Selbst Julius wird auf dich hören, wenn er sich erst einmal beruhigt hat. Ich bleibe bei Marcus, um ihn zu beschützen. Mit deiner Erlaubnis?«
Renius starrte ihn an. Klappte heute denn überhaupt nichts? Fette Köche, Mädchen mit Messern, anmaßende Kinder? Und jetzt wurden kurz vor dem Kampf seine Befehle ignoriert? Seine rechte Faust schnellte zu einem krachenden Haken nach oben, der Tubruk rückwärts durch die Luft zu schleudern schien. Der Verwalter landete regungslos im Staub. Renius achtete nicht weiter auf ihn und wandte sich an Cabera.
»Wenn er wieder aufwacht, dann sag ihm, der Junge kann auf sich selbst aufpassen. Sag ihm, er soll seinen Posten einnehmen, sonst bringe ich ihn um.«
Cabera lächelte mit großen Augen, doch das Gesicht des alten Manns war wie der Winter. Aus der Ferne hörte man den Lärm von Metall, das gegen Metall geschlagen wurde. Die Geräusche wurden lauter, Gesänge erfüllten die schwarze Nacht. Als die ersten Sklaven die Mauern des Anwesens erreichten, wurden die Fackeln entzündet. Hinter den Landsklaven folgten Hunderte ihrer Genossen aus Rom, die alles niederbrannten, was ihnen in die Hände fiel.
9
Fast wäre alles vorbei gewesen, ehe es richtig begonnen hatte. Wie von Renius vorausgesagt, hatten die Sklaven, die vor den Mauern des Hofes zusammenströmten, keine Ahnung, wie man bewaffnete Verteidiger überwältigte, und liefen stattdessen johlend und schreiend durcheinander. Obwohl das die perfekte Gelegenheit für die Bogenschützen gewesen wäre, hatte Renius mit einem Blick zu Cabera und Lucius den Kopf geschüttelt, woraufhin die beiden mit eingelegten Pfeilen und kaltem Blick zusahen. Es bestand immer noch die Möglichkeit, dass die Sklaven sich ein einfacheres Ziel suchten, und ein paar Pfeile konnten ihren Zorn schnell in blinde Raserei umschlagen lassen.
»Öffnet das Tor!«, schrie jemand aus der Menge der Fackelträger. In dem flackernden Licht sah das Ganze beinahe wie ein Festumzug aus, wenn nicht der brutale Ausdruck in den Mienen der Angreifer gewesen wäre. Renius beobachtete sie und wog die Möglichkeiten ab. Immer mehr potenzielle Angreifer stießen von hinten dazu. Es waren offensichtlich schon jetzt mehr, als auf einem kleinen Landgut leben und arbeiten konnten. Ausgebrochene Sklaven aus Rom, die nichts mehr zu verlieren hatten, ließen die Menge anwachsen und trugen Hass und Gewalt dorthin, wo sonst vielleicht die Vernunft obsiegt hätte. Diejenigen in den vorderen Reihen wurden weiter vorwärts gedrängt, und Renius hob den Arm, bereit, seine beiden einsamen Bogenschützen die ersten Pfeile in die Menge schießen zu lassen. Auf diese Entfernung konnten sie kaum danebenschießen.
Ein Mann trat vor. Er war muskulös und trug einen dichten, schwarzen Bart, mit dem er wie ein Barbar aussah. Vor ein paar Tagen hatte er wahrscheinlich noch geduldig Steine in einem Steinbruch geschleppt oder Pferde für einen nachsichtigen Herren trainiert. Jetzt war seine Brust vom Blut eines anderen Menschen befleckt und sein Gesicht von einem hasserfüllten Grinsen verzerrt. Seine Augen glänzten im Licht seiner Fackel.
»Ihr dort auf den Mauern! Ihr seid Sklaven wie wir. Tötet die, die sich für etwas Besseres halten. Tötet sie alle, und wir heißen euch als Freunde willkommen.«
Renius ließ seinen Arm fallen, und Cabera jagte dem Mann einen gefiederten Pfeil durch den Hals.
In dem Augenblick der Stille brüllte Renius die Sklavenmenge an: »Das bekommt ihr von mir.
Ich bin Renius, und hier kommt ihr nicht herein. Geht nach Hause und wartet auf Gerechtigkeit!« »Gerechtigkeit wie diese?«, schrie jemand wütend. Ein anderer Mann rannte auf die Mauer zu, sprang in die Höhe und versuchte, die Mauerkante zu erreichen. Der Augenblick war gekommen. Die Meute heulte auf und warf sich nach vorne.
Nur wenige waren mit Schwertern bewaffnet, die meisten hatten, wie die Verteidiger, nur das, was sie hatten finden können. Manche hatten nichts als ihre rasende Wut, und Renius erledigte den Ersten von ihnen mit einem glatten Hieb in den Hals, ohne auf die zitternden Finger zu achten, die nach seinem Brustpanzer grabschten. Von überall drangen jetzt Schreie durch den Lärm von Metall auf Metall und Metall auf Fleisch. Renius sah, wie Cabera den Bogen fallen ließ und einen gefährlich aussehenden Dolch zog, mit dem er zustieß und sofort wieder zurücksprang, sodass die Toten auf die Nachdrängenden zurückfielen. Der alte Mann trat auf Finger, die sich immer leichter an der Mauer festhalten konnten, weil die Körper der Toten nun als Stufen für neue Angreifer dienten.
Renius wurde ein wenig schwindlig. Als er die plötzliche Wärme der Verbände spürte, die von einem stechenden Schmerz begleitet war, wusste er, dass seine Schulterwunde wieder aufgebrochen war. Er biss die Zähne zusammen und rammte einem Mann seinen Gladius in den Bauch; fast verlor er seine Waffe in den schlüpfrigen Eingeweiden, als der Getroffene nach hinten umfiel. Ein weiterer nahm seinen Platz ein, und noch einer. Renius konnte kein Ende erkennen. Er bekam einen Schlag mit einer Holzlatte ab, der ihn einen Augenblick lang betäubte. Taumelnd stolperte er rückwärts und versuchte die Kraft zu finden, sein Schwert zu heben, um sich dem Nächsten zu stellen. Seine Muskeln schmerzten, und die Erschöpfung, die er bei dem Kampf gegen Marcus gespürt hatte, überfiel ihn wieder.
»Ich bin zu alt für so was«, murmelte er und spuckte Blut über sein Kinn. Links von sich sah er eine Bewegung, und er schwang sein Schwert, um sie abzuwehren, aber zu langsam. Es war Marcus, der ihn angrinste. Er war blutverschmiert und sah aus wie ein Dämon aus den alten Mythen.
»Ich mache mir ein bisschen Sorgen wegen meiner unteren Deckung«, sagte er. »Ob du mal ein Auge darauf haben könntest? Und mir dann sagen, wo das Problem liegt?«
Während er sprach, rammte er einen Mann, der sich gerade aufzurichten versuchte, mit der Schulter. Der Mann stolperte rückwärts, fiel und landete mit einem Schrei auf dem Kopf.
»Ich habe dir doch gesagt, du sollst deinen Posten nicht verlassen«, sagte Renius keuchend und versuchte, seine Schwäche zu verbergen.
»Du wärst fast getötet worden. Diese Ehre gebührt mir. So etwas darf man nicht mutterlosem Abschaum wie diesem hier überlassen, finde ich!« Er deutete mit einer Kopfbewegung zur anderen Seite des Tores, wo Caecilius, den die meisten nur als »den Koch« kannten, breit grinste und wild um sich hieb.
»Nur her mit euch, ihr Schweine! Her mit euch, ihr Ochsen. Ich hack euch in Stücke!« Unter all dem Fett mussten Muskeln lauern, denn er schwang das riesige Beil, als wäre es aus leichtem Holz.
»Der Koch hält sie auch ohne mich auf. Er scheint sich in seinem ganzen Leben noch nie so gut amüsiert zu haben«, fuhr Marcus fröhlich fort.
Drei Männer setzten gleichzeitig von dem Leichenberg aus, der jetzt schon die halbe Höhe der Mauer erreicht hatte, über die Mauer. Der erste schlug mit seinem Schwert nach Marcus, der ihm sein eigenes von der Seite in die Brust stieß. Vom eigenen Schwung mitgerissen, stürzte der Mann auf die Pflastersteine unten im Hof. Den zweiten erledigte Marcus mit einem Rückhandstreich, der den Mann in Augenhöhe traf und durch Fleisch und Knochen drang. Er war augenblicklich tot.
Der dritte Mann griff mit einem Schrei der Begeisterung Renius an. Er hatte den alten Mann erkannt und erzählte in Gedanken offensichtlich schon seinen Freunden von seiner Tat, als Renius ihm das Schwert unter seiner Deckung hindurch in die Brust jagte.
Renius ließ den Mann fallen und zog sein Schwert heraus. Sein linker Arm schmerzte jetzt wieder, diesmal jedoch war es ein tiefer Schmerz. Seine Brust pochte vor Schmerzen, und er stöhnte.
»Bist du verletzt?«, fragte Marcus, ohne den Blick von der Mauer zu nehmen.
»Nein. Zurück auf deinen Posten!«, erwiderte der Ältere barsch, doch mit plötzlich sehr grauem Gesicht.
Marcus sah ihn einen langen Augenblick an. »Ich glaube, ich bleibe noch ein bisschen hier«, sagte er leise. Weitere Männer kamen über die Mauer, und sein Schwert tanzte unaufhaltsam von einer Kehle zur anderen.