Jason warf das Gerät fluchend von sich. Es fiel klatschend in eine Pfütze und verschwand. Das war das Ende aller Medizinen, das Ende des Medikastens — und Jason dinAlts Ende. Der einsame Kämpfer gegen die Gefahren eines todbringenden Planeten. Der mutige Fremde, der es mit allen Pyrranern aufnehmen konnte. Dabei hatte er nicht einmal zwanzig Stunden lang durchhalten können.
Hinter seinem Rücken ertönte plötzlich ein verhaltenes Knurren. Jason warf sich herum und schoß im gleichen Augenblick. Die Gefahr war vorüber, bevor er sie richtig wahrgenommen hatte. Er starrte die häßliche Bestie an, die nur einen Meter von ihm entfernt verendet war, und erkannte, daß er eine gute Ausbildung genossen hatte.
Das Tier schien mit den Hunden verwandt zu sein, die er bei den Wilden gesehen hatte. Etwa so, wie ein Wolf mit Hunden verwandt ist. Jason fragte sich, ob dieser Vergleich auch auf andere Punkte zutraf. Jagten diese Tiere ebenfalls in Rudeln?
Bei diesem Gedanken sah er auf — keine Sekunde zu früh. Die großen Bestien schlichen von allen Seiten näher heran. Als er zwei erschossen hatte, knurrten die übrigen wütend und zogen sich in den Wald zurück. Aber sie flohen nicht. Der Tod der anderen schien sie nicht zu erschrecken, sondern nur in noch größere Wut zu versetzen.
Jason erkannte, daß das Fieber seine Vorteile hatte. Er wußte, daß er nur noch bis Sonnenuntergang zu leben hatte — oder bis er seine Munition verschossen hatte. Aber trotzdem berührte diese Tatsache ihn nur wenig. Das alles spielte keine Rolle mehr. Er lehnte sich gegen den Baumstamm und hob nur ab und zu eine Hand, um zu schießen. Von Zeit zu Zeit mußte er hinter den Baum sehen, weil auch von dort Angreifer heranschlichen. Ein dünnerer Baum wäre besser gewesen, aber die Anstrengung war nicht der Mühe wert.
Irgendwann am Nachmittag gab er seinen letzten Schuß ab. Er erlegte damit eines der Tiere, das ziemlich nahe herangekommen war. Zuvor hatte er festgestellt, daß er auf größere Entfernungen meistens danebentraf. Das Tier fletschte die Zähne und verendete; die anderen wichen zurück und heulten wütend. Eines von ihnen war deutlich zu sehen, und Jason betätigte den Abzug seiner Waffe.
Diesmal ertönte nur ein leises Klicken. Er drückte nochmals ab, weil er an eine Ladehemmung dachte, aber der erwartete Schuß fiel nicht. Das Pistolenmagazin war leer, die Reservegeschosse in der Tasche an seinem Gürtel verbraucht. Jason erinnerte sich undeutlich daran, daß er mehrmals nachgeladen hatte, obwohl er nicht mehr genau wußte, wie oft er das Magazin aufgefüllt hatte.
Das war also das Ende. Die Pyrraner hatten recht gehabt, er war ihrem Planeten nicht gewachsen. Aber sie selbst brauchten sich nicht darüber zu freuen, denn auch sie würden ihm eines Tages unterliegen. Pyrraner starben nicht in ihrem Bett. Alte Pyrraner starben nicht, sondern wurden einfach aufgefressen.
Nachdem er jetzt nicht mehr wach bleiben mußte, um schießen zu können, wurde das Fieber übermächtig. Er wollte schlafen und wußte, daß er nie wieder aufwachen würde. Seine Augen schlossen sich halb, während er die Raubtiere beobachtete, die auf ihn zukrochen. Das erste setzte bereits zum Sprung an; Jason sah, wie es seine Beinmuskeln anspannte.
Es sprang. Dann wirbelte es durch die Luft und fiel schwer zu Boden, bevor es Jason erreicht hatte. Ein kurzer Metallbolzen ragte neben einem Auge aus dem häßlichen Kopf.
Zwei Männer traten aus dem Wald und sahen auf Jason herab. Ihre bloße Gegenwart schien die Raubtiere zu erschrecken, denn sie waren alle verschwunden.
Grubber. Jason hatte sich so sehr auf die Stadt konzentriert, daß er die Wilden ganz vergessen hatte. Jetzt war er froh, daß sie rechtzeitig gekommen waren. Er konnte nicht gut sprechen, deshalb wollte er lächeln. Aber dann taten ihm die Lippen weh, deshalb fiel er lieber in Ohnmacht.
25
Später konnte Jason sich kaum noch an die nun folgenden Ereignisse erinnern. Er spürte die Gegenwart großer Tiere und glaubte getragen zu werden. Dann nahm er undeutlich Wände, Holzrauch und Stimmengewirr wahr. Aber er war zu erschöpft, um sich darum zu kümmern, sondern dämmerte statt dessen nur willenlos vor sich hin.
„Allmählich höchste Zeit“, stellte Rhes fest. „Noch ein paar Tage auf diese Art und Weise, dann hätten wir dich begraben, selbst wenn du noch geatmet hättest.“
Jason kniff angestrengt die Augen zusammen und versuchte das Gesicht zu erkennen, das über seinem Bett verschwamm. Schließlich sah er Rhes und wollte mit ihm sprechen. Aber schon nach dem ersten Wort erlitt er einen heftigen Hustenanfall. Jemand hielt ihm einen Becher an die Lippen und gab ihm eine süßlich schmeckende Flüssigkeit zu trinken. Jason ruhte sich einen Augenblick lang aus, dann nahm er einen neuen Anlauf.
„Wie lange bin ich schon hier?“ Die Stimme klang dünn und schien aus weiter Entfernung zu kommen. Jason erkannte sie kaum als seine eigene.
„Eine Woche. Und warum hast du nicht zugehört, als wir uns zum erstenmal unterhalten haben?“ wollte Rhes wissen.
Jason sah ihn verwirrt an.
„Du hättest an der Absturzstelle bleiben sollen“, fuhr Rhes fort. „Wußtest du nicht mehr, daß ich von einer Landung irgendwo auf Pyrrus gesprochen habe? Nun, darüber brauchen wir uns keine Gedanken mehr zu machen. Aber beim nächstenmal hörst du lieber besser zu.
Meine Leute erreichten das Wrack vor Anbruch der Dunkelheit. Sie nahmen zunächst an, daß der Pilot mit dem Schiff untergegangen sei. Aber dann nahm einer der Hunde deine Spur auf, verlor sie allerdings nachts in den Sümpfen wieder. Die Männer wollten schon Verstärkung anfordern, als sie endlich deine Schüsse hörten. Offenbar kamen sie gerade noch rechtzeitig. Glücklicherweise war einer der Männer ein Redner und konnte die wilden Hunde fortscheuchen. Sonst hätten meine Leute sie alle umbringen müssen — und das kann sich unangenehm auswirken.“
„Vielen Dank für die Hilfe“, sagte Jason. „Aber was war dann? Ich erinnere mich noch daran, daß ich bereits mit dem Leben abgeschlossen hatte. Schließlich ist mit einer Lungenentzündung nicht zu spaßen — aber anscheinend wirken eure Heilmittel doch besser, als du mir damals erzählt hast.“
Seine Stimme erstarb, als Rhes mit sorgenvollem Gesicht den Kopf schüttelte. Jason wandte die Augen ab und sah erst jetzt Naxa neben einem weiteren Grubber stehen. Beide Männer machten ein ebenso unglückliches Gesicht wie Rhes.
„Was ist denn?“ fragte Jason verwirrt. „Wenn eure Medizin nicht geholfen hat — was dann? Bestimmt nicht mein Medikasten. Er war nämlich leer. Ich erinnere mich deutlich daran, daß ich ihn weggeworfen habe.“
„Du warst todkrank“, sagte Rhes langsam. „Wir konnten dir nicht helfen. Dazu brauchten wir eines dieser Geräte, wie sie die Junkmen haben. Wir haben es von dem Fahrer des Lastwagens bekommen.“
„Aber wie?“ erkundigte Jason sich erstaunt. „Du hast mir selbst gesagt, daß die Stadtbewohner euch keine Heilmittel liefern. Der Fahrer hat euch bestimmt nicht seinen eigenen Medikasten überlassen. Es sei denn, er war…“
Rhes nickte und beendete den Satz. „Tot. Selbstverständlich war er tot. Ich habe ihn selbst getötet.“
Das war ein schwerer Schlag für Jason. Er ließ sich in die Kissen zurücksinken und dachte an die vielen Menschen, die den Tod gefunden hatten, seitdem er auf Pyrrus gelandet war. Die Männer, die gestorben waren, um ihn zu retten, die wegen seiner Ideen das Leben gelassen hatten. Er wagte kaum an diese Schuld zu denken, die auf seinem Gewissen lastete. Würde dies alles mit Krannon ein Ende haben — oder würden die Stadtbewohner seinen Tod rächen wollen?