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Renius sprach mit leiser Stimme auf das Tier ein, doch seine Worte waren oben in den Zuschauerrängen nicht zu verstehen. Er legte eine Hand auf die Mähne und tätschelte sie geistesabwesend, als läge da sein Lieblingsjagdhund. Dann zog er die Klinge durch die Kehle des Löwen, und es war zu Ende.

Die Zuschauer schienen zum ersten Mal seit Stunden Luft zu holen und lachten, von der drückenden Spannung erlöst, erleichtert auf. Vier Männer lagen tot im Sand, aber Renius, der alte Recke, stand noch, obwohl er ziemlich erschöpft aussah. Das Publikum fing an, seinen Namen zu skandieren, doch er verbeugte sich nur kurz, ging mit zielstrebigen Schritten auf die im Schatten liegende Tür zu und verschwand in der Dunkelheit.

»Geh ihm schnell nach, Tubruk. Du kennst mein Höchstgebot. Aber denke daran: Ein ganzes Jahr in meinen Diensten.«

Tubruk verschwand in der Menge, und die Jungen blieben mit Julius allein zurück. Sie versuchten, sich höflich mit ihm zu unterhalten, aber ohne Tubruk als Vermittler erstarb das Gespräch schnell wieder. Julius liebte seinen Sohn, doch es hatte ihm noch nie Freude bereitet, sich mit Halbwüchsigen zu unterhalten. Sie schwatzten immer nur vor sich hin und wussten nichts von Schicklichkeit und Selbstbeherrschung.

»Wenn es stimmt, was man über ihn sagt, dann dürfte er ein sehr strenger Lehrer sein. Früher gab es im ganzen Imperium niemanden seinesgleichen, aber Tubruk kann diese Geschichten viel besser erzählen als ich.«

Die Jungen nickten eifrig und nahmen sich vor, Tubruk über sämtliche Einzelheiten auszuquetschen, sobald sich die Gelegenheit dazu bot.

Es war schon fast Herbst, ehe die Jungen Renius auf dem Gut wiedersahen, als er im gepflasterten Hof vor den Stallungen von seinem Wallach stieg. Es gehörte zu seinen Privilegien, dass er reiten durfte wie ein Offizier oder Senatsmitglied. Die beiden Jungen waren gerade in der angrenzenden Heuscheune und sprangen von den aufgetürmten Garben in das lose Heu hinab. Derart mit Staub und Heu bedeckt, durften sie sich nicht sehen lassen, und so schielten sie hinter einer Stallecke hervor nach dem Besucher. Der sah sich suchend im Hof um, bis Tubruk auf ihn zukam und ihm die Zügel abnahm.

»Man wird dich empfangen, sobald du dich nach deiner Reise erfrischt hast.«

»Ich bin kaum fünf Meilen geritten. Ich bin weder schmutzig, noch schwitze ich wie ein Tier. Führ mich ins Haus, oder ich suche mir selbst den Weg«, blaffte ihn der alte Soldat mit gerunzelter Stirn an.

»Ich sehe, du hast nichts von deinem Charme und deinen gepflegten Umgangsformen verloren, seit du mit mir gearbeitet hast.«

Renius lächelte nicht, und einen Moment rechneten die Jungen damit, dass er zum Schlag ausholte oder zumindest zu einer scharfen Erwiderung ansetzte.

»Ich sehe, du hast noch immer nicht gelernt, wie man sich Älteren gegenüber benimmt. Ich hätte mehr von dir erwartet.«

»Jeder ist jünger als du. Doch, doch, ich verstehe schon, dass du keine Lust mehr hast, dich zu ändern.«

Renius erstarrte einen Moment und blinzelte Tubruk gefährlich träge an. »Willst du, dass ich mein Schwert ziehe?«

Tubruk blieb ruhig. Erst jetzt fiel Marcus und Gaius auf, dass auch er sich seinen alten Gladius umgegürtet hatte.

»Ich möchte nur, dass du nicht vergisst, dass ich für die Verwaltung dieses Anwesens hier verantwortlich bin, und dass ich, genau wie du, ein freier Mann bin. Unsere Übereinkunft dürfte allen zum Vorteil gereichen.«

Bei dieser Antwort lächelte Renius. »Ganz recht. Dann führe mich jetzt zum Herrn des Hauses. Ich brenne darauf, den Mann kennen zu lernen, der so interessante Menschen für sich arbeiten lässt.«

Als die beiden Männer davongingen, sahen sich Gaius und Marcus mit vor Aufregung leuchtenden Augen an.

»Er wird ein sehr harter Lehrmeister sein, aber er dürfte von dem Talent, das er formen soll, schon bald beeindruckt sein«, flüsterte Marcus.

»Und dann wird ihm bewusst werden, dass wir seine letzte große Aufgabe sind, bevor er tot umfällt«, fuhr Gaius fort, ganz von dieser Idee eingenommen.

»Ich werde der größte Schwertkämpfer im ganzen Land, denn seit ich ein kleines Kind war, habe ich meine Arme jeden Abend gedehnt«, spann Marcus seine Gedanken weiter.

»Dann werden sie dich den kämpfenden Affen nennen!«, verkündete Gaius ehrfürchtig.

Marcus warf ihm Heu ins Gesicht. In gespielter Wut rangen sie miteinander und kugelten hin und her, bis Gaius schließlich oben war und sich schwer auf die Brust seines Freundes setzte.

»Ich werde bestimmt der ein bisschen bessere Schwertkämpfer von uns beiden. Aber ich bin zu bescheiden, als dass ich dich vor den Damen bloßstellen würde.«

Er warf sich stolz in die Brust, und Marcus schob ihn von sich herunter ins Stroh. Keuchend und einen Moment lang in ihre Tagträume versunken, saßen sie da.

Schließlich brach Marcus das Schweigen: »In Wahrheit wirst du dieses Anwesen führen, genau wie dein Vater. Ich habe nichts, und du weißt, dass meine Mutter eine Hure ist ... Nein, sag jetzt nichts. Wir haben beide gehört, wie dein Vater das gesagt hat. Ich habe kein Erbe außer meinem Namen, und der ist beschmutzt. Die einzige Zukunft für mich liegt in der Armee, wo zumindest meine Geburt nobel genug ist, dass ich einen höheren Rang anstreben darf. Renius als Lehrer zu haben, wird uns beiden nützen, aber mir wesentlich mehr als dir.«

»Du wirst immer mein Freund bleiben, das weißt du. Nichts wird je zwischen uns stehen«, sagte Gaius mit klarer Stimme und sah Marcus dabei fest in die Augen.

»Wir gehen unseren Weg gemeinsam.«

Sie nickten und gaben einander die Hand, um ihren Pakt zu besiegeln. Gerade als sie wieder losließen, steckte Tubruk seinen Kopf in die Scheune.

»Geht euch waschen. Sobald Renius mit deinem Vater gesprochen hat, Gaius, will er euch bestimmt sehen.«

Langsam standen sie auf, aber ihre Bewegungen verrieten deutlich ihre Nervosität.

»Ist er grausam?«, fragte Gaius.

Tubruk lächelte nicht.

»Ja, er ist grausam. Er ist der brutalste Mann, dem ich je begegnet bin. Er gewinnt seine Schlachten, weil die meisten anderen Männer Schmerzen fühlen und Tod und Verstümmelung fürchten. Er aber ist mehr ein Schwert als ein Mann, und er wird euch beide so hart machen, wie er selbst es ist. Ihr werdet ihm wahrscheinlich nie dafür danken, sondern ihn eher dafür hassen. Aber was er euch beibringt, wird euch mehr als einmal das Leben retten.«

Gaius sah ihn fragend an. »Kennst du ihn denn von früher?«

Tubruks Lachen war bitter. »Das könnte man so sagen. Er hat mich für die Arena ausgebildet, als ich noch Sklave war.«

Seine Augen blitzten kurz in der Sonne auf, als er sich zum Gehen umdrehte und verschwand. Renius stand mit schulterbreit gespreizten Beinen und im Rücken verschränkten Armen vor ihnen. Stirnrunzelnd sah er den sitzenden Julius an.

»Nein. Wenn sich irgendjemand einmischt, bin ich noch in der gleichen Stunde weg. Du willst, dass ich aus deinem Sohn und dem Hurenbalg Soldaten mache. Ich weiß genau, wie man das macht, denn das habe ich auf die eine oder andere Weise mein ganzes Leben lang getan. Manchmal lernen sie es erst, wenn der Feind angreift, manchmal lernen sie es nie. Und von Letzteren sind so manche in hastig ausgehobenen Gräbern in der Fremde zurückgeblieben.« »Tubruk wird den Fortschritt der Jungen mit dir besprechen wollen. Sein Urteil ist für gewöhnlich unbestechlich. Immerhin ist er selbst von dir ausgebildet worden«, erwiderte Julius, der versuchte, die verlorene Herrschaft über das Gespräch wiederzuerlangen.