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Julius hatte es zwar bis jetzt geschafft, neutral zu bleiben, aber durch seine Ehe war er mit einem der an dem Machtspiel Beteiligten verwandt; Marius, der Bruder seiner Frau, und so würde er früher oder später Stellung beziehen müssen. Als kluger Mann sah er die Veränderungen kommen, doch es machte ihn traurig, dass die Gleichheit in der Republik von immer mehr Hitzköpfen im Senat als Fesseln empfunden wurde. Auch Marius vertrat die Ansicht, dass ein mächtiger Mann das Gesetz eher für sich selbst nutzen sollte, als ihm nur zu gehorchen. Diese Haltung hatte er bereits unter Beweis gestellt, als er das System zur Wahl der Konsuln zur Farce gemacht hatte. Das römische Gesetz schrieb vor, dass ein Konsul vom Senat nur einmal gewählt werden durfte und dann von seiner Position zurücktreten musste. Durch Siege gegen die Stämme der Kimbern und Teutonen, die er mit der Primigenia Legion vernichtend geschlagen hatte, hatte Marius vor kurzem seine dritte Wiederwahl gesichert. Noch immer war er ein Löwe des aufsteigenden Roms, und Julius würde in seinem Schatten Schutz suchen müssen, falls Cornelius Sulla noch mächtiger wurde.

Er würde Gefälligkeiten erweisen müssen und einen Teil seiner Eigenständigkeit verlieren, wenn er sich dem Lager des Marius anschloss, doch es war vielleicht die einzig vernünftige Entscheidung. Er wünschte, er könnte seine Frau um Rat fragen, ihr so wie früher zuhören, wenn ihr wacher Geist einem Problem auf den Grund ging. Stets hatte sie eine bestimmte Fassette einer Frage erkannt, einen besonderen Blickwinkel, den sonst niemand wahrnahm. Er vermisste ihr feinsinniges Lächeln und die Art, wie sie ihm, wenn er müde war, immer die Handflächen auf die Augen legte, und ihm eine wunderbare, friedvolle Kühle schenkte .

Leise ging er über den Gang zu Aurelias Gemächern, blieb vor ihrer Tür stehen und lauschte ihren tiefen, gleichmäßigen Atemzügen, die in der Stille kaum zu hören waren.

Vorsichtig betrat er den Raum und näherte sich der schlafenden Gestalt. Er küsste sie sanft auf die Stirn, doch sie bewegte sich nicht, und so setzte er sich neben das Bett und betrachtete sie.

Im Schlaf sah sie aus wie die Frau, an die er sich erinnerte. Jeden Augenblick konnte sie aufwachen, und ihre Augen würden sich mit Geist und Verstand füllen, und sie würde über ihn lachen, wie er so in der Dunkelheit dasaß. Dann würde sie für ihn die Bettdecke zurückschlagen, damit er sich neben ihren warmen Körper legte.

»An wen soll ich mich nur wenden, Liebste?«, flüsterte er. »Wem soll ich meine Unterstützung geben, wem kann ich vertrauen, dass er sich um das Wohlergehen der Stadt und der Republik kümmert? Ich glaube, dein Bruder Marius hält genauso wenig von der Idee wie Sulla.« Nachdenklich rieb er über die Bartstoppeln an seinem Kinn.

»Wo finde ich Sicherheit für meine Frau und meinen Sohn? Werfe ich Haus und Familie dem Wolf oder der Schlange zum Fraß vor?«

Nur die Stille antwortete ihm. Langsam schüttelte er den Kopf. Er stand auf und küsste Aurelia abermals. Nur noch einen Augenblick lang stellte er sich vor, dass ihn aus ihren Augen jemand ansehen würde, den er kannte. Dann ging er leise hinaus und schloss behutsam die Tür hinter sich.

Als Tubruk an diesem Abend seinen Rundgang machte, waren alle Kerzen heruntergebrannt, die Räume lagen in Dunkelheit. Julius saß noch immer in seinem Stuhl, doch seine Augen waren geschlossen und die Brust hob und senkte sich ruhig und gleichmäßig. Nur ein leises Pfeifen aus seiner Nase war zu hören. Tubruk nickte vor sich hin und war froh, dass Julius sich ein wenig von seinen Sorgen ausruhen konnte.

Am nächsten Morgen nahm Julius mit den beiden Jungen zusammen ein kleines Frühstück aus Brot, Früchten und warmem Kräutertee gegen die morgendliche Kälte ein. Er hatte die bedrückenden Gedanken des Vortages niedergerungen und saß jetzt aufrecht und mit klarem Blick da.

»Ihr seht gesund und stark aus«, sagte er zu den beiden. »Renius macht junge Männer aus euch.«

Die Jungen grinsten sich verstohlen an.

»Renius sagt, wir sind bald für das Kampftraining bereit. Wir haben bewiesen, dass wir Hitze und Kälte ertragen können, und wir finden allmählich unsere eigenen Stärken und Schwächen heraus. Das ist zwar alles nur innerlich, aber Renius sagt, es ist die Voraussetzung für die äußeren Fertigkeiten.« Gaius plauderte lebhaft und unterstrich seine Worte mit weit ausholenden Gesten. Beide Jungen gewannen zusehends an Selbstvertrauen, und Julius versetzte es einen kurzen Stich, weil er einen Großteil ihrer Entwicklung verpasste. Er sah seinen Sohn an und fragte sich, ob er nicht eines Tages zu einem Fremden heimkehren würde.

»Du bist mein Sohn. Renius hat zwar schon viele ausgebildet, aber meinen Sohn noch nicht. Ich glaube, dass du ihn überraschen wirst.« Julius blickte ernst in Gaius’ ungläubiges Gesicht. Er wusste, dass der Junge Lob und Anerkennung nicht gewohnt war.

»Ich versuche es. Aber ich glaube, Marcus wird ihn auch überraschen.«

Julius sah den anderen Jungen am Tisch nicht an, obwohl er dessen Augen auf sich ruhen fühlte. Verärgert über Gaius’ Versuch, seinen Freund in das Gespräch mit einzubeziehen, und um die Wichtigkeit seiner Aussage zu unterstreichen, antwortete Julius so, als sei Marcus gar nicht da. »Marcus ist nicht mein Sohn. Du trägst meinen Namen, und meinen Ruf dazu. Du allein.« Beschämt senkte Gaius den Kopf, unfähig, dem eigenartig ernsten Blick seines Vaters standzuhalten. »Ja, Vater«, murmelte er und aß weiter.

Manchmal wünschte er sich, es gäbe noch andere Kinder, Brüder und Schwestern, mit denen man spielen konnte und mit denen man die Last teilte, den Erwartungen seines Vaters gerecht zu werden. Natürlich hätte er ihnen das Gut nicht überlassen. Es war schon immer nur für ihn bestimmt gewesen, aber manchmal spürte er den auf ihm allein ruhenden Erwartungsdruck wie eine erdrückende Last. Besonders seine Mutter flüsterte ihm, wenn sie ruhig und friedlich war, immer zu, dass er ja das einzige Kind sei, das ihr die Götter zugestanden hatten, ein einziges, vollkommenes Leben. Sie erzählte ihm oft, dass sie gerne Töchter gehabt hätte, die sie hätte herausputzen und an die sie ihr Wissen hätte weitergeben können. Aber das Fieber, das sie bei seiner Geburt befallen hatte, hatte ihr diese Möglichkeit genommen.

Renius kam in die warme Küche. Er trug offene Sandalen und eine rote Soldatentunika. Die kurzen Beinlinge, die an den Waden endeten, spannten sich bis zum Zerreißen über den beinahe anstößig dicken Muskeln, die er seinem Leben als Infanterist in der Legion verdankte. Trotz seines Alters schien er vor Gesundheit und Kraft nur so zu strotzen. Mit geradem Rücken und wachem, aufmerksamem Blick blieb er vor dem Tisch stehen.

»Herr, mit Eurer Erlaubnis. Die Sonne geht bereits auf und die Jungen müssen fünf Meilen laufen, ehe sie ganz über die Hügel steigt.«