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„Wißt ihr denn gar nicht, was das bedeutet?“ Er stieß die Worte mühsam hervor. „Durch den Mord an Krannon habt ihr euch alle Städter zu Feinden gemacht. Sie werden die Lieferungen einstellen und euch bekämpfen, wo sie euch treffen…“

„Natürlich wissen wir das!“ Rhes sprach eindringlich weiter. „Die Entscheidung ist uns bestimmt nicht leichtgefallen. Wir hatten eine Art Waffenstillstand mit den Junkmen geschlossen. Der Lastwagen durfte nicht angegriffen werden. Schließlich stellte er unsere letzte Verbindung zur Außenwelt dar.“

„Und trotzdem habt ihr diese Verbindung zerstört — weshalb?“

„Diese Frage kannst nur du vollständig beantworten. Die Stadt wurde angegriffen und konnte sich kaum verteidigen. Zur gleichen Zeit befand sich das Raumschiff über dem Meer und warf Bomben ab — unsere Leute haben den Lichtblitz beobachtet. Dann kam es zurück, und du flogst in dem kleineren Schiff fort. Es wurde beschossen, aber nur einmal getroffen. Du kamst mit dem Leben davon, das kleine Schiff war ebenfalls nicht zerstört; wir versuchen es jetzt zu bergen.

Was bedeutete das alles? Wir fanden keine Erklärung. Wir wußten nur, daß sich etwas Wichtiges ereignet hatte. Du lebtest noch, würdest aber offenbar sterben, bevor du wieder sprechen konntest. Das kleine Schiff läßt sich vielleicht wieder reparieren — hattest du es deshalb für uns gestohlen? Wir durften dich nicht sterben lassen, selbst wenn wir einen Krieg mit der Stadt riskieren mußten. Ich habe meinen Leuten die Lage erklärt. Sie alle stimmten dafür, daß wir dich retten sollten. Deshalb habe ich den Junkman wegen seiner Medizin getötet und zwei Doryms zu Tode geritten, um sie rechtzeitig hierher zu bringen.

Jetzt warten wir nur noch auf deine Antwort — was bedeutet das alles? Was hast du vor? Wie willst du uns helfen, Jason?“

Das schlechte Gewissen verschlug Jason einen Augenblick lang die Sprache. Wie konnte er diesen Menschen erzählen, daß er das Rettungsboot nur deshalb gestohlen hatte, weil er sein Leben retten wollte?

Die drei Pyrraner warteten auf seine Erklärung. Jason schloß die Augen, damit er ihre erwartungsvollen Gesichter nicht mehr sehen mußte. Wenn er die Wahrheit zugab, würden sie ihn bestimmt auf der Stelle umbringen und seinen Tod als gerechte Strafe ansehen. Jason fürchtete nicht um sein Leben, aber wenn er starb, waren alle anderen Opfer vergebens gewesen. Dabei glaubte er die Lösung bereits vor Augen zu haben. Er war nur zu müde, um logisch denken zu können…

Vor der Hütte dröhnten schwere Schritte, dann erklang eine laute Stimme. Niemand außer Jason schien sie gehört zu haben. Die Pyrraner warteten gespannt auf seine Antwort. Jason suchte vergeblich nach Worten. Er wußte, daß er jetzt nicht die Wahrheit sagen durfte. Wenn er starb, blieb keine Hoffnung mehr. Er mußte Zeit gewinnen, um die Lösung zu finden, die so nahe vor ihm zu liegen schien. Aber trotzdem war er zu erschöpft, um sich eine plausible Lüge einfallen zu lassen.

Dann wurde die Tür aufgerissen und knallte gegen die Wand. Ein untersetzter Mann mit rotem Gesicht, das sich seltsam von seinem weißen Bart abhob, stand auf der Schwelle.

„Seid ihr alle taub?“ fragte er wütend. „Ich reite die ganze Nacht durch und brülle mir die Lunge aus dem Hals — und ihr sitzt hier gemütlich auf euren Ohren. Los, kommt! Erdbeben! Ein großes Erdbeben ist unterwegs!“

Die Pyrraner sprangen auf und sprachen aufgeregt durcheinander. Rhes brauchte einige Minuten, bis er sich durchsetzen konnte. „Hananas! Wie lange haben wir noch Zeit?“

„Zeit! Wer spricht hier von Zeit!“ antwortete der Mann mit dem Bart. „Verschwindet, sonst habt ihr nicht mehr lange zu leben! Kapiert?“

Niemand hielt sich jetzt noch mit weiteren Fragen auf. Bereits eine Minute später wurde Jason auf dem Rücken eines Doryms festgebunden. „Was ist denn los?“ erkundigte er sich bei dem Mann, der ihm behilflich war.

„Ein Erdbeben kommt“, antwortete der Mann kurz, während er die Knoten festzog. „Hananas ist unser bester Erdbebenmann. Er weiß immer, wann ein Beben kommt. Wenn wir die Warnung rechtzeitig haben, fliehen wir sofort. Die Erdbebenmänner haben sich bisher noch nie geirrt.“ Der Mann überprüfte die Knoten und war verschwunden.

Als sie aufbrachen, glühte nicht nur der Himmel im Westen von dem Sonnenuntergang, sondern auch der im Norden — aber aus einem anderen Grund. Von Zeit zu Zeit ertönte ein dumpfes Grollen, während gleichzeitig der Boden unter ihren Füßen schwankte. Die Doryms brauchten nicht angetrieben zu werden, sie fielen von selbst in Trab. Hananas mahnte immer wieder zur Eile. Kurze Zeit später, als der Himmel hinter ihnen aufglühte, erkannte Jason den Grund dafür. Ein Ascheregen ging nieder und große Felsbrocken stürzten in die Bäume. Sie dampften noch, als sie aufprallten.

Jason sah erschrocken auf, als er das riesige Tier in einiger Entfernung neben sich herlaufen sah. Er machte Rhes darauf aufmerksam, aber der Pyrraner warf nur einen kurzen Blick auf das Ungeheuer mit den mannshohen Hörnern und dem doppelt so langen Körper. Er war weder erschrocken noch besonders interessiert. Jason sah sich um und begann zu verstehen.

Die flüchtenden Tiere gaben keinen Ton von sich, deshalb hatte er sie nicht früher bemerkt. Aber zu beiden Seiten bewegten sich dunkle Gestalten zwischen den Bäumen. Einige davon erkannte er, andere hatte er noch nie gesehen. Kurze Zeit lang traute er seinen Augen nicht, als er sah, daß alle Tiere friedlich nebeneinander herliefen. Aber dann überlegte er sich, daß die Bedrohung durch das Erdbeben und die Vulkanausbrüche stärker als alle Feindschaft sein mußte.

Jason schlief schließlich im Sattel ein, träumte aber ständig von riesigen Tierherden, die lautlos durch die Wälder flüchteten. Als er die Augen wieder öffnete, sah er das gleiche Bild.

Das hatte etwas zu bedeuten. Jason runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach. Tiere rannten nebeneinander her. Pyrranische Tiere.

Er richtete sich plötzlich im Sattel auf und starrte die Tiere mit großen Augen an.

„Was ist los?“ erkundigte sich Rhes und ritt näher heran.

„Weiter, nur weiter“, drängte Jason. „Wir müssen uns zuerst in Sicherheit bringen. Ich weiß jetzt, wie der Krieg beendet werden kann, wie ihr doch noch zu den Sternen gelangen könnt. Es gibt einen Weg — und ich kenne ihn.“

26

Später erinnerte Jason sich kaum noch an die Einzelheiten des nächtlichen Ritts. Einige Vorkommnisse waren ihm deutlich im Gedächtnis geblieben — zum Beispiel der Augenblick, in dem ein glühender Felsbrocken in den Sumpf vor ihnen klatschte und sie mit heißen Wasserspritzern überschüttete. Aber fast alles andere verschwamm wie in einem Nebel, denn Jason war noch zu erschöpft. Gegen Morgen hatten sie das Gefahrengebiet hinter sich gelassen und konnten langsamer weiterreiten. Die zahlreichen Tiere waren verschwunden, als hätte sie der Erdboden verschluckt.

Der kurze Waffenstillstand war vorüber; Jason konnte sich selbst davon überzeugen, als sie eine Pause einlegten. Er und Rhes wollten sich auf einen umgestürzten Baumstamm setzen, sahen aber, daß dort bereits ein wilder Hund lag. Das Tier starrte sie böse an. Rhes blieb ruhig stehen und erwiderte seinen Blick. Jason hoffte nur, daß der Pyrraner wußte, was er tat.

Plötzlich sprang der wilde Hund sie an. Jason fiel, als Rhes ihn zur Seite stieß. Der Pyrraner ging ebenfalls in die Knie — aber jetzt hielt er sein langes Messer in der Hand. Das Tier schnappte im Sprung danach, aber Rhes stieß blitzschnell zu. Als der wilde Hund den Boden berührte, lebte er bereits nicht mehr.

Der Pyrraner wischte sein Messer an dem Rücken des Tieres ab, bevor er es wieder in die Scheide steckte. „Sonst greifen sie eigentlich nie an“, sagte er dabei ruhig, „aber dieser hier war aufgeregt. Wahrscheinlich hatte er sein Rudel verloren.“ Das alles stand in einem auffälligen Gegensatz zu dem Benehmen der Städter. Rhes hatten den Kampf nicht begonnen, sondern ihn zu vermeiden versucht. Und jetzt triumphierte er nicht über seinen Sieg, sondern schien im Gegenteil den unnötigen Tod des Tieres zu bedauern.