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Aus der Ferne erklangen die Hufschläge eines galoppierenden Pferdes. Cabera hielt das Haupttor offen und wartete. Kam da ein erster Angreifer, oder war es ein Bote aus Rom? Er verfluchte seine hellseherische Gabe, die ihm nur bruchstückhafte Einblicke in die Zukunft gewährte, allerdings nie auf etwas, das mit ihm selbst zusammenhing. Doch hier stand er nun und hielt dem Reiter das Tor auf, also würde er keine Warnung erhalten. Seine klarsten Visionen waren die, in denen er selbst nicht vorkam. Wahrscheinlich wollten ihm die Götter damit etwas sagen, aber das war ihm letztendlich ziemlich egal. Er hatte erkannt, dass er nicht das Leben eines Beobachters führen konnte.

Ein Schweif aus dunklem Staub folgte dem Reiter, den man in der hereinbrechenden Dunkelheit kaum ausmachen konnte.

»Halt das Tor auf!«, befahl eine Stimme.

Cabera zog eine Braue empor. Was glaubte der Mann eigentlich, was er hier die ganze Zeit tat? Gaius’ Vater Julius kam durch den Torbogen geprescht. Sein Gesicht war gerötet, und seine feinen Gewänder waren mit Ruß befleckt.

»Rom brennt«, sagte er und sprang auch schon aus dem Sattel. »Aber meinen Besitz bekommen sie nicht.« Erst jetzt erkannte er Cabera und klopfte ihm zur Begrüßung auf die Schulter.

»Wie geht es meinem Sohn?«

»Ihm geht es gut. Ich bin .« Cabera verstummte, als jene energische ältere Version von Gaius davonschritt, um die Verteidigung zu organisieren. Tubruks Name hallte durch die Flure des Gutshauses.

Einen Augenblick lang blieb Cabera verwirrt stehen. Die Visionen hatten sich ein wenig verändert. Dieser Mann war eine Naturgewalt und konnte vielleicht den Ausschlag zu ihren Gunsten geben.

Seine Gedanken verflüchtigten sich, als er draußen auf den Feldern Rufe laut werden hörte. Er murmelte frustriert vor sich hin und stieg auf die Mauer des Anwesens, um seine Augen zu benutzen, wenn schon seine hellseherische Gabe versagt hatte.

In allen Himmelsrichtungen herrschte Dunkelheit, doch er konnte kleine Lichtpunkte sehen, die sich durch die Felder bewegten, sich wie Glühwürmchen trafen und zusammenschlossen. Jeder von ihnen war wahrscheinlich eine Lampe oder Fackel, die von einem der aufgebrachten Sklaven getragen wurde, deren Blut von der Hitze in der Luft über der Hauptstadt in Wallung gebracht worden war. Sie marschierten bereits auf das große Gutshaus zu.

8

Alle Bediensteten und Haussklaven hielten ihrem Herrn die Treue. Lucius, der Arzt des Anwesens, packte seine Verbände und alle anderen Utensilien aus und legte gefährlich aussehende Metallwerkzeuge auf einem der großen Küchentische auf einem Stück Stoff bereit. Er schnappte sich zwei Küchenjungen, die sich gerade mit Hackbeilen ausgerüstet nach draußen begeben und am Kampf teilnehmen wollten.

»Ihr bleibt hier. Hier habt ihr bald genug zu schneiden und kriegt auch mehr als genug Blut zu sehen.« Sie zögerten, aber Lucius war mehr wie ein alter Freund der Familie. Sein Wort war für sie schon immer Gesetz gewesen. Die Gesetzlosigkeit, die jetzt in Rom regierte, hatte das Gut noch nicht erreicht.

Draußen hatte Renius alle im Hof antreten lassen. Mit grimmiger Miene zählte er sie. Neunundzwanzig Männer und siebzehn Frauen.

»Wie viele von euch haben in der Armee gedient?«, stieß er hervor.

Sechs oder sieben Hände hoben sich.

»Ihr Männer bekommt Schwerter. Der Rest von euch geht und sucht alles zusammen, womit man stechen oder schlagen kann. Lauft!«

Beim Klang des letzten Wortes erwachten die verängstigten Männer und Frauen aus ihrer Lethargie und rannten davon. Diejenigen, die bereits Waffen gefunden hatten, blieben mit düsteren und ängstlichen Gesichtern zurück.

Renius ging auf einen von ihnen zu, einen kleinen, dicken Koch, auf dessen Schulter ein riesiges Hackbeil ruhte. »Wie heißt du?«, fragte er.

»Caecilius«, lautete die Antwort. »Ich werde meinen Kindern erzählen, dass ich mit Euch gekämpft habe, wenn alles vorbei ist.«

»Das wirst du. Wir müssen keinen Frontalangriff abwehren. Die Angreifer suchen nach Opfern, die leicht auszurauben und zu schänden sind. Ich habe vor, dieses Gut zu einer sehr harten Nuss für sie zu machen, sodass sie es sich noch einmal überlegen werden. Wie ist es um deine Nerven bestellt?«

»Gut, Herr. Ich schlachte regelmäßig Schweine und Kälber, also dürfte ich beim Anblick von ein bisschen Blut nicht ohnmächtig werden.«

»Das hier ist ein bisschen anders. Diese Schweine haben Schwerter und Keulen. Zögere nicht. Hals und Unterleib. Such dir etwas, womit du einen Schlag abwehren kannst ... so etwas wie einen Schild.«

»Jawohl, Herr, sofort.«

Der Mann versuchte zu salutieren und Renius zwang sich zu einem Lächeln und schluckte die aufkommende Wut über die ungehobelten Manieren des anderen wieder herunter. Er blickte dem fetten Mann nach, wie er zu den Wirtschaftsgebäuden rannte, und wischte sich die ersten Schweißperlen von der Stirn. Merkwürdig, warum solche Männer verstanden, was Loyalität war, während so viele andere beim ersten Anzeichen von Freiheit alles vergaßen. Er zuckte die Achseln. Manche Männer blieben eben immer Tiere, und andere waren Männer.

Marcus kam mit gezogenem Schwert auf den Hof. Er lächelte.

»Soll ich neben dir stehen, Renius? Und deine linke Seite für dich decken?«

»Wenn ich Hilfe brauche, Kleiner, frage ich dich. Bis es so weit kommt, kannst du zum Tor gehen und Ausschau halten. Ruf mich, wenn du einen größeren Haufen kommen siehst.«

Marcus salutierte, viel zackiger als der Koch, aber ein wenig zu lange. Renius konnte seine Unverschämtheit spüren und überlegte, ob er dem Jungen dafür die Zähne einschlagen sollte.

Nein, im Augenblick konnte er diese törichte, jugendliche Selbstsicherheit gut gebrauchen. Er würde schon noch früh genug herausfinden, wie es war, jemanden zu töten.

Als die Männer zurückkehrten, stellte er sie als Posten auf die Mauern. Sie waren viel zu wenige, doch er glaubte an das, was er zu Caecilius gesagt hatte. Die Außengebäude würden zweifellos niedergebrannt werden; die Kornspeicher würden geplündert und die Tiere geschlachtet werden, aber die Hauptgebäude waren dem Pöbel wohl kaum die Toten wert, die es kosten würde, sie einzunehmen. Eine Armee könnte das Gut in wenigen Minuten erobern, das wusste er wohl, aber hier handelte es sich um Sklaven, die berauscht waren von gestohlenem Wein und einer Freiheit, die sich in der Morgensonne wieder in Nichts auflösen würde. Ein starker Mann mit einem guten Schwertarm und einem unbarmherzigen Temperament konnte so eine wilde Meute durchaus aufhalten.

Von Julius und Cabera war immer noch nichts zu sehen. Ohne Zweifel legte der Erstere gerade seinen Brustpanzer und seine Beinschienen an, die vollständige Uniform. Doch wohin war der alte Heiler verschwunden? Sein Bogen dürfte sich in den ersten Minuten des Blutvergießens als wirkungsvolle Waffe erweisen.

Die Männer auf den Mauern schnatterten aufgeregt und nervös durcheinander wie eine Schar Gänse.

»Ruhe!«, brüllte Renius. »Der Nächste, der etwas sagt, kommt herunter und hat sich hier vor mir zu verantworten.«

Jetzt, wo das Geschnatter plötzlich verstummt war, konnten sie wieder die Schreie und Rufe der Sklaven in den Feldern draußen hören.

»Wir müssen hören können, was draußen passiert. Seid still und macht eure Muskeln warm. Haltet Abstand zu eurem Nebenmann, damit ihr ausholen könnt, ohne ihm den Kopf abzuschneiden.«