Выбрать главу

»Lass das«, sagte sie noch einmal, aber ihr Atem ging plötzlich schneller, sodass sie Mühe hatte, mit normaler Stimme zu sprechen, was Rahn natürlich nicht verborgen blieb. Statt es zu lassen, wurde seine Hand im Gegenteil immer mutiger, glitt weiter an ihrem Hals hinab und über ihre Schulter bis zu ihrer Brust, die sich unter der Berührung zu spannen schien. Die Wärme in Arris Schoß zerbarst zur lodernden Glut eines Waldbrands im Hochsommer, und Arri presste mit aller Kraft die Lippen aufeinander, um ein Seufzen zu unterdrücken. Es war ganz gleich, was sie tat, so lange Achk es nicht hörte.

»Deine Mutter ist eine sehr kluge Frau«, fuhr Rahn fort. »Manchmal frage ich mich, ob sie nicht vielleicht zu klug ist.«

»Wie meinst du das?«, fragte Arri.

»Vielleicht ist es hin und wieder besser, die Dinge einfach als das zu nehmen, was sie sind, und nicht hinter allem und jedem ein Geheimnis zu vermuten.« Rahns Hand strich ihr liebkosend über die Wölbung ihrer Bluse, und Arri schloss für einen Moment die Augen und sammelte Kraft, um seinen Arm wegzuschieben. Etwas in ihr wollte es nicht einmal. Sie musste aufpassen, dass sie nicht selbst in die Falle tappte, die sie für Rahn aufgestellt hatte.

Und es wurde Zeit, sie zuschnappen zu lassen.

»Lass das«, sagte sie noch einmal, jetzt in hörbar schärferem Ton, aber noch immer lächelnd und ihn dabei auf eine herausfordernde Art ansehend, die ihn offensichtlich vollkommen verwirrte, aber keineswegs entmutigen konnte. »Gerade hast du noch gesagt, dass meine Mutter viel hübscher ist als ich.«

»Es gibt verschiedene Arten von Schönheit«, antwortete Rahn. Seine Hand ließ ihre Brust tatsächlich los, aber nur, um langsam, aber zielstrebig über ihren Leib und weiter nach unten zu wandern, und Arri folgte der Bewegung mit gerunzelter Stirn und einem Ausdruck gespielter kindlicher Verwirrung.

»Meine Mutter bringt dich um, wenn sie davon erfährt«, fuhr sie fort. Unauffällig warf sie einen weiteren Blick auf das andere Bett. Achk schnarchte unverdrossen weiter, und er spielte noch immer den Schlafenden, beging dabei aber denselben Fehler, den fast jeder begeht, der zu sehr darauf bedacht ist, sich schlafend zu stellen: Er bewegte sich gar nicht mehr.

»Sie muss es ja nicht erfahren«, antwortete Rahn. Seine Hand hatte den Saum ihres Rockes mittlerweile erreicht und versuchte, darunter zu schlüpfen, und Arri setzte sich rasch auf, schlug seinen Arm mit einer - wie er annehmen musste - spielerischen Bewegung zur Seite und zog die Beine an den Körper, um die Knie mit den Armen zu umschlingen.

»He!«, sagte Rahn. »Stell dich nicht so an.« Auch er richtete sich auf und versuchte erneut und diesmal eindeutig fordernd nach ihr zu greifen, doch Arri kam ihm zuvor. Mit einer einzigen, fließenden Bewegung sprang sie auf, holte aus und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht; fest und so schnell, dass er den Hieb vermutlich nicht einmal kommen sah. Noch bevor er reagieren konnte, wich sie rasch zwei, drei Schritte zurück und sagte noch einmal und in schärferem Ton, in den sie ganz bewusst einen sachten Unterton von Panik zu legen versuchte: »Lass das! Rühr mich nicht an! Ich will das nicht!«

Rahn hatte unwillkürlich die rechte Hand auf die Wange gepresst, wo ihn ihr Schlag getroffen hatte, schien aber darüber hinaus nicht einmal zu begreifen, was überhaupt geschah. Er glotzte sie einfach nur an. Arri machte zwei weitere stolpernde und trampelnde Schritte rückwärts, bis sie mit einem hörbaren Poltern gegen die Wand neben der Tür stieß, keuchte laut und griff dann mit beiden Händen nach dem Saum ihres Rockes. Sie zerrte mit aller Kraft, und der Stoff zerriss mit einem hellen Geräusch fast bis zum Knie hinauf.

»Nein!«, keuchte sie. »Rahn, bitte nicht!«

Endlich hatte der Fischer seine Überraschung überwunden, wenigstens weit genug, um die Hand herunterzunehmen und gleichzeitig aufzustehen. Er kam auf sie zu, aber langsam und noch immer mit einem Ausdruck vollkommener Verständnislosigkeit auf den Zügen, und Arri wartete gerade lange genug ab, bis er auf Armeslänge heran war, dann trat sie seinerseits blitzschnell auf ihn zu und versetzte ihm einen Stoß; genau auf die Art, die ihre Mutter ihr gezeigt hatte: schnell und hart, mit den flachen Händen und die Finger steif nach oben gerichtet, legte sie alle Kraft in ihre Unterarme und drückte die Ellbogen so wuchtig durch, wie es ging. Wäre Rahn auf den Angriff vorbereitet gewesen, hätte er ihm zweifelsohne widerstehen können, denn Arri war sehr wohl bewusst, dass sie nicht annähernd so schnell war, wie sie geglaubt hatte, und ihr Stoß nicht einmal den Bruchteil der Kraft hatte, den er eigentlich hätte haben müssen. Aber Rahn sah den Angriff nicht kommen.

Er war vollkommen unvorbereitet und schien immer noch nicht wirklich zu begreifen, was sie tat. Vielleicht hielt er all dies sogar noch für den Teil eines neckischen Spiels, das sie mit ihm spielen wollte. Ihre Handflächen trafen seine nackte Brust mit einem hörbaren Klatschen, und er stolperte zurück, ruderte zwei, drei Mal hilflos mit den Armen und fiel dann der Länge nach auf den Rücken. Arri fuhr auf dem Absatz herum und stürmte durch die Tür, noch bevor das dumpfe Poltern seines Sturzes ganz verklungen war, aber sie warf trotzdem noch einen Blick über die Schulter zurück und stellte erleichtert fest, dass Achk seine Maskerade endlich aufgegeben hatte und sich mit einer erschrockenen Bewegung auf seinem Lager aufsetzte.

Sie machte sich nicht die Mühe, die Stiege hinunterzulaufen, sondern sprang mit einem einzigen Satz bis zum Boden hinab, rollte sich über die Schulter ab und nutzte den Schwung ihres eigenen Sturzes, um wieder auf die Füße zu kommen. Hinter und über sich hörte sie Rahn wütend brüllen, und dann das Geräusch, mit dem er aufsprang und durch die Hütte trampelte. Da schien noch eine zweite Stimme zu sein, die wohl Achk gehörte, aber sie verschwendete auch keine Zeit damit, zur Hütte zurückzublicken, sondern rannte auf den Waldrand zu, so schnell sie nur konnte.

Vielleicht ein bisschen zu schnell, denn sie übersah in der Dunkelheit irgendein Hindernis, in dem sich ihr Fuß verfing. Ein scharfer Schmerz warnte sie im letzten Moment, aber es war zu spät. Arri versuchte, sich mit einer hastigen Bewegung herum- und zurückzuwerfen, doch diesmal wurde ihr ihre eigene Schnelligkeit zum Verhängnis. Der Schmerz in ihrem Knöchel wurde zu lodernder Glut, dann hatte sie das Gefühl, ihr Bein würde ihr aus dem Gelenk gerissen. Hilflos fiel sie zu Boden, schlug schwer und der Länge nach auf und blieb einen Moment lang benommen liegen. Als sich ihre Gedanken wieder klärten, schmeckte sie Blut, und in ihren Ohren wummerte ihr Herz wie verrückt. Rahns Gebrüll hinter ihr war lauter geworden, und Arri richtete sich hastig auf und machte trotz der pochenden Schmerzen mit einem Ruck ihren Fuß frei, als sie das hastige Poltern seiner Schritte auf der Stiege hörte.

Sie stolperte weiter, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr Bein tat schrecklich weh, gehorchte ihr aber noch, was zumindest bedeutete, dass sie sich nichts gebrochen hatte, aber ihre Mutter hatte ihr mehr als einmal erzählt, dass eine Prellung schmerzhafter als ein Bruch sein konnte, und Arri begriff in diesem Moment, dass das nur zu wahr war.

Sie biss die Zähne zusammen und versuchte, den pochenden Schmerz in ihrem rechten Knöchel zu ignorieren und sich zu noch größerer Schnelligkeit zu zwingen, doch es ging nicht. Statt schneller zu werden, kam sie nur aus dem Takt und drohte abermals zu fallen. Hinter ihr wurde Rahns wütendes Gebrüll noch lauter, und sie konnte seine stampfenden Schritte hören, die entsetzlich schnell näher kamen, und als sie nun doch im Laufen einen Blick über die Schulter zurückwarf, stellte sie fest, dass er höchstens noch sieben oder acht Schritte hinter ihr war und mit jedem einzelnen Schritt weiter aufholte.