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In diesem Moment war Renius trotz der Schmerzen in seinen Armen völlig vergessen.

Der alte Mann verstummte abrupt und fuhr auf dem Absatz herum, um zu sehen, was die Jungen von ihrer Lektion ablenkte. Als er die Sklavin sah, knurrte er wütend, überquerte mit drei schnellen Schritten den Hof und packte sie grob am Arm. Das Mädchen schrie auf, und Renius’ Stimme erhob sich zu wütendem Gebrüll.

»Ich bringe diesen Kindern hier gerade etwas Wichtiges bei, das ihnen einmal das Leben retten wird, und du stellst vor ihnen wie eine billige Hure deine Titten zur Schau!«

Das Mädchen duckte sich ängstlich unter seinem Zorn und versuchte, so weit wie möglich vor ihm zurückzuweichen, obwohl er ihr Handgelenk fest umklammert hielt.

»Ich ...«:, stammelte sie wie betäubt, doch Renius fluchte und packte sie an den Haaren. Sie wimmerte vor Schmerz, und er riss sie herum, sodass sie den Jungen direkt gegenüberstand.

»Es ist mir völlig gleichgültig, ob Tausend solcher Weibsbilder hier hinter mir stehen. Ich bringe euch bei, wie man sich konzentriert!«

Er holte mit dem Fuß aus und fegte dem Mädchen mit einer brutalen Bewegung die Beine unter dem Körper weg. Sie fiel zu Boden, doch Renius hielt sie noch immer am Haar fest. Mit der anderen Hand hob er die Peitsche und ließ sie im Takt zu seinen Worten auf sie niedersausen.

»Du lenkst diese Jungen nicht ab, wenn ich sie unterrichte

Als Renius endlich von ihr abließ, weinte das Mädchen. Sie kroch ein paar Meter über den Boden, kam dann geduckt hoch und rannte schluchzend vom Hof.

Marcus und Gaius sahen Renius, der sich wieder zu ihnen umdrehte, fassungslos an. Sein Gesicht war zu einer mörderischen Fratze verzogen.

»Klappt die Mäuler wieder zu, Jungs. Das hier war nie als Spiel gedacht. Ich mache euch so hart und so ausdauernd, dass ihr der Republik dienen könnt, wenn ich einmal nicht mehr bin. Ich dulde keine Schwäche, egal welcher Art. Und jetzt hebt die Steine wieder auf und haltet sie, bis ich euch befehle, damit aufzuhören.«

Die Jungen, die es nicht wagten, auch nur einen Blick zu wechseln, hoben die Steine ein weiteres Mal an.

An diesem Abend, als Stille in das Gut eingekehrt und Renius in die Stadt zurückgeritten war, verschob Gaius seinen üblichen Erschöpfungsschlaf, um die Sklavenquartiere aufzusuchen. Er strich mit schlechtem Gewissen dort herum und hielt immer wieder nach Tubruks Schatten Ausschau, obwohl er eigentlich gar nicht so genau wusste, warum.

Die Haussklaven schliefen unter dem selben Dach wie die Familie, jedoch in einem eigenen Flügel mit einfachen Kammern. Diese Welt hier war ihm unbekannt. Nervös schlich er durch die dunkelnden Korridore. Er überlegte, ob er einfach an die Türen klopfen und ihren Namen rufen sollte.

Er fand sie auf der niederen Schwelle einer offenen Tür sitzend. Da sie völlig in Gedanken versunken schien, räusperte er sich leise, als er sie erkannte. Erschrocken rappelte sie sich auf, blieb dann regungslos stehen und starrte vor sich auf den Boden. Sie hatte den Staub des Tages von der Haut gewaschen, und ihr Gesicht leuchtete zart und blass im Abendlicht. Ihre Haare waren mit einem Stoffstreifen zurückgebunden, und in der Dunkelheit waren ihre Augen riesengroß.

»Heißt du Alexandria?«, fragte er leise.

Sie nickte.

»Ich komme, um dir zu sagen, dass es mir Leid tut wegen heute Mittag. Ich habe dich bei deiner Arbeit beobachtet, und Renius dachte, du lenkst uns ab.«

Sie stand vor ihm und rührte sich nicht, den Blick auf den Boden vor seinen Füssen gerichtet. Eine Weile blieb es still zwischen ihnen, und Gaius errötete, weil er nicht wusste, wie er fortfahren sollte.

»Es tut mir Leid, hörst du? Renius war sehr grausam zu dir.«

Sie sagte noch immer nichts. Ihre Gedanken überschlugen sich, doch er war schließlich der Sohn des Hauses. Am liebsten hätte sie gesagt: Ich bin eine Sklavin. Für mich bedeutet jeder Tag Schmerz und Erniedrigung. Es gibt nichts, was du mir sagen könntest.

Gaius blieb noch einen Moment wartend stehen, dann ging er und wünschte, er wäre nie hierher gekommen.

Alexandria sah ihm nach. Sie sah den selbstsicheren Gang und die aufkeimende Stärke, die Renius in ihm hervorbrachte. Wenn er erst älter war, würde er genau so gemein werden wie dieser alte Gladiator. Er war frei und ein Römer, sein Mitleid rührte nur von seiner Jugend her, und die wurde ihm mit der militärischen Ausbildung rasch ausgetrieben. Der Zorn, den sie nicht zu zeigen gewagt hatte, ließ ihr Gesicht brennen. Ihm nicht geantwortet zu haben, war zwar nur ein kleiner Sieg, doch sie genoss ihn.

Am Ende jedes Vierteljahres erstattete Renius Julius Bericht über ihre Fortschritte. Am Abend vor dem vereinbarten Termin kam Gaius’ Vater immer von seinem Quartier in der Hauptstadt nach Hause und hörte sich zunächst an, was Tubruk über das Wohlergehen des Gutes zu sagen hatte. Dann ließ er die beiden Jungen zu sich kommen und verbrachte noch ein paar zusätzliche Minuten allein mit seinem Sohn. Am folgenden Tag, bei Morgengrauen, sprach er dann mit Renius. Gaius und Marcus, dankbar für diese Unterbrechung des gewohnten Tagesablaufs, durften etwas länger schlafen.

Der erste Bericht war enttäuschend kurz ausgefallen.

»Sie haben einen Anfang gemacht. Beide haben etwas vom richtigen Geist in sich«, hatte Renius lapidar gesagt.

Nach einer langen Pause wurde Julius klar, dass kein weiterer Kommentar folgen würde. »Gehorchen sie denn?«, fragte er, verwundert über die mangelnden Informationen. Dafür zahlte er so viel Geld?

»Natürlich«, erwiderte Renius mit verblüfftem Gesicht.

»Sind sie ... äh ... Machen sie sich denn vielversprechend?«, bohrte Julius weiter. Er wollte vermeiden, dass diese Unterredung die gleiche Wendung nahm wie die letzte, aber er hatte schon wieder das Gefühl, als redete er mit einem seiner alten Lehrer und nicht mit einem Mann, der in seinen Diensten stand.

»Ein Anfang ist gemacht. Eine solche Aufgabe lässt sich nicht über Nacht vollbringen.«

»So ist es immer bei Dingen von Wert«, erwiderte Julius leise.

Einen Moment sahen sie einander gelassen an, dann nickten beide, und damit war die Unterredung beendet. Der alte Krieger verabschiedete sich mit einem knappen, festen Händedruck und ging hinaus. Julius blieb stehen und starrte auf die Tür, die sich hinter Renius schloss.

Tubruk hielt seine Trainingsmethoden für gefährlich und hatte von einem Vorfall erzählt, bei dem die Jungen ohne Überwachung leicht hätten ertrinken können. Julius verzog das Gesicht. Er wusste, wenn er diese Bedenken Renius vortrug, kam das einer Auflösung ihres Abkommens gleich. Den alten Menschenschinder davon abzuhalten, zu weit zu gehen, musste er wohl oder übel seinem Gutsverwalter überlassen.

Seufzend setzte er sich hin und grübelte über die Probleme, die ihn in Rom beschäftigten. Cornelius Sullas Macht war weiter gewachsen, nachdem er einige Städte im Süden der Kontrolle ihrer Kaufleute entrissen und dem Schutze Roms unterstellt hatte. Wie hieß die letzte noch einmal? Pompeji, irgendeine Stadt in den Bergen. Mit solchen kleinen Triumphen sorgte Sulla dafür, dass sein Name der geistlosen Öffentlichkeit in Erinnerung blieb. Durch ein Netz aus Lügen, Bestechung und Gefälligkeiten hatte er eine ganze Gruppe Senatoren in der Hand. Sie waren alle noch jung, und der Gedanke an manche von ihnen ließ den alten Soldaten Julius erschauern. Sollte Rom tatsächlich zu seinen Lebzeiten auf diese Weise enden?

Statt die Angelegenheiten des Imperiums ernst zu nehmen, lebten sie nur für ihre schmutzigen, zweifelhaften Vergnügungen. Sie beteten im Tempel der Aphrodite und nannten sich »Neue Römer«. Es gab nicht mehr viel, womit man in den Tempeln des Kapitols noch Aufruhr verursachten konnte, aber diese neue Gruppe schien es als ihre Aufgabe zu betrachten, die Grenzen dafür aufzuspüren und sie eine nach der anderen zu überschreiten. Einer der Volkstribunen, der Sulla bei jeder sich bietenden Gelegenheit widersprochen hatte, war ermordet aufgefunden worden. Die Tatsache an sich war nicht einmal so bemerkenswert. Er lag in einem Wasserbecken, das von einer geschickt geöffneten Ader in seinem Bein blutrot gefärbt war, eine an sich nicht ungewöhnliche Todesart. Das Problem dabei war, dass man auch seine Kinder tot aufgefunden hatte, was wie eine Warnung für die anderen wirkte. Es gab weder Indizien noch Zeugen, und es war sehr unwahrscheinlich, dass man die Mörder jemals finden würde. Doch bevor ein anderer Tribun gewählt werden konnte, hatte Sulla eine Resolution durchgebracht, die den Generälen im Feld größere Entscheidungsfreiheit gewährte. Die Notwendigkeit dafür hatte er selbst mit überzeugender Leidenschaft und Eloquenz dargelegt. Der Senat hatte abgestimmt, und wieder war Sullas Einfluss ein Stückchen gewachsen, während die Macht der Republik langsam aber stetig schwand.