hast schon viel zu lange und viel zu viel Schaden damit angerichtet. Die Götter sind erzürnt. Sie verlangen nach Blut.«

Lea kam zwei Schritte näher, blieb wieder stehen und hob das Schwert nun mit beiden Händen vor das Gesicht, indem sie seine Spitze mit der Linken stützte. Ihr Blick glitt scheinbar nachdenklich über die schlanke, selbst in der Nacht noch wie ein Blitz aus gefangenem Sonnenlicht schimmernde Klinge. »Blut?«, fragte sie lächelnd. »Nun, wie es scheint, haben sie ja schon etwas davon bekommen. Möchtest du, dass ich noch mehr davon vergieße? Vielleicht ein wenig von deinem?«

Arri fragte sich, was ihre Mutter da überhaupt tat. Sie spielte auf Zeit, das war klar - aber gerade Zeit war das, was sie am allerwenigsten hatte. Ihr Kleid hatte sich über der linken Seite mittlerweile vollkommen dunkel von ihrem eigenen Blut gefärbt, und wie ihr Rücken aussah, dass wagte sich Arri lieber gar nicht erst vorzustellen. Mit jedem Atemzug, den sie ungenutzt verstreichen ließ, musste sich das Kräfteverhältnis mehr zu ihren Ungunsten verschieben. Warum also tat sie das?

»Wenn du sterben willst, dann ist das deine Entscheidung«, sagte Sarn hart. »Ich werde zu den Göttern beten, dass sie dein Leben verschonen, und es sind großzügige Götter, die meine Stimme erhören werden. Aber nur, wenn du mit diesem sinnlosen Morden endlich aufhörst.«

Nicht nur Arri verschlug diese Unverschämtheit regelrecht die Sprache; auch Lea riss überrascht die Augen auf und starrte den Dorfältesten einfach nur fassungslos an. Dann aber ließ sie das Schwert ganz langsam wieder sinken, entspannte sich und machte einen weiteren Schritt, um sofort wieder stehen zu bleiben. Sie war jetzt fast in Reichweite der beiden Krieger.

»Woher weiß ich, dass ich dir trauen kann?«, fragte sie misstrauisch.

»Du wagst es, an meinem Wort zu zweifeln?«, keuchte Sarn. »Du...«

»Nein, nur an dem deiner Götter, alter Mann«, fiel ihm Lea spöttisch ins Wort. Sarn fuhr zusammen und wurde noch blasser, und Lea schüttelte den Kopf, ließ das Schwert noch weiter sinken und fügte in nachdenklichem Tonfall hinzu: »Dann gibst du mir also dein Wort, dass meiner Tochter und mir nichts geschieht?« Sie machte eine flatternde Bewegung mit der freien linken Hand, und eine Spur winziger Blutstropfen, die von ihren Fingern ins Gras fielen, zeichnete sie dunkel und glitzernd auf dem Boden nach. »Hier, vor all diesen Männern?«

Sarn sah aus, als träfe ihn jeden Moment der Schlag. Er presste die Kiefer so fest aufeinander, dass Arri meinte, seine wenigen verbliebenen Zähne knirschen zu hören, und seine rechte Hand umschloss den Stab mit solcher Kraft, als wollte er ihn zerbrechen. »Ich verspreche dir, dass dir und deiner Tochter nichts geschieht, bevor ich nicht die Götter gefragt und sie über euer Schicksal entschieden haben«, sagte er gepresst.

Einen Moment lang stand Lea noch immer völlig reglos und mit unverändertem Gesichtsausdruck da, dann seufzte sie tief, und nicht nur Arri konnte regelrecht sehen, wie alle Kraft aus ihrem Körper wich. Ihre Schultern sanken nach vorne, und sie setzte die Schwertspitze auf die Erde, als wäre die Waffe plötzlich zu schwer geworden, um sie noch zu halten, und als müsste sie sich mit einem Male darauf stützen, wie Sarn auf seinen Stab. »Also gut«, murmelte sie.

Arri konnte sehen, wie sich die beiden Krieger vorsichtig entspannten, und auch Sarn selbst wirkte zwar kein bisschen weniger wütend, aber nun doch eindeutig erstaunt - und eine winzige Spur erleichtert. Augenscheinlich traute er seinen Kriegern doch nicht so viel zu, wie er vorgab.

»Du hast mein Wort«, sagte er. »Und Sarns Wort zählt.«

»Gut«, sagte Lea erleichtert. »Meines nämlich nicht.« Und damit machte sie einen weiteren schnellen Schritt zur Seite, und ihr Schwert vollzog die Bewegung blitzschnell und in einem weit ausholenden Bogen nach und bohrte sich fast bis ans Heft in den Leib des Mannes, gegen den Arri vorhin gekämpft hatte.

Noch während er in die Knie sank und die Hände vor dem Leib zusammenschlug, um seine Eingeweide daran zu hindern, ihm auf die Füße zu fallen, wirbelte sie herum, schwang ihre Klinge in Richtung des zweiten Kriegers und verwandelte die Bewegung in einen weiten, unglaublich hohen Sprung, an dessen Ende ihre Füße mit solcher Wucht vor der Brust des dritten Mannes landeten, dass der Krieger mit haltlos rudernden Armen nach hinten stolperte und schwer ins Gras fiel. Auch Lea stürzte, kam mit einer katzenhaften Bewegung wieder auf die Füße und warf sich unverzüglich auf den letzten noch stehenden Krieger. Der Mann - es war der, den sie vorhin schon am Arm verletzt hatte - war hastig zurückgesprungen, um ihrem Schwertstoß zu entgehen. Jetzt riss er ungeschickt seine eigene Waffe in die Höhe, und es war wohl nur reines Glück, dass er Leas blitzartigen Schwertstoß damit noch einmal parierte.