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„Vielleicht war das etwas zuviel auf einmal“, meinte Jason. „Ich werde es einfacher ausdrücken. Ich glaube, daß ich… daß wir die Ursache dieses unablässigen Hasses gegenüber allen Menschen herausbekommen können. Vielleicht besitzen wir einfach nicht den richtigen Körpergeruch. Vielleicht entdecken wir eine Pflanze, mit deren Saft wir uns einreiben müssen, um sofort gegen alles immun zu sein. Ich habe wie gesagt keine Ahnung, was dabei herauskommen kann. Trotzdem ist die Sache eine Untersuchung wert. Kerk ist meiner Auffassung.“

Meta sah zu Kerk hinüber, der zustimmend nickte. Sie zuckte unsicher mit den Schultern und wandte sich wieder an Jason.

„Ich… bin noch nicht überzeugt und begreife auch gar nicht alles, was du gesagt hast. Aber ich werde dir helfen, so gut ich kann. Weil Kerk glaubt, daß du recht hast.“

„Das klingt schon besser“, meinte Kerk zufrieden. „Willst du jetzt dein Pistolenmagazin zurück? Versprichst du mir, daß du nicht auf Jason schießt?“

„Das war eine Dummheit“, erwiderte sie mit kalter Stimme, während sie ihre Waffe lud. „Dazu brauche ich keine Pistole. Wenn ich ihn umbringen will, kann ich es auch mit bloßen Händen tun.“

„Ich liebe dich auch“, sagte Jason lächelnd. „Können wir jetzt gehen?“

„Selbstverständlich.“ Meta strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Zunächst müssen wir ein Gebäude finden, in dem du ungestört leben kannst. Dafür werde ich sorgen, aber von dann ab bist du für die Arbeit der neuen Abteilung verantwortlich.“

10

Sie gingen in eisigem Schweigen nebeneinander die Treppe hinunter. Auf der Straße erlegte Meta einen Stechvogel, der viel zu weit entfernt gewesen war, um gefährlich zu sein. Jason verlor kein Wort über diese Knallerei, mit der wertvolle Munition vergeudet wurde. Lieber der Vogel als er.

Im Rechenzentrum waren einige Räume frei, die völlig von der Außenwelt abgeschlossen waren, um die Tiere von den empfindlichen Maschinen fernzuhalten. Während Meta sich um ein Bett für ihn kümmerte, zerrte Jason aus einem der leerstehenden Räume einen Schreibtisch und einige Stühle in sein Zimmer. Als Meta mit einem pneumatischen Bett zurückkam, ließ er sich sofort mit einem erleichterten Seufzer darauf niedersinken. Sie lächelte verächtlich.

„Du kannst dich gleich an den Anblick gewöhnen“, sagte er. „Ich beabsichtige nämlich, so viel Arbeit wie möglich in der Waagerechten zu erledigen. Du bist dann mein starker rechter Arm. Und jetzt, rechter Arm, könntest du vielleicht etwas Eßbares heranschaffen. Ich werde nämlich auch meine Mahlzeiten in der vorher erwähnten horizontalen Lage einnehmen.“

Meta schnaubte verachtungsvoll und stapfte hinaus. Während ihrer Abwesenheit kaute Jason nachdenklich an seinem Bleistift und notierte einige Punkte.

Nachdem er heißhungrig alles verschlungen hatte, was Meta mitgebracht hatte, begann er mit der Suche.

„Meta, wo finde ich Geschichtsbücher über Pyrrus? Ich brauche sämtliche Informationen über die ersten Siedler.“

„Davon habe ich noch nie etwas gehört. Ich weiß wirklich nicht…“

„Aber es muß doch irgend etwas geben — irgendwo“, meinte Jason erstaunt. „Selbst wenn heute der Daseinskampf die Hauptrolle spielt, kann das Leben in früheren Zeiten anders ausgesehen haben. Während die Verhältnisse sich allmählich verschlechterten, müssen die Leute Aufzeichnungen gemacht haben. Wo werden sie aufbewahrt? Gibt es hier eine Bibliothek?“

„Selbstverständlich“, antwortete sie. „Wir haben eine hervorragende technische Bibliothek. Aber ich weiß bestimmt, daß sie nur wissenschaftliche Fachliteratur enthält.“

Jason mußte sich beherrschen, um nicht zu stöhnen, als er aufstand. „Davon muß ich mich selbst überzeugen. Wo müssen wir hin?“

Die Bibliothek funktionierte völlig automatisch. Ein projiziertes Verzeichnis gab die Nummer jedes Titels an, der zur Verfügung stand. Wenn man eine Nummer wählte, dauerte es nur dreißig Sekunden, bis das gewünschte Band aus dem Ausgabenschlitz fiel. Zurückgebrachte Bänder wurden einfach in einen zweiten Schlitz gesteckt und automatisch sortiert. Der Mechanismus funktionierte rasch und geräuschlos.

„Wunderbar“, sagte Jason und wandte sich von dem Verzeichnis ab. „Eine hervorragende technische Leistung. Aber die Bibliothek enthält ausschließlich wissenschaftliche Werke, mit denen wir nichts anfangen können.“

„Was soll denn eine Bibliothek sonst enthalten?“ erkundigte sich Meta ehrlich erstaunt.

Jason wollte eine längere Erklärung beginnen, fing aber lieber gar nicht erst damit an. „Damit können wir uns später beschäftigen“, sagte er. „Viel später. Im Augenblick brauchen wir vor allem Informationen. Besteht theoretisch die Möglichkeit, daß irgendwo Bänder — oder sogar gedruckte Bücher — aufbewahrt werden, die nicht in dieser Maschine gespeichert sind?“

„Wahrscheinlich nicht, aber wir könnten Poli danach fragen. Er haust hier irgendwo und ist für die gesamte Bibliothek verantwortlich.“

Die einzige Tür an der Rückseite des Gebäudes war versperrt. Obwohl Meta und Jason mit den Fäusten dagegenschlugen, tauchte der Bibliothekar nicht auf.

„Wenn er überhaupt noch lebt, müßte das hier genügen“, meinte Jason und drückte auf den Störungsknopf neben der Wählscheibe. Einige Zeit später trat der gewünschte Effekt tatsächlich ein. Die Tür öffnete sich, als Poli hindurchtaumelte.

Für gewöhnlich leistete der Tod auf Pyrrus rasche Arbeit. Wenn ein Mann schwere Verwundungen erlitten hatte, die seine Beweglichkeit beeinträchtigten, dauerte es meistens nicht lange, bis er einem Angreifer unterlag. Poli stellte eine Ausnahme von dieser Regel dar. Sein ganzer Körper war gräßlich verstümmelt, so daß er sich nur noch mühsam fortbewegen konnte.

Aber er konnte noch einen Arm gebrauchen und sah gut. Er arbeitete in der Bibliothek und ersetzte dort einen völlig tauglichen Mann. Niemand wußte, wie lange er schon dort hauste. Trotz der heftigen Schmerzen, unter denen er ständig litt, war er am Leben geblieben. Er war der älteste Pyrraner, den Jason bisher zu Gesicht bekommen hatte. Jetzt trottete er durch den Raum und stellte das Alarmsignal ab, das ihn herbeigerufen hatte.

Als Jason mit seiner Erklärung begann, achtete der Alte gar nicht darauf. Erst als der Bibliothekar ein Hörgerät aus der Tasche holte, wurde Jason klar, daß er fast taub sein mußte. Er wiederholte seine Erklärung. Poli nickte und schrieb seine Antwort auf einen Notizblock.

Im Keller lagern noch viele Bücher.

Die Speicher und Sortiergeräte der Bibliothek nahmen den größten Teil des Kellerraumes ein. Meta und Jason folgten dem verkrüppelten Bibliothekar an den Maschinen vorbei zu einer verschlossenen Tür an der gegenüberliegenden Seite des Kellers. Er wies darauf. Während Meta und Jason an den verrosteten Riegeln rüttelten, schrieb er nochmals etwas auf seinen Block.

Seit Jahren nicht mehr geöffnet — Ratten.

Jason und Meta hatten sofort ihre Pistolen in der Hand, als sie den Satz gelesen hatten. Jason öffnete die Tür schließlich allein. Die beiden Pyrraner standen wartend davor. Das war ein richtiger Entschluß, denn Jason hätte der hervorbrechenden Flut hilflos gegenübergestanden. Als er den letzten Riegel beiseiteschob, wurde die Tür von innen aufgedrückt, und die Ratten schwärmten hervor. Meta und Poli standen Schulter an Schulter und schossen so schnell wie möglich. Jason brachte sich mit einem Sprung in Sicherheit und erledigte die wenigen Tiere, die nach der Seite ausbrechen wollten. Die Flut schien kein Ende zu nehmen.

Lange Minuten verstrichen, bevor das letzte Tier sich auf die Menschen stürzte. Meta und Poli schienen fast enttäuscht, als keine mehr auftauchten. Jason fühlte sich von diesem wilden Angriff angewidert, aber die Pyrraner empfanden offensichtlich eine tiefe Befriedigung. Er sah einen Kratzer auf Metas Gesicht, wo eines der Tiere ihr zu nahe gekommen war. Sie schien gar nicht zu merken, daß sie blutete.