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Im Tempel war es kühl. Einen Augenblick lang erschauerte Gaius und spürte, wie er eine Gänsehaut bekam. Er war in einem Raum voller Leute, die ihn überhaupt nicht kannten.

Wäre sein Vater noch am Leben, hätte er gemeinsam mit ihm auf Cornelia warten können. Sie hätten ein Lächeln oder ein Augenzwinkern austauschen und damit sagen können: »Sieh dir an, was ich getan habe.«

Gaius spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen, und blickte hinauf zur Deckenwölbung, weil er nicht wollte, dass sie ihm über das Gesicht liefen. Mit der Beerdigung seines Vaters hatte seine Mutter ihren Frieden vollends verloren. Als Gaius gefragt hatte, ob es ihr möglich sei zu kommen, hatte Tubruk den Kopf geschüttelt. Der alte Gladiator liebte sie so sehr wie sonst niemand, das wusste er. Vielleicht war es schon immer so gewesen.

Gaius räusperte sich und holte seine Gedanken wieder in die Gegenwart zurück. Er musste die Kindheit hinter sich lassen. Auch hier waren viele Freunde versammelt, sagte er sich. Tubruk mit seiner knurrigen Zuneigung war ihm wie ein Onkel, und Marius und Metella schienen ihn ohne Vorbehalte akzeptiert zu haben. Marcus hätte da sein sollen. Das schuldete er ihm.

Gaius hoffte, dass sich Cinna einigermaßen wohlwollend zeigen würde. Seit er offiziell um Cornelias Hand angehalten hatte, hatte er mit dem Mann kein Wort mehr gewechselt. Es war kein fröhliches Zusammentreffen gewesen, obwohl der Senator um ihretwillen seine Würde bewahrt hatte. Zumindest war er hinsichtlich der Mitgift für Cornelia nicht knauserig gewesen. Cinna hatte ihm die Urkunden für ein großes Stadthaus in einem gefragten Viertel der Stadt überschrieben. Da zu dem Geschenk auch Sklaven und Wachpersonal gehörten, hatte sich Gaius von einer großen Last befreit gefühlt. Was auch geschah, jetzt würde Cornelia in Sicherheit sein. Er runzelte die Stirn. Jetzt musste er sich auch an den neuen Namen gewöhnen und den alten mit all den anderen Fesseln der Jugend abwerfen. Julius. Der Name seines Vaters. Er hatte einen guten Klang, obwohl er vermutete, dass er für diejenigen, die ihn schon als Knaben gekannt hatten, immer Gaius bleiben würde. Es machte ihn traurig, dass sein Vater nicht miterleben konnte, wie er seinen Erwachsenennamen annahm. Er fragte sich, ob der alte Mann seinen einzigen Sohn sehen konnte und wünschte sich, nur in diesem einen Augenblick seinen Stolz und seine Liebe mit ihm zu teilen.

Er drehte sich um und schenkte Cabera ein schwaches Lächeln. Dieser musterte ihn mit säuerlicher Miene, und sein schütteres Haar war vom frühen Aufstehen zu einer nach seinen Worten gottlosen Stunde noch immer ein wenig zerzaust. Auch er trug zu diesem feierlichen Anlass eine neue braune Robe mit einer einfachen Zinnspange, auf deren Antlitz ein fettgesichtiger Mond zu sehen war. Julius erkannte ihn als Alexandrias Werk und lächelte Cabera an, der sich zur Antwort heftig die Achselhöhle kratzte. Julius lächelte einfach weiter, und nach ein paar Sekunden verzogen sich die alten Gesichtszüge trotz aller Bedenken zu einem freundlichen Grinsen.

Die Zukunft war für Cabera verdunkelt, wie immer, wenn er Teil eines besonderen Schicksals war. Der alte Mann ärgerte sich immer wieder darüber, dass er nur die Pfade erahnen konnte, die wenig Einfluss auf sein eigenes Leben hatten, doch sogar der Schatten seiner bösen Ahnung konnte ihn nicht davon abhalten, an der jugendlichen Freude teilzuhaben, die ihm von Julius wie eine warme Woge entgegenschlug.

Eine Hochzeit, sogar eine so eilig arrangierte wie diese hier, war immer etwas Besonderes. Alle waren glücklich, und zumindest für diese begrenzte Zeit konnte man alle bevorstehenden Probleme vergessen oder sie zumindest bis zum Sonnenuntergang beiseite schieben.

Julius hörte Schritte auf dem Marmorboden hinter sich. Er drehte sich um und sah, dass sich Tubruk von seinem Sitz erhoben hatte und auf den Altar zuging. Der Verwalter sah aus wie immer, kräftig, gebräunt und gesund, und Julius ergriff seinen Arm, der ihm wie ein Anker in dieser stürmischen Welt vorkam.

»Du hast hier oben ein bisschen verloren ausgesehen. Wie geht es dir?«, erkundigte sich Tubruk. »Ich bin nervös. Stolz. Erstaunt, dass so viele gekommen sind.«

Tubruk blickte mit neuem Interesse in die Menge und drehte sich mit erhobenen Augenbrauen wieder um.

»Ein Großteil der Macht Roms ist in diesem Raum versammelt. Dein Vater wäre stolz auf dich. Ich bin stolz auf dich.« Er hielt einen Augenblick inne, weil er nicht genau wusste, wie er fortfahren sollte. »Deine Mutter wäre gern gekommen, aber sie war einfach zu schwach.«

Julius nickte, und Tubruk kniff ihm freundschaftlich in den Arm, bevor er sich wieder auf seinen Platz ein paar Reihen weiter hinten begab.

»In meinem Dorf packen wir das Mädchen einfach an den Haaren und schleppen sie in unsere Hütte«, murmelte Cabera und riss damit den glückselig dreinschauenden Priester aus seiner Seelenruhe. Angesichts dessen setzte der alte Mann frohgemut noch einen drauf: »Wenn das nicht klappt, schenkt man ihrem Vater eine Ziege und schnappt sich eine ihrer Schwestern. Mit dieser Lösung sind alle einverstanden. Kein böses Blut und jede Menge kostenloser Ziegenmilch für den Vater. Als ich jung war, hatte ich eine Herde mit dreißig Ziegen, aber die meisten musste ich weggeben, sodass ich am Ende nicht mehr genug hatte, um für meinen Unterhalt zu sorgen. Keine kluge Entscheidung, aber wer möchte sie schon bedauern, was?«

Bei diesen beiläufig hingeworfenen Anspielungen auf barbarische Praktiken war dem Priester die Röte ins Gesicht geschossen, doch Julius lachte nur leise auf.

»Du alter Aufschneider. Du willst doch nur diese aufrechten römischen Bürger schockieren.« »Vielleicht«, räumte Cabera ein und dachte an den Ärger, den er sich eingehandelt hatte, als er freimütig seine letzte Ziege im Voraus für eine Nacht der Lust angeboten hatte. Damals war ihm das ganz vernünftig vorgekommen, doch der Vater des Mädchens hatte einen Speer von der Wand genommen und den jungen Cabera hinauf in die Berge gejagt, wo er sich drei Tage und drei Nächte verstecken musste.

Der Priester musterte Cabera mit Abscheu. Er selbst gehörte der Nobilitas an, trug jedoch in seiner religiösen Rolle eine cremefarbene Toga mit Kapuze, die nur sein Gesicht frei ließ. Geduldig wartete er mit den anderen auf die Braut. Julius hatte erklärt, dass die Zeremonie so einfach wie möglich gehalten werden müsse, weil sein Onkel zum frühest möglichen Zeitpunkt gehen wollte. Der Priester hatte sich in offenkundigem Missfallen am Kinn gekratzt, bis Julius ihm einen kleinen Beutel voller Münzen als »Opfergabe für den Tempel« ins Gewand geschoben hatte. Sogar die Nobilitas hatte Rechnungen und Schulden zu bezahlen. Die Zeremonie würde kurz ausfallen. Nachdem Cornelia hereingeführt worden war, um von ihrem Vater weggegeben zu werden, würden Gebete an Jupiter, Mars und Quirinus gesprochen werden. Einem Auguren war Gold gezahlt worden, damit er den beiden Glück und Wohlstand weissagte. Danach folgten die Gelübde, und Julius würde ihr einen einfachen goldenen Ring auf den Finger stecken. Dann würde sie seine Gemahlin sein. Und er ihr Ehemann. Er spürte, wie sich Schweiß in seinen Achselhöhlen sammelte, und versuchte seine Nervosität abzuschütteln.

Er drehte sich wieder um und blickte direkt in die Augen von Alexandria, die in einem einfachen Kleid mit einer Silberspange dastand. Tränen glitzerten in ihrem Blick, doch sie nickte ihm zu, und etwas in ihm löste sich.

Leise Musik ertönte im Hintergrund, schwoll an, bis sie die gewölbte Decke ebenso erfüllte wie der Weihrauchduft, der aus den Fässern strömte. Julius sah sich um, hielt den Atem an, und alles andere war vergessen.

Dort stand Cornelia, aufrecht und gerade in einem cremefarbenen Kleid und einem dünnen goldenen Schleier, die Hand auf dem Arm ihres Vaters, der eindeutig nicht in der Lage war, ein strahlendes Lächeln aus seinem Gesicht zu wischen. Ihr Haar war dunkler getönt worden, und ihre Augen schienen die gleiche warme Farbe zu haben. An ihrem Hals hing ein Rubin von der Größe eines Vogeleis; die goldene Fassung hob sich vom helleren Ton ihrer Haut ab. Sie sah schön und zerbrechlich aus. Auf ihrem Kopf saß ein kleiner Kranz aus Verbenen und echten Majoranblüten, deren Duft er roch, als sie und ihr Vater näher kamen. Als die beiden Julius erreicht hatten, ließ Cinna ihren Arm los und blieb einen Schritt hinter ihr stehen.