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Auch was sie über die Schmiede prophezeit hatte, erwies sich als nur zu wahr: Rahn rührte keinen Finger, um sie wieder aufzubauen, und verbrachte den Großteil seiner Zeit damit, am Waldrand herumzulungern und Leas Hütte zu beobachten; das Fischen hatte er offensichtlich ganz aufgegeben und den Einbaum auf Dauer trockengelegt, was mehr als merkwürdig war, da Sarn so etwas unter gewöhnlichen Umständen niemals geduldet hätte. Im Dorf herrschte eine sonderbare Stille, was aber vielleicht an der Jahreszeit lag. Alles, was auch nur halbwegs gehen und krauchen konnte und zu keinen anderen Arbeiten eingeteilt war, machte sich den Rücken mit der Ernte der letzten Felder krumm, die - Arris Mutter sei Dank - auch dieses Jahr wieder prächtig ausfallen würde. Nur ein einziges Mal kam Lea mit finsterem Gesicht aus dem Dorf zurück. Sie sagte nichts, aber sie strahlte einen solchen Zorn aus, dass Arri auch nicht fragen musste, um zu wissen, dass sie wieder einmal mit Sarn gestritten hatte.

Am dritten Morgen weckte sie ihre Mutter ungewöhnlich früh - noch deutlich vor Sonnenaufgang - und auf noch ungewöhnlichere Weise: Was sie weckte, war Leas Hand, die sich auf ihren Mund legte, und das Erste, was sie sah, als sie müde die Augen öffnete, war Leas andere Hand, deren ausgestreckter Zeigefinger über ihren Lippen lag und ihr auf diese Weise bedeutete, möglichst still zu sein. Arri deutete mit den Augen ein Nicken an, und ihre Mutter zog die Hand zurück, sodass sie wenigstens wieder atmen konnte, gab ihr aber mit einem Wink der anderen Hand noch einmal zu verstehen, dass sie nur keinen Laut machen solle.

Arri stemmte sich umständlich auf die Ellbogen hoch und drehte unwillkürlich den Kopf, um nach Achk zu schauen. Der blinde Schmied lag zusammengerollt auf seiner Matratze am anderen Ende des Zimmers und schnarchte so laut, dass sich Arri fast wunderte, nicht allein davon wach geworden zu sein. Aber das musste nichts bedeuten. Schließlich hatte sie selbst erlebt, dass Achk ganz offensichtlich gleichzeitig zuhören und schnarchen konnte.

Lautlos stand sie auf, schlüpfte in ihre Kleider und folgte ihrer Mutter. Lea hielt den Muschelvorhang zurück, damit es kein verräterisches Geräusch gab - Arri hatte niemals gelernt, so lautlos hindurchzuschlüpfen wie sie -, winkte ihr jedoch nur ungeduldig zu, als sie stehen bleiben und ihr einen fragenden Blick zuwerfen wollte. Erst als sie sich ein gutes Stück von der Hütte entfernt hatten - sicher aus der Hörweite der scharfen Ohren eines Blinden, schätzte Arri -, blieb sie wieder stehen. Sie wirkte übernächtigt und fahrig, als hätte sie in der zurückliegenden Nacht kein Auge zugetan, und Arri fiel erst jetzt auf, dass sie nicht nur ihr Schwert umgebunden hatte, sondern auch ihren warmen Kapuzenumhang trug.

»Was ist los?«, begann sie. »Ist etwas geschehen?«

»Nein«, antwortete Lea, eine Spur zu hastig für Arris Empfinden, und auch der schuldbewusste Ausdruck auf ihrem Gesicht besagte etwas anderes. Nach einem Moment zuckte sie unglücklich mit den Schultern und schränkte selbst ein: »Jedenfalls nichts Schlimmes. Ich... wollte dir nur etwas sagen.«

»Und das ist so geheim, dass du mich mitten in der Nacht aus der Hütte schleifen musst«, murmelte Arri verschlafen.

Lea warf einen bezeichnenden Blick in den Himmel hinauf. »Es ist zwar noch eine Weile hin bis Sonnenaufgang«, verbesserte sie sie, »aber nicht mitten in der Nacht. Und es ist nicht so geheim. Ich wollte Achk nur nicht wecken, das ist alles.«

»Wie rücksichtsvoll von dir«, sagte Arri spöttisch. »Wo er doch ein so lieber Gast ist, den man gar nicht mehr missen möchte.«

»Er ist vor allem ein alter Mann, der schon zu viele Enttäuschungen erlitten hat«, antwortete Lea ernst. »Noch eine weitere würde er vielleicht nicht verkraften. Deshalb ist es besser, wenn er nicht erfährt, was ich vorhabe.«

»Und was wäre das?«, fragte Arri. Das ungute Gefühl in ihr wuchs im gleichen Maße, in dem sie richtig wach wurde und sich ihre Gedanken klärten. Sie war nicht einmal sicher, ob sie die Antwort auf ihre eigene Frage überhaupt hören wollte.

»Ich muss für ein paar Tage weg«, antwortete Lea und fügte hastig hinzu: »Nicht allzu lange, keine Angst. In spätestens fünf, sechs Tagen bin ich zurück.«

Nein, diese Antwort hatte sie wirklich nicht hören wollen; aber sie war im Grunde nicht einmal überrascht. Ihre Mutter hatte zwar versprochen, dafür zu sorgen, dass sie bis zum Frühjahr hier bleiben konnten, aber vielleicht glaubte sie ja selbst nicht daran und machte sich jetzt trotz aller gegenteiligen Bedenken daran, eine andere Bleibe für sie zu suchen. »Ich soll mich also die nächsten Tage um Achk kümmern...«, begann Arri aufgebracht.

»Nicht allein«, unterbrach Lea sie hastig und im Tonfall einer Verteidigung. »Rahn wird dir helfen. Und auch Kron wird dann und wann vorbeischauen und dir zur Hand gehen, wenn es sein muss.«

»Wenigstens zu einer Hand«, schimpfte Arri. »Wo willst du hin?«

»Das Feuer hat alles zerstört«, antwortete Lea. »Achks Werkzeug, sein Erz, der Blasebalg... es ist alles weg. Jemand muss Ersatz besorgen.«

Arri starrte ihre Mutter vollkommen fassungslos an. »Was soll das? Haben wir nichts Wichtigeres zu tun, als dafür zu sorgen, dass das Dorf wieder einen Schmied bekommt?«

»Ich wüsste nicht, was im Augenblick wichtiger wäre«, sagte ihre Mutter kühl. »Ich werde jedenfalls alles daran setzen, meine - und damit auch deine! - Position bis zum Wintereinbruch zu stärken.«

»Und dabei sollen dir ausgerechnet die zänkischen beiden Männer helfen?«, fragte Arri ungläubig. »Hast du vergessen, was beim letzten Mal geschehen ist?«

»Nein, dass habe ich nicht, genauso wenig wie Sarn, der mit Sicherheit die Finger dabei im Spiel hatte.« Lea warf einen unruhigen Blick in die Runde, als fürchte sie, jemand könne sie belauschen. »Vielleicht hast du es noch nicht gemerkt: Aber ich liefere mir einen erbitterten Kampf mit Sarn. Er will meine Position schwächen und ich sie stärken. Und letztlich geht es dabei um Nors Bedingung - und darum, dass ihn unser umtriebiger Schamane in diesem Punkt voll und ganz unterstützt. Es geht...«

»Um mich«, beendete Arri den Satz ärgerlich. »Das habe ich schon verstanden.«

Ihre Mutter brachte das Kunststück fertig, gleichzeitig zu nicken und den Kopf zu schütteln. »Nicht nur um dich. Vielmehr um mein Schwert und alles, was damit zusammenhängt.« Sie wischte den nächsten Einwand Arris mit einer ungeduldigen Handbewegung beiseite. »Lass mich nur machen. Ich habe einen Plan, und wenn der gelingt, dürfte es Nor kaum gelingen, uns in die Knie zu zwingen.«

»Das ist ja alles schön und gut«, meinte Arri, »aber warum musst du selbst weggehen? Warum kann Rahn das nicht machen, wie das letzte Mal?«

»Weil es nicht wie das letzte Mal ist.« In Leas Stimme war jetzt ein leicht ungeduldiger Klang, den Arri nur zu gut kannte. Dennoch beherrschte sie sich. »Das letzte Mal musste er nur ein paar Brocken Kupfererz, etwas Zinn und das notwendigste Werkzeug besorgen, und selbst da hat er so ziemlich alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann.« Sie schüttelte bekräftigend den Kopf. »Es ist nichts mehr davon da. Die Schmiede muss von Grund auf neu eingerichtet werden. Ich bin selbst nicht ganz sicher, dass ich dieser Aufgabe gewachsen bin. Rahn wäre jedenfalls hoffnungslos überfordert. Nein - ich muss selbst gehen.«

»Dann komme ich mit!«

»Das geht nicht«, erwiderte Lea. »Die Reise wäre viel zu anstrengend - und gefährlich. Und du würdest mich nur aufhalten. Ich bin viel schneller, wenn ich allein gehe.«

»Du willst sagen, dass ich dir lästig wäre?«

Sowohl Leas Stimme als auch ihr Gesicht wurden um mehrere Grade kühler. »Ich will sagen, dass ich keine Lust habe, mich mit dir auf irgendwelche Wortklaubereien einzulassen, Arianrhod.« Ihre linke Hand schmiegte sich um den Schwertgriff in ihrem Gürtel. »Du wirst hier bleiben«, fuhr sie in bestimmtem Ton fort. »Rahn wird dich beschützen, keine Angst.«