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„Sie gehen jetzt überall herum und sehen sich alles an“, sagte der Lehrer. „Sowie Sie etwas mit der Hand berühren, erhalten Sie eine Erklärung. Zum Beispiel so…“

Der Junge bückte sich und faßte einen Grashalm an. Sofort erklang eine Stimme aus den verborgen installierten Lautsprechern.

„Giftgras! Unbedingt Stiefel tragen!“

Jason ließ sich auf die Knie nieder und untersuchte den harmlos wirkenden Halm. Er bemerkte erstaunt, daß alle Gräser an der Spitze einen dunkelgrünen Haken trugen, aus dem ein klebriger Saft austrat. Der weiche grüne Rasen stellte also in Wirklichkeit eine tödliche Gefahr für jeden Unwissenden dar. Als er sich wieder aus seiner Kniebeuge aufrichtete, sah er unter einem der Büsche ein seltsames Tier hocken. Es war mit dicken Schuppen bedeckt, unter denen die kurzen Beine fast nicht mehr zu erkennen waren, so daß das Tier eher wie ein Reptil wirkte. Der häßliche Kopf lief in ein langes Horn aus.

„Was ist denn das?“ frage Jason erstaunt. „Die Babys hier haben aber hübsche Spielkameraden.“ Erst in diesem Augenblick drehte er sich um und stellte fest, daß er allein war; sein Lehrer hatte sich wortlos entfernt. Er zuckte mit den Schultern und betastete das schuppige Monstrum.

„Hornteufel“, erklärte die unpersönliche Stimme von der Decke her. „Kleidung und Stiefel bieten keinen ausreichenden Schutz. Töten!“

Ein lauter Knall unterbrach die Stille, als Jasons Pistole in Aktion trat. Das Tier fiel zur Seite, weil sein Mechanismus auf die Platzpatrone ansprach.

„Na, ich scheine wirklich etwas gelernt zu haben“, murmelte Jason zufrieden vor sich hin. Brucco hatte das Wort töten immer wieder gebraucht, während er Jason im Pistolenschießen unterwies, bis es sich schließlich als ein unbewußter Befehl auswirkte. Jason hatte diesmal bereits geschossen, bevor er daran denken konnte. Sein Respekt für die pyrranischen Ausbildungsmethoden erhöhte sich beträchtlich.

Jason verbrachte einen äußerst ungemütlichen Nachmittag in diesem Gruselkabinett für Kinder. Überall drohte der Tod. Und die unpersönliche Stimme warnte ihn jedesmal, damit er lernte, wie er seinen Feinden zuvorkommen mußte. Er hätte nie gedacht, daß es so viele verschiedene Todesarten geben könnte, die noch dazu so abscheulich waren. Alles hier war für Menschen tödlich — vom kleinsten Insekt bis zur größten Pflanze.

Diese Konzentration auf ausschließlich einen Zweck war geradezu unnatürlich. Warum war dieser Planet den Menschen so feindlich gesonnen? Vielleicht konnte Brucco ihm diese Frage beantworten. In der Zwischenzeit versuchte er ein Lebewesen zu entdecken, das nicht tödlich war. Ohne Erfolg, aber als er schon aufgeben wollte, fand er endlich das einzige Ding, da er berühren konnte, ohne eine Warnung aus den Lautsprechern anhören zu müssen. Es war ein Felsbrocken, der über die Giftgrashalme hinausragte.

Jason ließ sich mit einem erleichterten Seufzer darauf nieder und zog die Füße hoch. Eine Oase des Friedens. Einige Minuten verstrichen, während er sich ausruhte.

„SCHIMMELPILZ! NICHT BERÜHREN!“

Die Stimme erklang mit zweifacher Lautstärke, und Jason sprang wie von der Tarantel gestochen auf. Er hatte bereits die Pistole in der Hand und suchte nach einem Ziel. Erst dann beugte er sich über den Stein, auf dem er gesessen hatte, und sah die grauen Flecken, die vorher noch nicht zu erkennen gewesen waren.

„Ihr gemeinen Kerle!“ schrie er. „Wie viele Kinder habt ihr schon aufgeschreckt, als sie sich gerade ein bißchen ausruhen wollten?“ Dieser Trick gefiel ihm ganz und gar nicht, obwohl er zugeben mußte, daß er gerechtfertigt war. Selbst die Kinder mußten wissen, daß sie sich nirgendwo in Sicherheit befanden — wenn sie nicht selbst dafür sorgten.

Auf diese Weise lernte er nicht nur die Verhältnisse des Planeten kennen, sondern konnte auch das Benehmen seiner Bewohner besser beurteilen.

8

Die Tage wurden zu Wochen, aber Jason ging noch immer zur Schule. Allmählich wurde er fast stolz auf seine neuerworbene Fähigkeit, dem Tod in allen seinen Formen furchtlos entgegenzutreten. Er kannte alle Tiere und Pflanzen in der ersten Trainingsmaschine und übte jetzt schon in der zweiten, in der die Tiere sich schwerfällig bewegten. Seine Pistole knallte jedesmal rechtzeitig. Der tägliche Unterricht langweilte ihn bereits.

Sein Körper hatte sich den veränderten Lebensbedingungen ziemlich gut angepaßt, aber die nächtlichen Alpträume wurden immer schlimmer. Jason sprach schließlich mit Brucco darüber, der ihm ein Mittel zusammenbraute, das recht gut wirkte. Die Alpträume blieben zwar so schrecklich wie zuvor, aber Jason konnte sich nach dem Aufwachen wenigstens nicht mehr an sie erinnern.

Als Jason schließlich alles beherrschte, was ein Pyrraner wissen mußte, um auf diesem Planeten überleben zu können, durfte er in dem wirklichkeitsgetreuen Trainer üben, der sich kaum von den tatsächlichen Verhältnissen unterschied. Nur die Qualität des Gebotenen war verschieden. Ein Insektenstich bedeutete hier eine schmerzhafte Schwellung, aber nicht den sofortigen Tod. Die Tiere verursachten Fleischwunden, rissen aber keine ganzen Gliedmaßen ab. In dieser Trainingsmaschine fand man zwar nicht den Tod, kam ihm aber doch gefährlich nahe.

Jason hatte seit einiger Zeit beobachtet, daß die Kinder, mit denen er ursprünglich ein Klassenzimmer geteilt hatte, bereits in die Außenwelt entlassen worden waren. Als ihm endlich auffiel, was diese Tatsache zu bedeuten hatte, suchte er sofort den Leiter des Trainingszentrums auf.

„Brucco“, fragte Jason, „wie lange soll ich eigentlich noch in dieser Kinderschießbude zubringen? Behalten Sie mich absichtlich länger hier?“

„Kein Mensch will Sie hierbehalten“, antwortete Brucco in seiner üblichen mürrischen Art. „Sie bleiben hier, bis wir uns davon überzeugt haben, daß wir Sie mit gutem Gewissen entlassen können.“

„Irgendwie habe ich das unbestimmte Gefühl, daß dieses Ereignis nie eintreten wird. Ich kann jetzt jedes Ihrer komischen Geräte in völliger Dunkelheit zerlegen und wieder zusammenbauen. Ich schieße erstklassig mit meiner Pistole. Wenn ich müßte, könnte ich in diesem Augenblick ein Buch mit dem Titel Die komplette Flora und Fauna von Pyrrus und wie man sie umbringt schreiben. Vielleicht bin ich nicht so gut wie meine sechsjährigen Klassenkameraden. Aber ich habe den Verdacht, daß ich mich nicht mehr wesentlich verbessern werde. Habe ich damit recht?“

Brucco zuckte unbehaglich mit den Schultern und versuchte ausweichend zu antworten, ohne allzu viel Erfolg damit zu haben. „Ich glaube… wissen Sie, schließlich sind Sie nicht hier geboren und…“

„Na, na“, sagte Jason freundlich. „Ein ehrlicher alter Pyrraner wie Sie sollte nicht versuchen, einen Angehörigen der schwächeren Rassen zu belügen, die sich darauf spezialisiert haben. Selbstverständlich komme ich mit der Schwerkraft wahrscheinlich nie ganz zurecht und habe noch andere Geburtsfehler. Das gebe ich ohne weiteres zu. Aber darüber sprechen wir ja gar nicht. Ich möchte nur wissen, ob ich mich noch verbessern kann, wenn ich mehr trainiere, oder ob ich das Maximum meiner eigenen Entwicklung bereits erreicht habe?“

Auf Bruccos Stirn standen Schweißperlen. „Im Laufe der Zeit sind selbstverständlich gewisse Verbesserungen möglich…“

„Keine Ausreden!“ Jason drohte ihm mit dem Zeigefinger. „Ja oder nein? Werde ich jetzt besser, wenn ich jetzt mehr trainiere?“

„Nein“, gab Brucco zu und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Jason sah ihm abschätzend ins Gesicht.

„Schön, befassen wir uns einmal damit. Ich kann mich nicht mehr verbessern, bin aber noch immer hier. Das ist bestimmt kein Zufall. Jemand muß Ihnen also die Anweisung gegeben haben, mich unbedingt hierzubehalten. Soweit ich die hiesigen Verhältnisse beurteilen kann, vermute ich, daß dieser Befehl nur von Kerk stammen kann. Habe ich recht?“