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Nein - dachte sie spöttisch. Krell-Echsen waren eine glatte Fehlkonstruktion der Natur. Einzig die Tatsache, daß die Gehranwüste einer der unwirtlichsten Flecken der Welt war und es hier so gut wie keine größeren Raubtiere gab, hatte sie bisher davor bewahrt, sich aus purer Dummheit selbst auszurotten.

Tally betrachtete das tote Reptil einen Herzschlag lang stirnrunzelnd und deutete dann mit einer wütenden Kopfbewegung auf den flachen Trichter, den Hrhons Dolch in den Sand gegraben hatte.

»Nun steig schon ab und such deine Waffe«, sagte sie ungehalten. »Aber beeil dich gefälligst. Ich will nicht noch mehr Zeit verlieren.«

Hrhons Horntier bewegte sich unruhig, als der Waga damit begann, seine Leibriemen zu lösen. Tally konnte sich trotz allem eines flüchtigen Lächelns nicht erwehren, als sie Hrhon bei seinen Vorbereitungen zusah.

Wagas waren Kraftpakete; vierhundert Pfund Muskeln und Sehnen, die massive Eisenholztüren so spielend einrennen konnten, wie ein Mensch ein Blatt Papier zerreißt, und deren Entschlossenheit im Kampf durch keine nennenswerte Gehirnmasse beeinträchtigt wurde.

Mit bloßen Händen waren sie nicht zu besiegen, jedenfalls nicht von Menschen und auch kaum von irgendeinem anderen Wesen, das sie kannte. Aber sie bezahlten dafür mit einer Tolpatschigkeit, die sie immer wieder zur Zielscheibe von Spott und Hohn werden ließen.

Selbst Tally amüsierte es immer wieder, einem Waga beim Auf- und Absteigen auf sein Reittier zuzusehen, obwohl sie diesen Vorgang schon unzählige Male beobachtet hatte. Wagas waren so kurzbeinig, daß sie sich im Sattel festbinden mußten, um nicht bei der ersten unerwarteten Bewegung ihrer Horntiere aus vier Metern Höhe in den Sand zu fallen.

Während Hrhon damit fortfuhr, seine Leibriemen zu lösen, trieb Tally ihr Pferd mit leisem Schenkeldruck aus dem Schatten des mächtigen Horntieres heraus und trabte langsam den nächsten Dünenhang hinauf. Das Tier wieherte unwillig, als die sengenden Strahlen der Sonne sein ungeschütztes Fell trafen. Tally achtete normalerweise darauf, stets im Schatten der gewaltigen Horntiere zu bleiben, um die Leiber der beiden stachelbewehrten Ungeheuer wie lebende Schutzschilde zwischen sich und der sengenden Sonne zu haben, und sie spürte erst jetzt richtig, wie heiß es wirklich war. Der Wind strich wie eine warme, unangenehme Hand über ihren Rücken, und ihre Augen begannen beinahe sofort zu tränen, als sie aus dem Schatten heraus war. Sie bekam fast augenblicklich Durst.

Unter den Hufen ihres Pferdes wirbelten kleine Sand- und Staubwolken auf, als sie den sanft ansteigenden Hang emporritt. Sie wußte längst nicht mehr, wie viele solcher gleichförmiger Sanddünen sie schon überwunden hatte, seit sie vor zwei Tagen in die Wüste Gehran eingedrungen war. Hunderte sicher, vielleicht Tausende.

Sie hatte sie nicht gezählt. Als sie diesen Weg das erste Mal geritten war, vor zehn Jahren (waren es wirklich erst zehn Jahre? Es kam ihr länger vor. Während dieser Zeit war so viel geschehen, so unendlich viel, und doch so wenig...), da hatte sie geglaubt, sich daran gewöhnen zu können.

Aber das stimmte nicht. Die Gehran war etwas, an das man sich niemals gewöhnen konnte, weder sie noch irgendein anderes denkendes Wesen, das sie kannte. Sie war ein Ungeheuer, eine große, schweigende Bestie, die auf eine Unachtsamkeit lauerte, einen winzigen Fehler, irgendeine Nachlässigkeit, um dann sofort und erbarmungslos zuzuschlagen. Kaum einer von denen, die sich zu weit hineinwagten, kam je wieder heraus. Und Tally wußte, daß auch ihr - trotz allem - das gleiche Schicksal bevorstehen konnte, wenn sie auch nur einen Moment in ihrer Wachsamkeit nachließ.

Sie war in Schweiß gebadet, als sie den Hügelkamm erreichte und das Pferd mit einem harten Ruck am Zügel zum Stehen brachte. Auch sie war mit ihren Kräften am Ende. Sie hätte es sich im Beisein ihrer beiden Leibwächter niemals anmerken lassen, aber es gab im Moment kaum etwas, was sie sich sehnlicher gewünscht hätte als einen Schluck eiskaltes Wasser und einen kühlen, schattigen Ort, an dem sie sich zum Schlafen niederlegen konnte.

Tally rieb sich mit Daumen und Zeigefinger der Rechten über die Augen, blinzelte ein paarmal, um die Tränen fortzuzwinkern, und starrte konzentriert nach Norden.

Die Wüste schien vor ihren Augen zu verschwimmen, und die hitzegeschwängerte Luft und das gleichförmige Auf und Ab der Dünen gaukelte ihr die Illusion von Bewegung und Leben vor, wo nichts außer glühendem Sand und Öde waren.

Aber sie wußte genau, wonach sie zu suchen hatte, und nach einer Weile glaubte sie in nördlicher Richtung wirklich einen dünnen, verschwommenen Schatten wahrzunehmen. Erneut fuhr sie sich mit der Hand über die Augen, aber das Bild wurde nicht klarer. Hitze und Erschöpfung begannen ihren Preis zu fordern. Trotzdem war sie sich sicher, sich nicht getäuscht zu haben. Sie war diesen Weg zu oft geritten, um ihn noch zu verfehlen. Heute abend, spätestens beim nächsten Sonnenaufgang, würde sie da sein. (Und dann? Eine neue Enttäuschung? Nichts als ein weiteres Jahr voller Haß und vergeblicher Hoffnung?) Sie drehte sich halb im Sattel herum und sah zu den beiden Waga zurück. Hrhon hatte seinen Dolch mittlerweile ausgegraben und kletterte gerade ungeschickt auf den Rücken seines Tieres zurück. Daß die Hornbestie dabei in den beiden vorderen Beinpaaren einknickte, erleichterte ihm den Aufstieg nur unwesentlich. Das grünbraun geschuppte Reptilienwesen krabbelte wie eine zu groß geratene arthritische Kröte an der Flanke des Horntieres hinauf, wobei es Laute ausstieß, die an das Zischen eines leckenden Wasserkessels erinnerten.

Erneut stahl sich ein dünnes Lächeln in Tallys Mundwinkel. Selbst auf sie wirkten die Waga manchmal wie tolpatschige Gnome aus einem Kindermärchen. Nur, wer eine dieser Bestien einmal im Kampf erlebt hatte, wußte, wie falsch dieser Eindruck war. Aber es gab nicht sehr viele Menschen, die darüber berichten konnten.

Tally wartete geduldig, bis Hrhon wieder im Sattel und fest verschnürt war und die beiden Horntiere den Hügel hinaufgewalzt waren, - es gab keine andere Art, ihre Fortbewegungsweise auch nur annähernd zu beschreiben - dann lenkte sie ihr Pferd mit einer raschen Bewegung zurück in den Schatten der beiden Ungeheuer und sah zu Hrhon hinauf.

»Reizend, daß du schon fertig bist«, sagte sie. »Wenn es dem Herrn genehm ist, können wir jetzt vielleicht weiterreiten.«

Hrhon schien in seinem Sattel zusammenzuschrumpfen und wich ihrem Blick aus. Seine Hand schloß sich unwillkürlich um den Dolch, den er so mühsam aus dem Sand ausgegraben und wieder in seinen Gürtel geschoben hatte. Es wäre für Tally ein Leichtes gewesen, selbst von ihrem Pferd zu steigen und Hrhons Waffe zu holen - und schneller wäre es auch noch gegangen. Aber der Gedanke war ihr nicht einmal gekommen. Nicht bei Wagas.

Sie wußte, daß sie sich blindlings auf die beiden Reptilienwesen verlassen konnte. Ihre beiden Leibwächter würden ohne Zögern für sie in den Tod gehen, wenn sie es verlangte. Aber Wagas waren ein eigenartiges Völkchen. Wo bei jedem anderen eine gesunde Kombination aus Strenge und Großmut angebracht war, da half bei ihnen nur unnachgiebige Härte.

Besser, man schlug einen Waga zehnmal zu oft als einmal zu wenig.

Sie ritten weiter. Die Sonne sank langsam tiefer, aber es wurde trotzdem nicht merklich kühler, und selbst, als die kurze Dämmerung hereinbrach und in ihrem Gefolge Dunkelheit wie ein großes schweigendes Tier über die Wüste kroch, schien noch immer eine Wolke unsichtbarer Hitze über dem Land zu liegen.

Als es vollends dunkel geworden war, begannen die beiden Horntiere zunehmend unruhiger zu werden, und Tally ritt ein Stück voraus, um nicht durch den zufälligen Schlag eines Schwanzes fünf Meter tief in den Sand hineingetrieben zu werden. Die Horntiere sahen schon bei Tage nicht besonders gut; nachts waren sie praktisch blind. Es kostete die beiden Wagas immer mehr Mühe, ihre Reittiere überhaupt zum Weitergehen zu bewegen.