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Julius nickte. Die beiden Jungen standen auf und warteten darauf, von ihm entlassen zu werden. »Geht und strengt euch an«, sagte er lächelnd. Sein Sohn war ganz bei der Sache, doch in den dunklen Augen und auf der Stirn des anderen Jungen stand noch etwas anderes geschrieben.

Zorn? Aber nein, schon war es wieder verflogen. Die beiden stoben davon, und die zwei Männer waren wieder einmal allein. Julius deutete auf den Tisch.

»Ich habe gehört, du willst bald mit dem Kampftraining anfangen.«

»Sie sind noch nicht stark genug. Vielleicht werden sie das dieses Jahr auch nicht mehr, aber ich bin schließlich nicht nur angestellt worden, um sie ausdauernder zu machen.«

»Hast du darüber nachgedacht, ihre Ausbildung über den Jahresvertrag hinaus fortzusetzen?« Julius hoffte, seine beiläufige Miene würde sein Interesse verbergen.

»Ich will mich nächstes Jahr aufs Land zurückziehen. An diesem Entschluss dürfte sich so schnell nichts ändern.«

»Dann sind diese beiden deine letzten Schüler, dein letztes Vermächtnis an Rom«, erwiderte Julius.

Renius erstarrte einen Moment, und Julius’ Gedanken verrieten sich in keinem seiner Gesichtszüge.

»Ich denke darüber nach«, sagte Renius schließlich, bevor er auf dem Absatz kehrtmachte und in das graue Morgenlicht hinaustrat.

Julius schaute ihm mit einem wölfischen Grinsen nach.

6

»Als Offiziere werdet ihr in den Kampf reiten, aber vom Pferderücken aus zu kämpfen ist nicht unsere größte Stärke. Obwohl wir die Kavallerie für schnelle Vernichtungsangriffe nutzen, sind es die Fußsoldaten der achtundzwanzig Legionen, die den Feind schlagen. Jeder einzelne unserer hundertfünfzigtausend aktiven Legionäre ist dazu im Stande, zu jeder Tages- oder Nachtzeit in voller Rüstung dreißig Meilen zu marschieren. Er trägt dabei zusätzliches Marschgepäck, dessen Gewicht ein Drittel seines eigenen Körpergewichtes beträgt, und nach einem solchen Marsch stellt er sich noch ohne Müdigkeit und ohne Murren dem Feind.«

Renius beäugte die beiden Jungen, die in der heißen Nachmittagssonne vor ihm standen. Sie waren gerade von einem Lauf zurückgekehrt und versuchten, ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Mehr als drei Jahre hatte er ihnen gegeben, diesen letzten Schülern, die er je unterrichten sollte. Und sie hatten noch so viel zu lernen! Er schritt um sie herum und schnauzte sie an.

»Es ist nicht das Glück der Götter, das die Länder dieser Welt in die Hände Roms gelegt hat. Es ist nicht die Schwäche der fremden Stämme, die sie sich in unsere Schwerter stürzen lässt. Es ist unsere Stärke, die größer und tiefgreifender ist als alles, was sie je ins Feld führen können. Das ist unsere allerwichtigste Taktik. Schon bevor unsere Männer das Schlachtfeld überhaupt erreichen, sind sie in ihrer Stärke und ihrem Kampfgeist unzerstörbar. Mehr noch! Sie legen eine Disziplin an den Tag, gegen die alle Armeen der Welt wirkungslos anrennen können.

Jeder unserer Männer weiß, dass seine Brüder neben ihm ihn nur dann verlassen, wenn sie getötet werden. Dieses Wissen macht ihn stärker als es die heldenhaftesten Angriffe oder die törichten Schlachtrufe wilder Stämme je könnten. Wir gehen zu Fuß in die Schlacht. Wir stehen aufrecht, und sie sterben.«

Gaius’ Atmung beruhigte sich, seine Lunge rang nicht mehr verzweifelt nach Sauerstoff. In den drei Jahren, die seit Renius’ Ankunft auf dem Landgut seines Vaters vergangen waren, war er größer und stärker geworden. Mit jetzt beinahe vierzehn Jahren zeigte er die ersten Anzeichen des Mannes, der er eines Tages sein würde.

Von der römischen Sonne braun gebrannt wie helles Eichenholz, stand er vor Renius. Eine schlanke, athletische Gestalt mit kräftigen Schultern und Beinen. Er konnte stundenlang um die Hügel laufen und hatte immer noch Reserven für einen Sprint übrig, wenn das Anwesen seines Vaters wieder in Sicht kam.

Auch Marcus hatte sich verändert, sowohl körperlich als auch geistig. Die unschuldige Fröhlichkeit des Knaben, der er einmal gewesen war, zeigte sich nur noch sporadisch. Ohne auch nur ein einziges freundliches Wort hatte Renius ihn in den drei langen Jahren mit der Peitsche gelehrt, seine Gefühle und Reaktionen zu beherrschen. Auch er hatte gut entwickelte Schultern und Arme, die in blitzschnellen Fäusten endeten, mit denen Gaius nicht mehr mithalten konnte. Der Wunsch, endlich alleine bestehen zu können, ohne die Hilfe seiner Verwandten oder der Gönnerschaft anderer, fraß von innen an ihm wie eine ätzende Säure.

Weil Renius sie beobachtete, beruhigten sich die beiden Jungen, nahmen Haltung an und musterten ihn aufmerksam. Es war durchaus nicht ungewöhnlich für ihn, urplötzlich in einen schutzlosen Bauch zu boxen, denn er stellte ihre Schwächen immer wieder auf die Probe.

»Gladii, meine Herren. Holt eure Schwerter.«

Wortlos drehten sie sich um und nahmen die Kurzschwerter von den Haken an der Mauer des Ausbildungshofes. Sie schnallten sich die schweren Ledergürtel um die Taille, an denen lederne »Frösche« als Halterung für das Schwert befestigt waren. Die Schwertscheide passte genau durch den Frosch und wurde mit Schnüren fixiert, damit sie hielt, wenn das Schwert ruckartig gezogen wurde.

Ordnungsgemäß gerüstet kehrten sie auf ihre Plätze zurück, nahmen Haltung an und erwarteten den nächsten Befehl.

»Gaius, du siehst zu. Ich zeige dir an dem Jungen etwas Grundsätzliches.« Renius lockerte mit einem Knacken seine Schultern und grinste, als Marcus langsam sein Schwert zog.

»Erste Position, Junge. Stell dich hin wie ein Soldat, falls du überhaupt weißt, wie das geht.« Marcus entspannte sich und nahm die erste Position ein: die Beine etwa schulterbreit auseinander, den Körper leicht zur Seite gedreht. Das Schwert hielt er in Hüfthöhe, bereit nach den drei Hauptangriffszielen zu schlagen: Unterleib, Bauch und Hals. Unterleib und Hals waren am wichtigsten, weil ein Treffer dort den Gegner innerhalb von Sekunden verbluten ließ.

Renius verlagerte das Gewicht, und Marcus’ Schwertspitze folgte seiner Bewegung.

»Säbelst du wieder in der Luft herum? Wenn du das tust, sehe ich es sofort und erkenne dein Muster. Ich brauche nur eine winzige Öffnung, um dir die Kehle herauszuschneiden, nur einen einzigen Schlag. Wenn ich erraten kann, wohin du dein Gewicht als Nächstes verlagerst, schlage ich dich in zwei Hälften.« Er schritt langsam im Kreis um Marcus herum, der mit hochgezogenen Augenbrauen über einem ansonsten ausdruckslosen Gesicht ruhig stehen blieb. Renius redete weiter.

»Du willst mich töten. Stimmt’s, Junge? Ich kann deinen Hass fühlen. Ich kann ihn fühlen, wie einen guten Wein in meinem Bauch. Ich genieße ihn richtig, Junge. Kannst du dir das vorstellen?«

Ohne jegliche Vorwarnung griff Marcus mit einer plötzlichen Bewegung an. Es hatte ihn Hunderte Stunden harten Drill gekostet, alle seine verräterischen »Anzeichen« auszumerzen, diese winzigen Bewegungen der Muskeln, die seine Absicht preisgaben. Egal, wie schnell er war, ein guter Gegner würde ihn töten, wenn er vor jeder Bewegung seine Gedanken so unbedacht preisgab.

Renius stand nicht mehr da, wo Marcus’ Gladius hinstieß. Renius’ Schwertspitze war an Marcus’ Kehle.

»Schon wieder. Du warst wie immer ungeschickt und langsam. Wenn du nicht schneller wärst als Gaius, wärst du der schlechteste Kämpfer, den ich je gesehen habe.«

Marcus stand noch mit offenem Mund da, als er im Bruchteil einer Sekunde den sonnenwarmen Gladius an der Innenseite seines Oberschenkels spürte, an der Schlagader, durch die sein Leben pulsierte.

Renius schüttelte angewidert den Kopf.

»Niemals dem Gegner zuhören. Gaius schaut zu, und du kämpfst. Du konzentrierst dich auf meine Bewegungen, nicht auf das, was ich sage. Die Worte dienen nur dazu, dich abzulenken. Noch einmal!«