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„Wahrscheinlich hast du recht“, meinte Rhes. „Das ist eben ihre verdrehte Logik. Sie nützen uns aus und halten uns so kurz wie irgend möglich, damit wir nicht etwa aus diesem Stadium herauskommen. Noch schlimmer, sie stehen zwischen uns und den Sternen.“ Sein haßerfüllter Gesichtsausdruck erschreckte Jason so sehr, daß er unwillkürlich einen Schritt zurückwich.

„Hältst du uns auch für Wilde, Jason? Wir sehen wie Tiere aus und benehmen uns auch so, weil wir unter diesen Verhältnissen um unsere Existenz kämpfen müssen. Aber wir haben von dem Leben auf anderen Planeten gehört. Dort drüben in dem Schrank liegt unser größter Schatz — dreißig Bücher in einer Kassette. Leider sind es nur Romane und historische Werke, aber trotzdem haben wir aus ihnen gelernt.

Wir sehen die Raumschiffe in der Stadt landen und wissen, daß es Welten gibt, von denen wir nur träumen können, weil wir sie nie erreichen werden. Wunderst du dich noch darüber, daß wir diese Bestien hassen, die sich Menschen nennen, und daß wir sie vernichten würden, wenn wir nur könnten? Ein Glück für sie, daß sie uns keine Waffen geben — denn wir würden sie ohne Gnade ausrotten und uns alles nehmen, was sie uns vorenthalten.“

Das war ein hartes Verdammungsurteil, aber vielleicht war es nicht einmal ungerecht. Jedenfalls vom Standpunkt der Wilden aus. Jason versuchte Rhes gar nicht erst zu erklären, daß die Städter ebenso von der Richtigkeit ihres Standpunktes überzeugt waren. „Wie ist es eigentlich überhaupt zu dieser feindseligen Haltung zwischen den beiden Gruppen gekommen?“ fragte er.

„Das weiß ich selbst nicht“, antwortete Rhes, „aber ich habe schon oft darüber nachgedacht. Wir wissen nur, daß wir alle von den ursprünglichen Siedlern abstammen. Irgendwann müssen sie sich in zwei Gruppen aufgespalten haben. Vielleicht kam es zu einem Krieg wie er in Büchern beschrieben wird. Ich habe mir eine Theorie zurechtgelegt — die ich allerdings nicht beweisen kann —, nach der die Lage der Stadt daran schuld gewesen sein könnte.“

„Die Lage der Stadt — das verstehe ich nicht.“

„Nun, du kennst doch die Junkmen und hast gesehen, wo ihre Stadt liegt. Sie haben sie ausgerechnet an die am wenigsten geeignete Stelle des ganzen Planeten gebaut, ohne lange nach einer anderen zu suchen. Ich glaube, daß unsere Vorfahren nicht damit einverstanden waren. Das hätte doch ein Grund zu einem Krieg sein können, nicht wahr?“

„Vielleicht — falls alles sich wirklich so abgespielt hat“, stimmte Jason zu. „Aber ich glaube, daß du das Pferd von hinten aufgezäumt hast. Der Krieg ist zwischen den pyrranischen Lebewesen und den Menschen ausgebrochen, die sich gegenseitig vernichten wollen. Die Lebensformen ändern sich ständig und versuchen die Eindringlinge zu vernichten.“

„Deine Theorie klingt noch unwahrscheinlicher als meine“, sagte Rhes. „Das kann nicht sein. Ich gebe zu, daß das Leben hier nicht allzu leicht ist, aber die Verhältnisse ändern sich nicht. Man muß aufpassen und sich vor allem in acht nehmen, was größer als man selbst ist, aber man kann überleben. Im Grunde genommen ist das alles unwichtig. Die Junkmen wollten ja immer nur Kampf und Unfrieden, deshalb bin ich froh, daß sie jetzt genug davon haben.“

Jason wechselte das Thema, weil er wußte, daß Rhes sich nicht überzeugen lassen würde. Nicht einmal die Stadtbewohner hatten ihm glauben wollen, obwohl sie doch die Tatsachen deutlich vor Augen hatten. Aber von Rhes konnte er noch viel erfahren, wenn er den Mann nicht etwa verärgerte.

„Eigentlich ist es ziemlich unwichtig, wer an dem Ausbruch des Kampfes schuldig ist“, sagte Jason, um den anderen zu beruhigen, obwohl er völlig anderer Meinung war. „Aber du mußt doch zugeben, daß die Stadtbewohner sich ständig mit Angreifern herumschlagen müssen. Im Gegensatz dazu haben deine Leute zumindest zwei Tierarten gezähmt. Kannst du mir erklären, wie sie das geschafft haben?“

„Naxa kommt gleich wieder“, antwortete Rhes und zeigte auf die Tür. „Er muß nur noch die Tiere versorgen. Du kannst ihn fragen. Er ist unser bester Redner.“

„Redner!“ wiederholte Jason verblüfft. „Dabei hatte ich einen ganz anderen Eindruck von ihm. Er hat kaum den Mund aufgemacht — und wenn er es tat, drückte er sich nicht sehr deutlich aus.“

„Das meine ich natürlich nicht“, warf Rhes ungeduldig ein. „Die Redner kümmern sich um die Tiere. Sie richten Hunde und Doryms ab, aber die besseren wie Naxa versuchen es auch mit anderen Tieren. Sie ziehen sich eigenartig an, aber das scheint notwendig zu sein. Ich habe von ihnen gehört, daß Tiere weder Metalle noch Chemikalien mögen, deshalb laufen sie meistens in ungegerbten Fellen herum. Aber der Schmutz hat nichts mit ihrer Intelligenz zu tun.“

„Doryms? Sind das die Reittiere?“

Rhes nickte. „Eigentlich sind sie Tragtiere, aber wir reiten auch auf ihnen. Die männlichen Tiere ziehen die Pflüge, die weiblichen liefern Fleisch. Wenn du mehr darüber hören willst, mußt du Naxa fragen. Er ist draußen im Stall.“

„Dann werde ich dort nach ihm suchen“, sagte Jason und stand auf. „Nur komme ich mir ohne meine Pistole wehrlos vor…“

„Sie liegt in dem Schrank neben der Tür. Ich hoffe, daß du vorsichtig mit ihr umgehst!“

Naxa war im Stall damit beschäftigt, die riesigen Krallen eines Doryms abzufeilen. Jason beobachtete die Szene erstaunt. Der in Felle gekleidete Mann und das große Tier auf der einen Seite — auf der anderen jedoch die Berylliumfeile und die Leuchtröhre an der Decke. Das Dorym schnaubte leise und wich zurück, als Jason den Stall betrat. Naxa klopfte ihm auf den Hals und sprach leise zu ihm, bis es wieder ruhig stand.

Jason hatte das Gefühl, daß sich in diesem Augenblick ein Muskel in ihm regte, den er schon lange nicht mehr benutzt hatte. Trotzdem konnte er sich diese Empfindung nicht erklären.

„Guten Morgen“, sagte Jason. Naxa nickte nur mit dem Kopf und setzte seine Arbeit fort. Jason sah ihm zu und versuchte dabei das Gefühl von vorhin zu analysieren. Jedenfalls hatte es begonnen, als Naxa mit dem Dorym gesprochen hatte.

„Könntest du einen der Hunde hereinrufen, Naxa? Ich möchte ihn gern aus der Nähe sehen.“

Naxa hob nicht einmal den Kopf von seiner Arbeit, sondern stieß nur einen leisen Pfiff aus. Jason war überzeugt davon, daß man den Pfiff nicht außerhalb des Stalls gehört haben konnte, aber schon nach kurzer Zeit kam einer der Hunde herein. Der Redner kraulte ihn an der Schulter und murmelte dabei leise vor sich hin, während das Tier zu ihm aufsah.

Der Hund schien ungeduldig zu werden, als Naxa wieder seine Arbeit aufnahm. Er schnüffelte in allen Ecken herum und lief schließlich auf die Tür zu. Jason rief ihn zu sich zurück.

Jedenfalls hatte er ursprünglich beabsichtigt, den Hund zurückzurufen. Dann schwieg er aber doch — und rief das Tier nur in Gedanken. Er dachte die beiden Wörter Komm her und konzentrierte sich dabei auf den Hund, wie er sich früher auf Würfel konzentriert hatte. Erst dann fiel ihm auf, wie lange er seine Psi-Kräfte schon nicht mehr angewendet hatte.

Der Hund blieb stehen und drehte sich um.

Er zögerte, sah Naxa an und kam dann zu Jason.

Aus dieser kurzen Entfernung betrachtet wirkte er noch abstoßender. Der Schutzpanzer, die blutunterlaufenen Augen und die scharfen Eckzähne wirkten nicht gerade vertrauenerweckend. Trotzdem empfand Jason keine Angst, weil er wußte, daß zwischen ihm und der Bestie ein Rapport bestand. Er überlegte nicht einmal, als er die Hand ausstreckte und den Hund am Rücken kraulte.

„Ich wußte gar nicht, daß du ein Redner bist“, sagte Naxa, der ihn beobachtet hatte. Zum erstenmal schwang in der Stimme des Mannes ein freundlicher Ton mit.