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»Du hast Recht, das genügt. Fang an, Junge. Lass sehen, ob du etwas gelernt hast.«

Langsam und vorsichtig begannen sie einander mit gezogenen Gladii zu umkreisen. Die Klingen glänzten in der Sonne.

Mit einer plötzlichen Schulterdrehung versuchte Renius eine Finte. Doch Gaius erkannte das Täuschungsmanöver und drängte den alten Mann durch einen Ausfall einen Schritt zurück. Die Klingen klirrten aufeinander, der Zweikampf hatte begonnen. Sie schlugen zu, parierten, verkeilten sich in einem Knäuel aus angespannten Muskeln ineinander, doch dann stieß der erfahrene Kämpfer den Jungen plötzlich rückwärts in den Staub.

Dieses Mal verhöhnte ihn Renius nicht. Sein Gesicht blieb völlig ausdruckslos. Gaius stand langsam wieder auf und fand sein Gleichgewicht wieder. Mit Körperkraft würde er diesen Kampf nicht gewinnen.

Er preschte mit zwei schnellen Schritten vor und durchbrach mit seiner Klinge Renius’ Deckung. Der saubere Hieb schnitt tief in die dunkelbraune Haut von Renius’ Brust.

Als der Junge seinen Angriff Schlag um Schlag weitertrieb, grunzte der alte Mann überrascht, parierte jedoch mit kleinen Gewichtsverlagerungen und Bewegungen des Schwertes jeden seiner Hiebe. In der heißen Sonne war es nur eine Frage der Zeit, bis der Junge müde wurde, dann war er bereit für das Schlachtermesser.

Gaius lief der Schweiß in die Augen. Er war verzweifelt und nicht mehr in der Lage, neue Angriffe zu ersinnen, die gegen dieses unbarmherzige Stück Holz Wirkung zeitigten, diesen stoischen Gegner, der ihn so leicht durchschaute und jeden seiner Angriffe mühelos abwehrte. Wild schlug er drauflos und verfehlte sein Ziel immer wieder. Als er plötzlich das Gleichgewicht verlor, streckte Renius blitzschnell den rechten Arm vor und versenkte die Klinge in Gaius’ ungedecktem Unterleib.

Gaius fühlte seine Kräfte schwinden. Er verlor die Kontrolle über seine Beine, die wie kraftlose Stecken einfach unter ihm wegknickten, doch er fühlte keinen Schmerz. Blut spritzte auf den staubigen Boden, aber alle Farbe war aus dem Hof gewichen, war durch das dumpfe Klopfen seines Herzens und die Blitze vor seinen Augen ersetzt worden.

Renius blickte auf ihn herab, und Gaius sah einen feuchten Glanz in seinen Augen. Weinte der alte Mann etwa?

»Nicht . gut . genug«, stieß der alte Gladiator keuchend hervor. Mit einem schmerzvollen Ausdruck in den Augen trat Renius näher.

Die Helligkeit der Sonne wurde von einem dunklen Schatten zerteilt, als Marcus sein Schwert unter die welke Haut unter Renius’ Kinn gleiten ließ. Er stand jetzt einen Schritt hinter ihm und konnte sehen, wie sich der alte Mann vor Überraschung versteifte.

»Hast du mich vergessen?« In diesem Moment wäre es ein Leichtes gewesen, die Klinge einfach durchzuziehen und den niederträchtigen alten Mann zu töten, aber Marcus hatte stattdessen auf den Körper seines Freundes geschaut und erkannt, dass das Leben aus ihm herausströmte. Nur einen Moment lang ließ er die Wut in sich zu, und schon war die Gelegenheit eines raschen Todes vertan. Renius wich seitlich aus und hob sein blutiges Schwert. Sein Gesicht schien versteinert, doch seine Augen glänzten.

Marcus griff zuerst an, durchbrach die Deckung und zog sich wieder zurück, bevor der Alte überhaupt darauf hatte reagieren können. Hätte Marcus einen tödlichen Schlag anbringen wollen, dann hätte er getroffen, denn der alte Mann blieb mit konzentriertem Gesicht bewegungslos stehen. Aber Marcus’ Schlag war nur ein Anfang, und plötzlich kam wieder Leben in den alten Gladiator.

»Kannst du mich noch nicht einmal töten, wenn ich still halte?«, fuhr Renius ihn an und fing wieder an, ihn zu umkreisen, wobei er ihm seine rechte Körperseite zuwendete.

»Du warst schon immer ein Narr, und du hast den Stolz eines Narren.« Marcus hätte ihn beinahe angebrüllt, weil Renius ihn zwang, seine Aufmerksamkeit auf ihn zu richten statt auf den Freund, der da allein in der Hitze starb.

Stattdessen griff er wieder an und setzte seine Gedanken in Taten um. Kein Überlegen oder Abwägen, nur unerbittliche Hiebe und Attacken. Auf dem alten Körper rissen rote Wunden auf, aus denen Marcus das Blut wie Frühlingsregen auf den staubigen Boden niederprasseln hörte. Renius hatte keine Zeit, erneut zu sprechen. Er verteidigte sich verzweifelt, auf seinem Gesicht spiegelte sich einen Augenblick lang blankes Entsetzen, ehe er wieder seine undurchdringliche Gladiatorenmaske aufsetzte. Marcus bewegte sich mit außergewöhnlicher Anmut und Gewandtheit. Er war zu schnell, um einen Gegenangriff anzubringen, er war der geborene Kämpfer. Wieder und wieder merkte der alte Mann erst am Klirren des aufeinander prallenden Metalls, dass er einen Schlag überhaupt hatte parieren können. Renius’ Körper reagierte und bewegte sich automatisch, ohne mitzudenken. Sein Geist hatte sich völlig vom Kampf gelöst.

Eine trockene innere Stimme sagte ihm: Ich bin ein alter Narr. Dieser Junge hier ist wahrscheinlich der beste Kämpfer, den ich je ausgebildet habe. Aber den anderen habe ich getötet - der Treffer war tödlich.

Sein linker Arm hing schlaff herunter. Der Schultermuskel war durchtrennt. Der Schmerz traf ihn wie ein Hammerschlag, und plötzlich, als hätten ihn die Jahre endlich doch noch eingeholt, spürte er, wie ihn Erschöpfung übermannte. Der Junge war noch nie zuvor so schnell gewesen, es war, als hätte der Anblick des sterbenden Freundes eine Schleuse in ihm geöffnet.

Renius spürte, wie die Kraft in einem langen, verzweifelten Seufzer von ihm wich. Er hatte schon viele Männer an diesem Punkt gesehen, wenn der Geist den Körper nicht mehr weiter tragen konnte. Kraftlos wehrte er die schartige Klinge des Gladius ab, schlug ihn zur Seite und wusste zugleich, dass dies sein letzter Schlag gewesen war.

»Hör auf, oder ich strecke dich auf der Stelle nieder«, ertönte plötzlich eine neue Stimme. Sie war nicht laut, schien aber trotzdem über den Hof und das gesamte Anwesen zu tragen.

Marcus hörte nicht auf. Er war dazu ausgebildet worden, nicht auf Ablenkungen zu reagieren. Niemand würde ihm diesen letzten tödlichen Schlag nehmen. Er spannte die Schultermuskeln, um die eiserne Klinge in seinem Gegner zu versenken. »Dieser Bogen wird dich töten, Junge. Weg mit dem Schwert.«

Renius blickte in Marcus’ Augen und sah einen Moment lang schieren Wahnsinn darin aufleuchten. Er zweifelte nicht daran, dass der Junge ihn töten würde. Dann war das Aufflackern plötzlich verschwunden, und Marcus hatte sich wieder unter Kontrolle.

Obwohl sein eigenes Blut warm an seinen Gliedern herabrann, kam Renius der Hof kalt vor. Er sah, wie Marcus sich langsam rückwärts aus seiner Reichweite entfernte und sich dann dem Neuankömmling zuwandte. Nur selten zuvor war Renius sich so sicher gewesen, dass sein Tod unmittelbar bevorstand.

Dort blitzte die Pfeilspitze eines Bogens. Ein alter Mann, älter noch als Renius, hielt den Bogen trotz der offensichtlich starken Spannung ohne jedes Muskelzittern fest in den Händen. Er trug eine einfache braune Robe, und ein Lächeln zog einen fast zahnlosen Mund auseinander.

»Hier stirbt heute keiner. Das wüsste ich. Leg die Waffe weg, damit ich nach den Ärzten rufen und kühle Getränke für euch herbeischaffen lassen kann.«

Mit einem Schlag hatte die Wirklichkeit Marcus wieder eingeholt. Als er zu einer Antwort ansetzte, fiel ihm der Gladius aus der Hand.

»Mein Freund Gaius ist verletzt. Er stirbt vielleicht, er braucht Hilfe.«

Renius konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und fiel auf die Knie. Das Schwert entglitt seinen gefühllosen Fingern, und der rote Fleck um ihn herum wurde größer, während ihm der Kopf auf die Brust sank. Ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, schritt Marcus an ihm vorbei zu Gaius.

»Ich sehe, dass sein Blinddarm verletzt worden ist«, sagte der alte Mann über die Schulter hinweg zu ihm.

»Dann ist er so gut wie tot. Wenn der Blinddarm anschwillt, ist das immer tödlich. Unsere Ärzte können das geschwollene Ding nicht entfernen.«