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Ihre unerschütterliche Fröhlichkeit ließ Dragosz’ Ummut offensichtlich wachsen. »Sie warten auf uns, dort unten im Tal«, bestätigte er. »Dein Freund, der Fischer, behauptet, es wäre alles in Ordnung. Aber ich traue ihm nicht.«

»Warum nicht?«, wollte Arianrhod wissen.

»Nur so ein Gefühl«, grollte Dragosz. »Zwei meiner Männer sind bei ihnen. Die anderen sind auf dem Weg hierher. Wir müssten noch vor Sonnenuntergang zu ihnen stoßen, wenn wir uns beeilen.«

»Dann sollten wir das auch tun«, sagte Lea, und Dragosz nickte, schüttelte aber auch fast gleichzeitig den Kopf. »Ja. Lass mich nur einen Moment ausruhen und einen Schluck Wasser trinken - und meine Kräfte sammeln, bevor ich mich wieder auf den Rücken dieses... Tieres setzte.« Er stockte unmerklich, und Arianrhod hatte das sichere Gefühl, dass er eigentlich etwas ganz anderes hatte sagen wollen, es aber dann doch nicht gewagt hatte. In Leas Augen blitzte es noch einmal amüsiert auf, und Dragosz schenkte ihr einen weiteren finsteren Blick, bevor er einfach an ihr vorbeiging und einen umgestürzten Baum ein paar Schritte entfernt ansteuerte, um sich mit einem übertrieben erschöpften Seufzen darauf niedersinken zu lassen.

Arianrhod und ihre Mutter folgten ihm. Lea nahm neben ihm auf dem Baumstamm Platz, wenn auch in ziemlich großem Abstand, während Arianrhod einen Moment lang unschlüssig stehen blieb und dann weiterging, um die beiden Pferde anzusteuern.

Sturmwind beäugte sie misstrauisch, während der Hengst erfreut schien, sie zu sehen. Er kam auf sie zu, schnaubte leise und stieß sie dann sanft mit seiner weichen Schnauze an. Durch seine große Kraft stolperte Arianrhod dennoch einen halben Schritt zurück, bevor sie sich mit heftig rudernden Armen wieder fing, dann aber musste sie lachen und streichelte Nachtwinds Hals, bevor er seine Aufforderung wiederholte und sie möglicherweise wirklich zu Boden schleuderte. Und beinahe als geschähe es ohne ihr Zutun, fand sich Arianrhod mit einem Male auf seinem Rücken wieder. Diesmal saß sie richtig, nicht schon halb auf seinem Hals, wie sie es hatte tun müssen, als sie vor ihrer Mutter Platz genommen hatte, sondern genau in derselben Stellung wie Lea, und ihre Hände suchten fast wie von selbst nach dem geflochtenen Lederriemen, der als Zügel diente.

Der Hengst drehte überrascht den Kopf und sah sie an, dann machte er einen vorsichtigen Schritt, dann noch einen, und schließlich verfiel er in einen - sehr langsamen - Trab, der sie weiter auf die Hügelkuppe zutrug. Arianrhod war viel zu überrascht von dem, was sie gerade getan hatte, und auch ein bisschen berauscht von diesem wunderschönen Moment, um sehr viel von ihrer Umgebung wahrnehmen zu können, aber sie registrierte dennoch, wie Dragosz erschrocken hochspringen wollte und ihre Mutter ihm rasch die Hand auf den Unterarm legte und ihn zurückhielt. Dann war sie an ihnen vorbei, und der Hügelkamm kam immer näher, und plötzlich erinnerte sie sich wieder daran, wie steil das Gelände auf der anderen Seite abgefallen war. Sie hatte keine Ahnung, wie man den Hengst zum Stehen bleiben bewegte.

Aber ihre Sorge erwies sich als unbegründet. Unmittelbar vor der Hügelkuppe machte Nachtwind kehrt, trabte zu Dragosz und ihrer Mutter zurück und blieb stehen.

»Siehst du?«, sagte Lea, zwar zu Arianrhod hinaufsehend und mit einem stolzen Lächeln auf dem Gesicht, aber an Dragosz gewandt, »das habe ich gemeint, Dragosz. Meine Tochter hat das Geheimnis bereits erkannt.«

»Sie ist ja auch die Tochter einer Zauberin«, antwortete Dragosz böse. Aber eigentlich, fand Arianrhod, klang er eher verwirrt und ein ganz kleines bisschen vielleicht auch... ängstlich?

Sie wollte absteigen, aber Lea machte eine rasche, abwehrende Bewegung und stand ihrerseits auf. »Nein, bleib, wo du bist. Es wird sowieso Zeit, dass wir weiterreiten. Zum Herumalbern haben wir noch Zeit genug, wenn wir erst in Sicherheit sind.«

Sie schwang sich mit einer raschen Bewegung zu Arianrhod herauf auf den Rücken des Pferdes, nahm ihr die Zügel aus der Hand und winkte Dragosz heran. »Hätte ich gewusst, dass du das Reiten so schnell lernst, dann hätte ich Morgenwind gleich mitgebracht«, sagte sie, während sie sich wieder auf den Weg machten.

»Morgenwind?« Arianrhod richtete sich kerzengerade auf und versuchte, über die Schulter hinweg ins Gesicht ihrer Mutter zu sehen. »Sie ist... ist hier? Ihr habt sie mitgebracht?«

»Unten bei Rahn und den anderen«, bestätigte Lea. »Wir haben sie nicht mitgebracht. Sie ist uns gefolgt, als wir Nachtwind und Sturmwind geholt haben. Ich hatte gehofft, dass sie uns auch weiter begleitet und ich dir später, wenn wir in Sicherheit und bei Dragosz’ Leuten sind, in aller Ruhe das Reiten beibringen kann. Aber das wird wohl kaum noch nötig sein. Sobald wir unten im Tal sind, werde ich ein Zaumzeug für dich anfertigen, und du kannst allein reiten.«

»Auf Morgenwind?«, fragte Arianrhod hoffnungsvoll. Ihr Herz klopfte, als sie an die prachtvolle Stute dachte, mit der sie so oft gespielt hatte. Doch ihre Mutter schüttelte den Kopf.

»Du wirst Nachtwind nehmen«, sagte sie. »Morgenwind ist noch nie geritten worden, weißt du? Ein Pferd muss genauso lernen, geritten zu werden, wie ein Mensch lernen muss, es zu reiten. Ich werde sie nehmen. Falls sie noch da ist«, fügte sie mit einem leisen Seufzen hinzu, »und Rahn und die anderen Dummköpfe sie nicht inzwischen aufgegessen haben.«

Arianrhod starrte sie regelrecht entsetzt an, und ihre Mutter lachte leise. »Das war ein Scherz.«

»Und wenn nicht, dann schneide ich ihm eigenhändig die Kehle durch«, sagte Arianrhod, und das war kein Scherz.

35

Noch bevor sie auch nur den halben Weg ins Tal hinab zurückgelegt hatten, kamen Arianrhod doch ernsthafte Zweifel, was ihre angebliche Begabung zum Reiten anging; und das, was ihre Mutter darüber gesagt hatte. Es fiel ihr immer schwerer, sich auf Nachtwinds Rücken zu halten, und auch ihre Mutter hatte damit zu kämpfen, nicht stetig nach vorn zu rutschen. Mehr als einmal fand sich Arianrhod tatsächlich fast auf dem Hals des Hengstes sitzend vor, und Dragosz, der anfangs hinter ihnen geritten war, bis Lea den Hengst für einen Moment anhalten ließ, damit er sich neben sie setzen konnte, begann zuerst leise, dann immer lauter und ununterbrochen zu fluchen.

Sturmwind machte es ihm aber auch wirklich nicht leicht. Die beiden Pferde hatten Mühe, auf dem abschüssigen und noch dazu mit lockerem Geröll und Sand bedeckten Boden nicht ins Straucheln zu geraten, aber sie bewegten sich gleichzeitig auch sehr vorsichtig. Der Weg nach unten, das spürte Arianrhod einfach, war nicht wirklich gefährlich, sondern einfach nur mühsam. Aber sie hatte das Gefühl, dass sich die Stute absichtlich ungeschickt anstellte, um es ihrem Reiter so unbequem wie nur möglich zu machen.

Dann hatten sie den Hang auch schon hinter sich gelassen, und schon nach wenigen Augenblicken hatte Dragosz mit ihnen gleichgezogen. »Es ist jetzt nicht mehr weit«, rief er. Er deutete mit einer Kopfbewegung auf einen grünen Klecks, den Arianrhod von der Höhe des Hügelkamms aus für ein Gebüsch gehalten hatte. Jetzt sah sie, dass es eine kleine Baumgruppe war, gerade noch an der Grenze dessen, dass man es nicht wirklich einen Wald nennen konnte. »Dorthin müssen wir.«

Lea blickte einen Moment lang konzentriert in die bezeichnete Richtung. »Ich sehe nichts.«

»Deshalb nennt man es ja auch ein Versteck«, antwortete Dragosz spöttisch. »Ein Versteck, in dem man jeden sofort sieht, ist keines.«

Sie ritten so schnell, dass der Wald geradezu heranzufliegen schien. Arianrhods Blick suchte aufmerksam die Schatten zwischen den Bäumen ab, versuchte einen Umriss auszumachen, der nicht dorthin gehörte, eine Bewegung, die nicht sein sollte, aber sie entdeckte nichts. Wenn Rahn und die anderen tatsächlich dort vorne auf sie warteten, dann hatten sie sich sehr gut versteckt.