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„Eins zu null für Sie“, gab Jason zu. „Ich hätte nicht gedacht, daß man es mir so deutlich angemerkt hat. Aber ich bin froh, daß Sie nicht nur Muskeln, sondern auch einen kritischen Verstand besitzen. Ja, ich gebe zu, daß das der Hauptgrund war — und meine angeborene Neugier.“

Kerk dachte weiter über dieses Thema nach und schien ziemlich verblüfft. „Sie sind also hierher gekommen, um zu beweisen, daß Sie es mit jedem Pyrraner aufnehmen können. Und trotzdem geben Sie jetzt zu, daß selbst ein Achtjähriger schneller als Sie ziehen kann: Das paßt nicht zu dem, was ich bisher von Ihnen gehört habe. Wenn Sie etwas mit einer Hand geben, nehmen Sie es vermutlich mit der anderen wieder zurück. In welcher Beziehung glauben Sie noch immer überlegen zu sein?“ Er stellte die Frage leichthin, aber sein Gesichtsausdruck zeigte, daß er ihr große Bedeutung beimaß.

Jason dachte lange nach, bevor er antwortete.

„Ich werde es Ihnen erklären“, sagte er schließlich. „Aber reißen Sie mir deswegen nicht gleich den Kopf ab. Ich vertraue darauf, daß Ihr Geist Ihre Reflexe kontrolliert. Ich werde nämlich einige Dinge erwähnen, die hier auf Pyrrus streng tabu sind.“

Kerk nickte langsam.

„In den Augen Ihrer Leute bin ich ein Schwächling, weil ich nicht hier geboren worden bin. Sie müssen sich aber darüber im klaren sein, daß das auch meine Stärke ist. Ich sehe Tatsachen, an die Sie sich schon so sehr gewöhnt haben, daß sie Ihnen nicht mehr auffallen. Sie wissen doch, die alte Geschichte mit dem Mann, der den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht.“

Kerk nickte wieder zustimmend, und Jason sprach weiter. „Um die Analogie weiter fortzuführen, müßte ich erwähnen, daß ich in den ersten Wochen nach meiner Ankunft nur den Wald erkennen konnte. Aber in der Zwischenzeit sind mir einige Dinge aufgefallen. Ich glaube, daß Sie ebenfalls davon wissen, ohne jemals davon zu sprechen. Diese Dinge existieren nur in Ihren geheimsten Gedanken und sind ansonsten völlig tabu. Ich werde jetzt Ihren geheimsten Gedanken wiederholen und hoffe, daß Sie sich genügend beherrschen können, um mich nicht gleich in der Luft zu zerreißen.“

Kerks riesige Hände umklammerten die Lehnen seines Sessels. Jason sprach ruhig weiter, aber seine Stimme drang wie eine glühende Nadel in das Gehirn des anderen.

„Ich glaube, daß die Menschen allmählich den endlosen Krieg gegen den Planeten verlieren. Trotz einer seit mehreren Jahrhunderten andauernden Besiedlung gibt es nur eine Stadt — und die ist halbwegs verfallen. Als ob sie früher eine größere Bevölkerung gehabt hätte. Der Trick, mit dem wir eine Ladung Waffen beschafft haben, war ein Trick. Der Versuch hätte auch fehlschlagen können. Und was wäre dann aus der Stadt geworden? Die Pyrraner bewegen sich auf dem Rand des Vulkans, wollen diese Tatsache aber selbst auf keinen Fall wahrhaben.“

Kerk hörte gespannt zu. Jeder Muskel in seinem riesenhaften Körper war verkrampft, auf seiner Stirn standen dicke Schweißperlen. Er konnte jeden Augenblick explodieren, wenn Jason nicht behutsam vorging, deshalb suchte er nach einem Weg, um die Spannung zu mildern.

„Ich erwähne diese Tatsachen nicht aus Vergnügen. Ich tue es nur, weil ich weiß, daß sie Ihnen bereits bekannt sein müssen. Das dürfen Sie aber nicht zugeben, weil Sie dann auch eingestehen müßten, daß der ganze Kampf vergebens ist. Wenn die Bevölkerung tatsächlich allmählich abnimmt, ist der Kampf nur eine komplizierte und blutige Form eines Völkerselbstmordes. Sie könnten den Planeten verlassen, aber damit hätten Sie die Niederlage eingestanden. Und ich bin davon überzeugt, daß die Pyrraner den Tod einer Niederlage vorziehen.“

Als Kerk sich halb aus seinem Sessel erhob, stand Jason ebenfalls auf und sprach mit lauter Stimme weiter.

„Ich versuche Ihnen zu helfen — begreifen Sie denn das nicht? Lassen Sie doch die falschen Vorspiegelungen beiseite, damit erreichen Sie nichts. Im Augenblick kämpfen Sie einen bereits verlorenen Krieg. Das ist kein ehrlicher Kampf, sondern nur ein gefährliches Herumpfuschen an den Symptomen. Wie ein Leprakranker, der sich einen Finger nach dem anderen abschneidet. Das Endergebnis kann nur eine vollkommene Niederlage sein. Aber Sie wollen den Tatsachen nicht ins Auge sehen. Deshalb würden Sie mich auch lieber umbringen, als ruhig zuzuhören, während ich diese unaussprechlichen Tatsachen erwähne.“

Kerk sprang auf. Jason machte eine abwehrende Handbewegung und sprach unbeirrt weiter, obwohl er am liebsten so rasch wie möglich das Zimmer verlassen hätte.

„Sie müssen die Wirklichkeit nüchtern betrachten. Bisher haben Sie immer nur diesen ewigen Krieg vor Augen gehabt. Jetzt müssen Sie sich davon überzeugen lassen, daß Sie seine Ursachen beseitigen und den Krieg dadurch für immer beenden können.“

Als Kerk die Bedeutung dieses letzten Satzes verstanden hatte, schien sein Zorn mit einem Schlag verflogen zu sein. Er ließ sich in den Sessel fallen und starrte Jason ungläubig an. „Was soll das heißen? Was wollten Sie damit sagen? Man könnte Sie fast für einen verdammten Grubber halten!“

Jason erkundigte sich nicht danach, was ein Grubber war, merkte sich aber das Wort, weil er später fragen wollte, was es bedeutete.

„Sie reden Unsinn“, fuhr Kerk fort. „Wir leben eben auf einem uns feindselig gesinnten Planeten, auf dem wir uns unserer Haut wehren müssen. Die Ursachen dieses Kampfes gehören zu den Grundlagen unserer Existenz.“

„Nein, das stimmt nicht“, widersprach Jason. „Überlegen Sie doch selbst. Wenn Sie längere Zeit abwesend gewesen sind, müssen Sie einen Wiederholungskurs mitmachen. Um herauszubekommen, wie sich die Verhältnisse unterdessen verschlimmert haben. Das ist also eine völlig lineare Progression. Die Verhältnisse verschlimmern sich, wenn man die Zukunft betrachtet, deshalb müssen sie besser erscheinen, wenn die Vergangenheit herangezogen wird. Aus dieser Theorie ergibt sich zwingend obwohl ich nicht weiß, ob dafür Beweise vorhanden sind —, daß man nur weit genug in die Vergangenheit zurückzugehen braucht, um einen Zeitpunkt zu finden, an dem die Menschen und Pyrrus noch nicht im Kampf miteinander lagen.“

Kerk war so verblüfft, daß er nicht mehr protestieren konnte. Er hörte schweigend zu, während Jason seine Theorie entwickelte.

„Ich kann Ihnen einige Tatsachen aufzählen, die mich zu dieser Auffassung gebracht haben. Selbst Sie müssen doch zugeben, daß ich sämtliche pyrranischen Lebewesen aus eigener Anschauung kenne, obwohl ich nur wenigen von ihnen gewachsen sein dürfte. Und die gesamte Flora und Fauna von Pyrrus hat eine Eigenschaft gemeinsam — sie ist nicht im geringsten funktionell. Keine der unzähligen Angriffswaffen, mit denen alle Tiere ausgerüstet sind, richtet sich gegen ein anderes Lebewesen. Auch die Gifte scheinen für pyrranische Lebensformen unschädlich zu sein. Sie taugen nur für einen Zweck — dem Homo sapiens augenblicklich den Tod zu bringen. Und das ist eine physikalische Unmöglichkeit. In den dreihundert Jahren, seit die Menschen auf diesem Planeten sind, können die Lebewesen sich nicht auf natürliche Weise in dieser Art verändert haben.“

„Sie haben sich aber verändert!“ wandte Kerk heftig ein.

„Sie haben völlig recht“, erwiderte Jason gelassen. „Und wenn die Lebewesen sich angepaßt haben, muß irgend etwas sie dazu gezwungen haben. Ich habe allerdings nicht die geringste Vorstellung davon, wie so etwas bewerkstelligt werden konnte. Aber irgendwie sind die pyrranischen Lebewesen zu einer Kriegserklärung gegen die Menschen veranlaßt worden, und ich möchte den Grund dafür herausbekommen. Was war die dominierende Lebensform, als die ersten Siedler auf Pyrrus landeten?“

„Keine Ahnung“, gab Kerk offen zu. „Aber Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß es auf Pyrrus außer uns Menschen noch weitere intelligente Lebewesen geben muß? Andere Lebensformen, die diesen Krieg gegen uns inszeniert haben?“