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Im Schatten des Hofes umkreisten sie einander erneut.

»Deine Mutter war im Bett zuerst ein wenig ungeschickt.« Renius’ Schwert schlängelte bei diesen Worten nach vorn, wurde aber mit einem metallischen Klirren zur Seite geschlagen. Marcus sprang vor und drückte seine Klinge an die alte, ledrige Haut von Renius’ Kehle. Sein Gesicht war kalt und unnachgiebig.

»Das war vorhersagbar«, murmelte Marcus, trotz aller Selbstkontrolle gereizt. Er hielt dem Blick der kalten, blauen Augen stand.

Doch im selben Moment spürte er eine leichte Berührung und sah an sich herunter. In der linken Hand hielt Renius einen Dolch, den er leicht gegen Marcus’ Bauch drückte. Renius grinste. »Viele Männer werden dich so sehr hassen, dass sie dich mitnehmen wollen. Sie laufen dir direkt in die Klinge und blenden dich mit ihren Daumen. Ich habe eine Frau gesehen, die das mit einem meiner Männer gemacht hat.«

»Warum hat sie ihn so sehr gehasst?«, fragte Marcus, als er einen Schritt zurücktrat, das Schwert immer noch verteidigungsbereit.

»Die Sieger sind immer verhasst. Das ist der Preis, den wir zahlen müssen. Wenn die Besiegten dich lieben, dann tun sie zwar, was du willst, aber nur dann, wenn sie es selbst auch wollen.

Wenn sie Angst vor dir haben, gehorchen sie deinem Willen, aber dann, wenn du es willst. Was ist also besser? Gefürchtet oder geliebt zu werden?«

»Beides«, antwortete Gaius ernst.

Renius lächelte. »Du meinst bewundert und respektiert zu werden. Das ist so gut wie unmöglich, wenn du ein Land besetzt, das dir nur aufgrund des Rechts der Stärke und des Blutes gehört. Das Leben ist niemals ein einfaches Problem von Frage und Antwort. Es gibt immer viele Antworten.«

Die beiden Jungen blickten ihn verwundert an, und Renius schnaubte verächtlich durch die Nase. »Ich werde euch zeigen, was Disziplin bedeutet. Ich werde euch zeigen, was ihr bereits gelernt habt. Bringt eure Schwerter weg und nehmt wieder Haltung an.«

Der alte Gladiator musterte die beiden von oben bis unten mit einem kritischen Blick, doch urplötzlich schlug die Mittagsglocke. Er runzelte die Stirn und seine Haltung veränderte sich von einer Sekunde auf die andere. Seine Stimme hatte den bellenden Unterton des Ausbilders verloren und er sprach ausnahmsweise ruhig und leise.

»Es gibt Hungeraufstände in der Stadt, habt ihr das gewusst? Ganze Banden zerstören anderer Leute Eigentum, aber sie laufen wie die Ratten, wenn jemand tapfer genug ist, ein Schwert gegen sie zu erheben. Ich sollte dort sein, und nicht hier mit Kindern spielen. Ich habe euch zwei Jahre länger unterrichtet, als es ursprünglich abgemacht war. Ihr seid zwar immer noch nicht fertig, aber ich werde nicht noch mehr von meinen letzten Jahren an euch verschwenden. Heute ist euer letzter Unterricht.« Er ging auf Gaius zu, der weiter starr geradeaus sah.

»Dein Vater hätte sich hier mit mir treffen sollen, um meinen Bericht zu hören. Was sagt mir die Tatsache, dass er zum ersten Mal in drei Jahren zu spät ist?«

Gaius räusperte sich. »Die Aufstände in der Stadt sind schlimmer, als du vermutet hast.«

»Richtig. Dein Vater kann also nicht dabei sein, wenn ich euch diese letzte Lektion erteile. Das ist schade. Wenn er tot ist und ich dich jetzt töte, wer erbt dann das Gut?«

Gaius blinzelte verwirrt. Die Worte des Mannes standen in krassem Gegensatz zu dem ruhigen Tonfall, denn er hörte sich so beiläufig an, als bestellte er eine neue Tunika.

»Mein Onkel Marius, obwohl er bei der Primigenia ist, der Legion der Erstgeborenen. Er ist bestimmt nicht darauf gefasst, dass .«

»Eine gute Standarte. Die Primigenia hat sich in Ägypten gut geschlagen. Dann stelle ich also ihm deine Ausbildung in Rechnung. In Abwesenheit deines Vaters nehme ich mit dir als dem gegenwärtigen Herrn des Hauses vorlieb. Wenn du bereit dazu bist, wirst du im Ernst gegen mich antreten. Das ist keine Übung mehr, kein Kampf bis zur ersten Wunde, sondern ein richtiger Angriff, wie dir einer blühen könnte, wenn du heute zwischen den Aufständischen durch die Straßen von Rom gehst.

Ich kämpfe fair. Wenn du mich tötest, betrachte deine Ausbildung bei mir als bestanden.« »Warum willst du uns töten, nachdem du uns so lange -«, stieß Marcus aufgeregt hervor. Er verstieß damit gegen die eiserne Regel, nie ohne Aufforderung zu sprechen.

»An einem bestimmten Punkt muss man dem Tod ins Auge blicken. Ich kann euch nicht länger unterrichten. Jetzt gilt es nur noch, eine letzte Lektion über Furcht und Zorn zu lernen.«

Einen Moment lang schien Renius sich seiner selbst nicht sicher zu sein, doch dann hob er energisch den Kopf. Da war sie wieder, die »Schnappschildkröte«, wie ihn die Sklaven nannten; seine Intensität und seine Energie waren überwältigend.

»Ihr seid meine letzten Schüler. Wenn ich mich jetzt zur Ruhe setze, hängt mein Ruf von euch jämmerlichen Gestalten ab. Ich lasse euch nicht halb ausgebildet auf die Welt los, damit mein Name eines Tages von euren Taten besudelt wird. Ich habe mein Leben lang meinen guten Namen in Ehren gehalten. Ich denke gar nicht daran, meinen Ruf jetzt noch zu verlieren.«

»Wir würden dir niemals Schande machen«, murmelte Marcus beinahe zu sich selbst.

Renius fuhr auf ihn los. »Jeder deiner Hiebe beschämt mich. Du hackst drauflos wie ein Metzger, der in einem Wutanfall auf einen Rinderkadaver eindrischt. Du bist nicht in der Lage, dein Temperament zu zügeln. Du fällst auf den einfachsten Trick herein, weil dir das Blut aus dem Gehirn weicht! Und DU ...« Er drehte sich drohend zu Gaius um, der zu grinsen angefangen hatte. »Du kannst deine Gedanken nicht lange genug von deinem Gemächt abwenden, um ein echter Römer zu sein. Bei dem Gedanken, dass Jungen wie ihr mein Erbe, meine Stadt, mein Volk weiterführen, gerinnt mir das Blut in den Adern.«

Bei der Anspielung auf das Sklavenmädchen verging Gaius das Grinsen. Renius hatte es vor den Augen der Jungen ausgepeitscht, weil es sie abgelenkt hatte. Gaius schämte sich noch immer dafür, und langsam stieg Wut in ihm empor, während Renius mit seiner Tirade fortfuhr.

»Gaius, du darfst wählen, wer von euch sich zuerst mit mir duelliert. Deine erste taktische Entscheidung!« Renius drehte sich um und marschierte auf den Kampfplatz zu, der durch ein Mosaik auf dem Boden gekennzeichnet war. Dort, hinter ihren Rücken, dehnte er seine Beinmuskeln und schien ihre verblüfften Blicke nicht einmal zur Kenntnis zu nehmen.

»Er ist verrückt geworden«, flüsterte Marcus. »Er wird uns beide töten.«

»Er spielt immer noch seine Spielchen mit uns«, antwortete Gaius grimmig. »Genauso wie damals am Fluss. Ich werde es mit ihm aufnehmen. Ich denke, ich schaffe ihn. Jedenfalls weiche ich nicht vor seiner Herausforderung. Wenn ich ihm damit beweisen kann, dass er mich gut ausgebildet hat, dann soll es eben so sein. Ich werde es ihm mit seinem eigenen Blut danken.« Marcus blickte seinen Freund an und sah die Entschlossenheit in dessen Gesicht. So sehr er sich auch wünschte, dass keiner von ihnen beiden gegen Renius antreten müsste, so genau wusste er auch, dass er selbst eine größere Chance gegen Renius hatte. Sie konnten ihn beide nicht so einfach besiegen, doch nur Marcus war schnell genug, den alten Mann mit sich in den Tod zu reißen.

»Lass mich zuerst, Gaius«, murmelte er.

Gaius starrte ihn an, als hoffte er, seine Gedanken zu erraten.

»Dieses Mal nicht. Du bist mein Freund. Ich will nicht zusehen, wie er dich tötet.«

»Ich will auch nicht zusehen, wie er dich tötet. Aber ich bin der Schnellere von uns beiden, ich habe bessere Chancen.«

Gaius lockerte die Schultern und lächelte angespannt. »Er ist doch nur ein alter Mann, Marcus. Ich bin gleich wieder da.«

Auf dem Kampfplatz nahm Gaius seine Position ein.

Renius betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen, weil er gegen die Sonne blinzelte. »Warum hast du dich entschieden, zuerst zu kämpfen?«

Gaius zuckte mit den Schultern. »Jedes Leben endet einmal. Ich habe mich entschieden. Das genügt.«