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Eine marschierende Legion zum Stillstand zu bringen, erforderte Können und viel Übung. Jede Sektion musste auf Befehl hin stehen bleiben, sonst rannte alles ineinander, und die Präzision endete in Chaos. Sulla drehte sich um und blickte den Hügel hinunter; dann nickte er zufrieden, als er sah, wie jede Zenturie zum Stehen kam, die Fackeln ruhig in den festen Fäusten. Vom ersten Signal bis zum Ende verging fast eine halbe Stunde, schließlich jedoch standen sie alle auf der Via Sacra, und die natürliche Stille des Landes schien sie zu umfangen. Seine goldglänzende Legion erwartete seine Befehle.

Sulla ließ den Blick über die Befestigungsanlagen schweifen und stellte sich die gemischten Gefühle der Männer und der Bürger dahinter vor. Sie wunderten sich wahrscheinlich über sein Anhalten, flüsterten nervös und gaben die Nachricht an diejenigen weiter, die zu weit hinten waren, um die große Prozession mit eigenen Augen zu sehen. Die Bürger hörten nur die schallenden Hörnerklänge und erwarteten jeden Augenblick den Angriff.

Er lächelte. Auch Marius würde ungeduldig auf seinen nächsten Zug warten. Er musste warten, das war die größte Schwäche, wenn man hinter den Mauern einer Festung stand. Dort konnte man nur seine passive Rolle spielen und verteidigen.

Sulla ließ die Zeit verstreichen, ließ sich mit einer Handbewegung kühlen Wein bringen. Dabei fiel ihm die ziemlich steife Haltung eines Fackelträgers auf. Warum war der Mann so angespannt?, fragte er sich. Er beugte sich im Sattel vor und sah, dass aus der Fackel ein kleines Rinnsal kochendes Öl entwichen war und auf die ungeschützte Hand des Sklaven zusickerte.

Sulla sah, wie die Augen des Mannes immer wieder zu der brennenden Flüssigkeit hinzuckten. War da ein Hauch der Flamme in dem sickernden Öl? Ja, die Hitze musste schrecklich sein; wahrscheinlich würde sie sich in die Haut des Mannes hineinfressen. Sulla schaute interessiert zu, bemerkte den Schweiß auf der Stirn des Mannes und schloss insgeheim eine Wette mit sich selbst ab, was geschehen würde, wenn die Hitze die Haut erreichte.

Er glaubte an Omen, und wusste, dass die Götter gerade in einem solchen Augenblick, vor den Toren der Stadt Rom selbst, auf die Sterblichen herabsahen. War das hier eine Botschaft von ihnen, ein Zeichen, das Sulla zu interpretieren hatte? Zweifellos liebten ihn die Götter, wie schon seine herausragende Stellung bewies. Seine Pläne standen fest, doch bei einem Mann wie Marius musste man immer mit einer Katastrophe rechnen. Die züngelnden Flammen auf dem Öl erreichten die Haut des Sklaven. Sulla hob eine Augenbraue, sein Mund zuckte vor Verwunderung. Trotz der offensichtlichen Qualen blieb der Mann stehen wie ein Fels, ließ das Öl über die Knöchel rinnen und von dort in den Staub der Straße tropfen. Sulla sah deutlich, wie die Flammen seine Hand mit einem gelblichen Glühen erhellten, und trotzdem rührte sich der Bursche nicht!

»Sklave!«, rief er.

Der Mann wandte seinem Herrn das Gesicht zu.

Angesichts seiner Standfestigkeit lächelte Sulla erfreut.

»Du bist deiner Pflichten entbunden. Versorge deine Hand. Dein Mut ist ein gutes Omen für heute Nacht.«

Der Mann nickte dankbar und erstickte die kleinen Flammen, indem er die andere Handfläche darum legte. Dann trabte er mit rotem Gesicht und vor Erleichterung keuchend davon. Sulla ließ sich einen gekühlten Becher reichen und trank den Mauern der Stadt zu. Mit geschlossenen Augen legte er den Kopf zurück und schmeckte den Wein. Jetzt blieb ihm nichts anderes als zu warten.

Marius legte gereizt die Hand auf den Rand der breiten Mauer.

»Was tut er da?«, murmelte er vor sich hin. Er sah Sullas Legion, die sich bis in weite Ferne erstreckte und nicht mehr als ein paar Hundert Schritte von dem Tor entfernt, das zur Via Sacra hinausführte, stehen geblieben war. Um ihn herum warteten seine Männer, nicht weniger angespannt als er selbst.

»Sie stehen gerade außer Schussweite, Legat«, bemerkte ein Zenturio.

Marius musste sich beherrschen, um nicht aufzubrausen. »Ich weiß. Sobald sie näher kommen, nehmt sie sofort unter Feuer. Lasst alles auf sie niederregnen, was wir haben. In dieser Formation werden sie die Stadt niemals einnehmen.«

Es ergab einfach keinen Sinn! Nur eine breite Front hatte eine Chance gegen einen gut vorbereiteten Feind. Die Marschformation mit der schmalen Spitze war keinesfalls in der Lage, die Verteidigung zu durchbrechen. Zornig ballte er die Fäuste. Was hatte er übersehen?

»Gib Signal, sobald sich etwas verändert«, befahl er dem Abschnittskommandeur und ging durch die Reihen der Soldaten zurück zu der Treppe, die hinab auf die Straße und in die Stadt führte. Julius, Cabera und Tubruk warteten geduldig auf Marius und sahen zu, wie er sich mit seinen Ratgebern unterhielt, die ihm, dem Kopfschütteln nach zu urteilen, nichts Neues zu berichten wussten. Tubruk löste seinen Gladius in der Scheide und spürte wieder jenes leichte Nervenflattern, das sich immer vor einem Blutvergießen einstellte. Es lag in der Luft, und er war froh, dass er den ganzen heißen Tag über hier geblieben war. Gaius, nein, jetzt hieß er ja Julius, hätte ihn beinahe zum Gut zurückgeschickt, doch etwas im Blick des ehemaligen Gladiators hatte ihn davon abgehalten.

Julius wünschte, die Gruppe von Freunden wäre komplett. Wie gut hätte er jetzt Renius’ Ratschläge und Marcus’ eigenwilligen Humor gebrauchen können. Abgesehen davon gab es wenige, die man sich eher an seiner Seite wünschen könnte, falls es wirklich zum Kampf kam. Auch er löste seine Klinge und ließ sie ein paarmal gegen den Metallrand der Scheide klappern, damit er sie jederzeit ungehindert ziehen konnte. Es war schon das fünfte Mal innerhalb von ebenso viel Minuten, dass er das tat, und Cabera schlug ihm kräftig auf die Schulter, was ihn ein wenig zusammenzucken ließ.

»Soldaten beschweren sich immer über die Warterei. Mir persönlich ist sie lieber als das Gemetzel selbst.« Tatsächlich spürte er, wie ihn die verschlungenen Pfade der Zukunft heftig bedrängten; er war gefangen zwischen dem Wunsch, Julius in Sicherheit zu bringen, und dem Verlangen, auf die Mauer zu steigen, um beim ersten Angriff dabei zu sein! Hauptsache, all die Möglichkeiten lösten sich in einfache Geschehnisse auf!

Julius betrachtete die Mauern, prägte sich die Anzahl und die Positionen der Männer ein, die reibungslosen Wachwechsel und das Überprüfen der Wurfmaschinen und Speerschleudern. In den Straßen war alles ruhig. Rom hielt den Atem an. Trotzdem rührte oder veränderte sich draußen nichts. Marius stapfte hin und her und brüllte Befehle, die er besser seinen verdienstvollen Männern weiter unten in der Befehlskette überlassen hätte. Allem Anschein nach wirkte sich die Anspannung sogar auf ihn aus.

Die endlosen Läuferketten kamen endlich zur Ruhe. Kein Wasser wurde mehr herangeschleppt, sämtliche Vorräte an Pfeilen und anderer Munition befanden sich an Ort und Stelle. Nur die eiligen Schritte eines Boten von einem anderen Mauerabschnitt unterbrachen alle paar Minuten die Stille. Julius sah die Besorgnis in Marius’ Gesicht, die sich bei den Nachrichten, dass auch sonst nirgendwo ein Angriff erfolgt war, fast noch verstärkte. Würde Sulla tatsächlich seinen Hals riskieren, indem er offiziell Zugang zur Stadt forderte? Sein Mut würde sicherlich viele Bewunderer gewinnen, wenn er selbst bis vor das Tor kam, doch Julius war sicher, dass Sulla selbst ziemlich bald tot sein würde, niedergestreckt von einem »versehentlich« abgeschossenen Pfeil. Marius würde eine so gefährliche Schlange nicht am Leben lassen, wenn sie sich bis auf Schussweite heranwagte.