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»Nein. Ich bin nie jung gewesen. Ich bin schon als faltiger alter Mann zur Welt gekommen, sehr zur Überraschung meiner Mutter«, antwortete Cabera mit ernster Stimme, was Gaius zum Lachen brachte. Er war vor Aufregung wie betrunken, und über allem ragte der Schatten von Sullas Ankunft immer drohender in seinem Bewusstsein auf.

»Marius hat mir freie Hand gelassen, aber die Läden machen schon so früh zu. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Komm schon!« Gaius zog Cabera am Arm, und der Alte musste über so viel Überschwang vor sich hin kichern.

Als sich der Abend über die Stadt senkte, verließ Marius die Zenturios und ging hinaus, um die Verteidigungsanlagen an den Mauern noch einmal zu kontrollieren. Beim Gehen streckte er sich und hörte und spürte, wie sein Rücken knackte. Nach den vielen Stunden, die er über den Plänen gebeugt war, schmerzte er merklich. Eine innere Stimme warnte ihn davor, wie dumm es sei, nach Einbruch der Dunkelheit allein in der Stadt herumzuspazieren, auch wenn die Ausgangssperre noch immer nicht aufgehoben war. Er tat den Gedanken mit einem Achselzucken ab. Rom würde ihm niemals etwas antun. Er wusste, dass die Stadt ihren Sohn viel zu sehr liebte. Wie als Antwort auf seine Gedanken spürte er einen erfrischenden warmen Wind auf dem Gesicht, der den Schweiß trocknete, der sich in der überfüllten Baracke auf seiner Haut gebildet hatte. Wenn er erst einmal mit Sulla fertig war, würde er einen größeren Palast für die römische Legion errichten lassen. Direkt neben den jetzigen Unterkünften lag ein Elendsviertel, das per Senatsbeschluss abgerissen werden konnte. Er sah es schon genau vor sich und malte sich aus, wie er in den neuen, weitläufigen Hallen fremde Staatsmänner bewirtete. Es waren Träume, doch sie waren erfreulich, als er so durch die stillen Straßen ging, in denen lediglich das Klack-Klack seiner Sandalen die tiefe Stille störte. Gegen den mit Sternen übersäten Nachthimmel sah er die Silhouetten seiner Männer. Einige standen ruhig da, andere machten ihre vorgeschriebenen, einander überschneidenden Runden. Ein kurzer Blick verriet ihm, dass sie wachsam waren. Gute Männer. Wer konnte sagen, was sie erwartete, wenn die nächste Nacht heraufzog? Wieder zuckte er mit den Schultern und war froh, dass ihn in den düsteren Straßen niemand sehen konnte. Sulla würde kommen, und er würde ihn mit Stahl empfangen. Es hatte keinen Sinn, sich darüber

Sorgen zu machen, und Marius holte tief Luft, um die finsteren Gedanken zu vertreiben. Als ihn der erste von vielen Wachtposten anhielt, lächelte er bereits zuversichtlich.

»Guter Junge. Halt den Speer jetzt gut fest. Ein Pilum ist in den richtigen Händen eine Furcht einflößende Waffe. So ist’s gut. Ich dachte, ich schau mir diesen Abschnitt mal genauer an. Die Warterei gefällt mir überhaupt nicht. Dir?«

Der Posten salutierte ernst.

»Mir macht das nichts aus, Herr. Du kannst passieren.«

Marius klopfte dem Posten auf die Schulter. »Guter Mann. An dir kommen sie nicht vorbei.« »Nein, Herr.«

Der Legionär sah ihm nach und nickte vor sich hin. Der Alte hatte immer noch Biss.

Marius stieg die Stufen zu der neuen Mauer hinauf, die seine Legion über und um die alten Tore Roms errichtet hatte. Es war eine solide, massive Konstruktion aus schweren, gegeneinander versetzten Steinblöcken, mit einem breiten Laufgang auf der Krone, wo eine kleinere Mauer seine Männer vor feindlichen Pfeilen schützte. Marius stützte die Hände auf den glatten Stein und schaute in die Nacht hinaus. Wenn er Sulla wäre ... wie würde er die Stadt einnehmen wollen? Sullas Legionen verfügten über gewaltige Belagerungsmaschinen: schwere Armbrüste, Steinschleudern und Katapulte. Marius hatte sie selbst schon eingesetzt und fürchtete sie alle. Er wusste, dass Sulla seine Maschinen nicht nur mit großen Steinen zum Zerschmettern der Mauern, sondern auch mit kleinteiligeren Geschossen bestücken konnte, die diejenigen Verteidiger, die sich nicht rechtzeitig duckten, in Fetzen rissen. Er würde Feuer einsetzen, Fässer mit Steinöl über die Mauer schleudern, um die dahinter liegenden Gebäude in Brand zu setzen. Genügend Fässer, damit die Männer auf der Mauer von hinten beleuchtet wurden und den Bogenschützen bessere Ziele boten. Marius hatte einige Holzgebäude hinter der Mauer abreißen lassen; seine Männer hatten die Behausungen rasch und gründlich auseinander genommen. Diejenigen, die er nicht entfernen konnte, waren mit gewaltigen Wasservorräten und gut ausgebildeten Mannschaften ausgestattet, die damit umgehen konnten. Diese Maßnahme war eine neue Idee für Rom, eine Vorstellung, über die er genauer nachdenken musste, sobald die Schlacht vorüber war. Jeden Sommer brannten etliche Häuser aus, und manchmal sprang das Feuer auf andere Häuser über, bevor es von einer breiten Straße oder einer dicken Steinmauer aufgehalten wurde. Eine kleine Gruppe, die zur rechten Zeit mit genügend Wasser bereit stand, könnte .

Er rieb sich mit den Fingerknöcheln die Augen. Er verbrachte zu viel Zeit mit Denken und Planen. Seit Wochen hatte er kaum mehr als ein paar Stunden am Stück geschlafen, und allmählich machte sich die Entbehrung selbst bei seiner Vitalität bemerkbar.

Die Mauer musste mit Leitern erklommen werden. Sie war stark, aber römische Legionen waren geübt darin, Festungen und Burgen einzunehmen. Die dazu erforderlichen Techniken waren inzwischen fast alltäglich geworden. Marius murmelte vor sich hin, in dem Wissen, dass der nächste Posten zu weit entfernt war, um ihn zu hören.

»Sie haben noch nie gegen Römer gekämpft, schon gar nicht gegen Römer, die ihre eigene Stadt verteidigen. Das ist unser wahrer Vorteil. Ich kenne Sulla, aber er kennt mich auch. Die Mobilität ist auf ihrer Seite, aber wir haben das Bollwerk, außerdem ist die Moral auf unserer Seite. Schließlich sind es nicht meine Männer, die unser geliebtes Rom angreifen.«

Von den eigenen Gedanken aufgemuntert, ging Marius hinüber zum nächsten Mauerabschnitt. Er sprach mit jedem Mann und erkundigte sich bei diesem und jenem, zu dem ihm ein Name einfiel, nach dem Befinden, der Karriere und der Familie. Bei keinem, mit dem er redete, konnte er Unmut oder Verzagen feststellen. Sie waren wie Jagdhunde, begierig darauf, für ihn zu töten.

Als er den ganzen Abschnitt abgeschritten hatte und wieder in die dunklen Straßen hinabstieg, fühlte sich Marius von dem einfachen Glauben der Männer an ihn erhoben. Er würde für sie sorgen. Sie würden für ihn sorgen. Auf dem Weg zurück in die Unterkünfte summte er eine Militärmelodie vor sich hin. Jetzt war sein Herz wieder leicht.

27

Gaius Julius Cäsar lächelte, trotz des Anflugs von nervöser Schwäche, der seinen Magen flattern ließ. Mithilfe von Marius’ Näherin hatte er fast den ganzen Abend Diener zum Einkaufen und mit anderen Aufträgen ausgesandt. Er wusste, dass die Zeremonie einfach sein musste und staunte, dass so viele Angehörige der Nobilitas an diesem kalten Morgen erschienen waren. Die Senatoren waren mit ihren Familien und Sklaven zum Tempel des Jupiter gekommen, und jedem Blick, dem er begegnete, folgte ein Lächeln. Das Aroma von Blüten und brennendem Duftholz lag schwer in der Luft. Marius und Metella standen am Eingang des Marmortempels; Metella tupfte sich Tränen aus den Augen. Gaius nickte beiden nervös zu, während er auf die Ankunft seiner Braut wartete. Er zupfte an den Ärmeln seines Hochzeitsgewandes, dessen tiefer Halsausschnitt einen einzelnen Amethyst an einer dünnen Goldkette sehen ließ.

Er wünschte, Marcus wäre hier. Es hätte ihm sehr geholfen, jemanden bei sich zu haben, der ihn wirklich kannte. Alle anderen gehörten zu der Welt, in die er erst hineinwachsen sollte: Tubruk, Cabera, Marius, sogar Cornelia selbst. Mit einem Stich wurde ihm bewusst, dass er, damit das alles um ihn herum wirklich erscheinen konnte, jemanden brauchte, der ihm in die Augen blickte und die ganze Reise bis zu diesem Punkt kannte. Stattdessen weilte Marcus in fremden Landen, als der wilde Abenteurer, der er schon immer hatte sein wollen. Wenn er irgendwann zurückkehrte, war der Hochzeitstag nicht mehr als eine Erinnerung, an der er niemals würde teilhaben können.