Выбрать главу

Die Wurzeln allein stellen allerdings keine große Gefahr da, weil sie verhältnismäßig unbeweglich sind. Außerdem sterben sie bald ab, wenn sie durchschnitten werden. Die Gefahr liegt darin, daß einige Tierarten sich durch sie hindurchfressen und auf diese Weise innerhalb der Mauer auftauchen.

Aber jetzt wissen wir, worauf wir zu achten haben. Wenn wir den Angriff nicht rechtzeitig entdeckt hätten, wären die Wurzeln wahrscheinlich von allen Seiten gleichzeitig unter der Mauer hindurchgewachsen. Dann hätten wir allerdings auf verlorenem Posten gestanden.“

Die ständig vorhandene Bedrohung. Das Leben am Rande des Vulkans. Die Pyrraner waren mit jedem Tag zufrieden, der vorüberging, ohne die völlige Vernichtung gebracht zu haben. Jason zuckte mit den Schultern und sprach nicht mehr davon. Er ließ sich das Logbuch der Pollux Victory aus Bruccos Zimmer geben und kehrte damit in sein Bett zurück. Die anderen Verwundeten sahen kaum auf, als er sich auf das Bett fallen ließ und das schwere Buch aufschlug.

An den nun folgenden beiden Tagen beschäftigte er sich ausschließlich mit seiner Lektüre. Die verletzten Pyrraner, mit denen er das Zimmer teilte, wurden als gesund entlassen. Er las das Logbuch sorgfältig durch, bis er die Geschichte der Besiedlung genauestens kannte. Aus den vorliegenden Angaben zeichnete er eine Karte der ursprünglichen Siedlung und legte sie auf den neuesten Stadtplan. Die beiden Karten stimmten nicht miteinander überein.

Seine Forschungen waren in einer Sackgasse steckengeblieben. Durch den Vergleich der Karten wurde Jason endgültig klar, was er schon lange vermutet hatte. Die Beschreibung der Siedlung und ihrer Umgebung, die sich in dem Logbuch fand, war ausreichend genug abgefaßt. Die Stadt war offensichtlich seit der Zeit der ersten Landung verlegt worden. Weitere Berichte darüber wären in der Bibliothek zu finden gewesen — aber diese Quelle war bereits versiegt, denn der Kellerraum enthielt kein einziges vollständiges Buch mehr.

Draußen prasselte ein Hagelschauer gegen die dicken Fensterscheiben, während gleichzeitig Blitze über den dunklen Himmel zuckten. Die unsichtbaren Vulkane waren wieder aktiv und erschütterten die Erde mit ihrem tiefen Grollen.

Jason hatte seine Niederlage deutlich vor Augen. Sie lastete schwer auf seinen Schultern und machte den trüben Tag noch düsterer.

14

Jason verbrachte den folgenden Tag auf seinem Bett, wo er die Nieten in den Wänden zählte und sich mit der offenbar endgültigen Niederlage abzufinden versuchte. Kerks strikter Befehl, daß er das Gebäude nicht verlassen dürfe, beraubte ihn völlig seiner Handlungsfreiheit. Jason ahnte, daß es noch eine andere Antwort geben mußte aber er würde sie nie finden.

Dieses dumpfe Brüten war nicht länger als einen Tag zu ertragen. Kerks Entscheidung war nur von seinen Gefühlen beeinflußt worden und entbehrte jeder logischen Grundlage. Diese Tatsache war so offensichtlich, daß Jason sie nicht länger ignorieren konnte. Schließlich hatte er im Laufe seines Lebens immer wieder feststellen müssen, daß gefühlsbetonte Entscheidungen sich nur selten als richtig erwiesen. Er stimmte keineswegs mit Kerk überein — folglich mußte er die verbleibenden zehn Tage dazu benützen, das Problem zu lösen. Das bedeutete zwar, daß er Kerks Anordnungen zuwiderhandeln mußte, aber trotzdem blieb ihm keine andere Wahl.

Er griff wieder nach seinem Notizblock. Wenn die erste Quelle versiegt war, mußte er sich eben nach anderen umsehen. Allmählich stellte er eine Liste verschiedener Möglichkeiten auf. Selbst der verrückteste Einfall wurde zu Papier gebracht. Als das erste Blatt vollständig beschrieben war, radierte er die unwahrscheinlichen und nicht zu realisierenden Möglichkeiten aus — zum Beispiel auch das Sammeln von Informationen auf anderen Planeten. Dieses Problem betraf ausschließlich Pyrrus und mußte entweder hier oder gar nicht gelöst werden.

Schließlich blieben nur noch zwei Möglichkeiten übrig. Entweder alte Berichte, Aufzeichnungen oder Tagebücher, die sich im Besitz einzelner Pyrraner befinden konnten, oder mündliche Überlieferungen, die von Generation zu Generation weitergegeben worden waren. Die erste Möglichkeit konnte am ehesten zutreffen, und Jason befaßte sich sofort energisch mit ihr. Er überprüfte seine persönliche Ausrüstung und suchte dann Brucco in dessen Büro auf.

„Wie haben die Verhältnisse sich draußen in der Zwischenzeit verschlechtert?“ fragte er.

Brucco sah ihn böse an. „Sie dürfen nicht hinaus. Kerk hat es Ihnen streng verboten.“

„Sind Sie von ihm als mein Gefängniswärter angestellt worden?“ erkundigte Jason sich.

Brucco runzelte nachdenklich die Stirn. Dann zuckte er mit den Schultern. „Nein, ich bewache Sie nicht — ich habe auch gar keine Lust dazu. Ihr Problem betrifft nur Kerk und Sie. Ich mische mich nicht in die Angelegenheiten anderer Leute. Sie können verschwinden, wann es Ihnen paßt. Tun Sie mir nur den Gefallen, irgendwo still und heimlich das Zeitliche zu segnen, damit wir uns endlich nicht mehr um Sie zu kümmern brauchen.“

„Ich finde Sie auch äußerst sympathisch“, antwortete Jason gelassen. „Erzählen Sie mir lieber etwas über die neuesten Veränderungen.“

Die einzige neue Mutation, die in der Zwischenzeit aufgetaucht war, ließ sich leicht erkennen. Dabei handelte es sich um eine Echse, die mit tödlicher Sicherheit ein Nervengift spuckt. Glücklicherweise bewegte das Tier sich nur langsam, so daß man es rechtzeitig abschießen konnte. Nach einer Stunde in der Trainingsmaschine war Jason davon überzeugt, daß die neue Bedrohung ihm nicht gefährlich werden konnte.

Jason verließ das Gebäude, ohne beobachtet zu werden. Er ging auf das nächste Gebäude zu und schlurfte dabei müde durch den heißen Straßenstaub. Die Stille des Nachmittags wurde nur durch das entfernte Grollen der Vulkane und den lauten Knall seiner eigenen Waffe durchbrochen.

Als er das Wohngebäude erreicht hatte, ließ er sich erschöpft auf eine Bank sinken und wartete dort, bis sein Puls wieder langsamer ging. Dann betrat er den nächsten Gemeinschaftsraum, um dort seine Suche zu beginnen.

Sie war zu Ende, bevor er recht damit begonnen hatte. Keiner der anwesenden Pyrraner bewahrte irgendwelche alten Schriftstücke auf. Sie schienen den Gedanken daran sogar komisch zu finden. Nach der zwanzigsten verneinenden Antwort sah Jason ein, daß diese Möglichkeit ausschied.

Vielleicht hatte er mit der anderen mehr Erfolg? Jason erkundigte sich nach mündlichen Überlieferungen. Aber jetzt hatten die Pyrraner bereits den Spaß an der Sache verloren und begannen zu murren. Jason hörte auf, solange er noch seine heilen Knochen besaß. In der Kantine nahm er ein Mittagessen zu sich, das wie Kleister und Sägemehl schmeckte. Er aß rasch und blieb noch eine Weile vor dem leeren Tablett sitzen, um über die erneute Niederlage nachzudenken. Wo konnte er die benötigten Antworten erhalten? Die Männer, mit denen er gesprochen hatte, waren alle noch so jung! Sie verfügten weder über die Geduld noch die Begeisterung, die zum Erzählen alter Geschichten erforderlich sind. Nur alte Leute hatten eine Vorliebe dafür — aber auf Pyrrus gab es keine Alten.

Allerdings mit einer Ausnahme, denn der Bibliothekar Poli war alt. Vielleicht war das eine Möglichkeit? Ganz bestimmt, denn ein Mann, der sich ständig mit Büchern und Berichten befaßte, interessierte sich wahrscheinlich auch für ältere. Mit etwas Glück erinnerte er sich sogar an den Inhalt einiger Werke, die längst zerstört waren. Die Möglichkeit war nicht ubermäßig groß, mußte aber trotzdem verfolgt werden.

Der Weg zur Bibliothek erschöpfte Jason völlig. Ein heftiges Gewitter machte die Straße fast unpassierbar und nahm ihm zudem die Sicht. Ein Schnapper kam ihm nahe genug, um ein Stück Fleisch aus seinem linken Unterarm herauszufetzen, bevor er schießen konnte. Das Gegengift machte ihn schwindlig, so daß er ziemlich viel Blut verlor, bevor er die Wunde endlich verbunden hatte. Als er die Bibliothek erreichte, war er todmüde und wütend über sich selbst.