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»Warum haben mich die Männer nicht getötet?«, fragte Marcus. Der Alte beugte sich dichter zu ihm, und Marcus musste sich zwingen, ruhig zu blieben, als ihm der säuerliche Geruch aus seinem Mund ins Gesicht schlug.

»Sie sehr beeindruckt. Du tötest drei Männer mit kurzem Schwert. Tötest wie Mann, nicht mit Bogen oder Speer werfen. Sie bringen dich her zu mir, damit ich sehen kann, ja?«

Eine Sehenswürdigkeit, ein Römer, der gut töten konnte. Bevor der alte Mann weitersprach, erriet er, was jetzt kommen würde.

»Nicht gut, wenn junge Krieger bewundern Römer. Du kämpfst mit Krajka, ja? Wenn Sieger, du gehst wieder in Burg. Wenn Krajka tötet dich, dann sehen alle Männer und haben Hoffnung für Zukunft, ja?«

Marcus nickte. Ihm blieb nichts anderes übrig. Er blickte in die Flammen und fragte sich, ob sie ihn seinen Gladius benutzen lassen würden.

Von allen anderen Feuern kamen Blauhäute herbei und ließen ihre Lager fast ohne Schutz zurück. Marcus wusste, dass die Männer im Fort sich dieser Gelegenheit nicht bewusst sein konnten. Sie sahen nach wie vor die Lichtpunkte in der Bergdunkelheit, ohne zu wissen, dass die meisten Feinde sich an einem Punkt versammelt hatten, um dem Zweikampf beizuwohnen. Marcus durfte aufstehen. Mit Dolchen wurde ein Kreis abgesteckt. Die Blauhäute stellten sich außerhalb der Markierung auf. Einige von ihnen nahmen Freunde auf die Schultern, damit diese besser sehen konnten. Ganz gleich, in welche Richtung Marcus sich wandte, er sah eine wogende Mauer aus blauer Haut und grinsenden gelben Zähnen. Ihm fiel auf, wie viele Augen rötlich umrandet waren und kam zu dem Schluss, dass etwas in der Farbe die Haut reizen musste. Der Alte mit dem Schmerbauch trat in den Kreis, reichte Marcus würdevoll seinen Gladius und zog sich sofort wachsam zurück. Marcus achtete nicht auf ihn. Hier war kein besonderer Riecher nötig, um die Feindseligkeit zu spüren, die in der Luft lag. Wenn er verlor, würde er in Stücke gehackt werden, um ihre Überlegenheit zu beweisen, wenn er gewann, würde ihn die rasende Meute zerfleischen. Einen flüchtigen Augenblick dachte er daran, was Gaius an seiner Stelle wohl täte und musste bei dem Gedanken daran lächeln, dass Gaius den Anführer in dem Augenblick getötet hätte, als dieser ihm das Schwert reichte. Letztendlich konnte es nicht mehr schlimmer kommen.

Der Anführer war immer noch in Reichweite, streckte seinen Bauch in den Kreis hinein, aber irgendwie kam es Marcus nicht richtig vor, einfach hinzugehen und den alten Teufel aufzuspießen. Vielleicht würden sie ihn ja tatsächlich laufen lassen. Er blickte in die Runde der Gesichter und zuckte die Achseln. Eher nicht.

Gedämpfter Jubel brandete auf, als einer der Krajka sich dem Kreis näherte. Die Krieger bildeten eine Gasse für ihn, die sich sogleich wieder schloss, damit keiner seinen guten Platz verlor. Marcus musterte seinen Gegner von oben bis unten. Er war viel größer als jede durchschnittliche Blauhaut und überragte Marcus um einen halben Kopf, obwohl dieser nach seinem Aufbruch aus Rom noch ein ganzes Stück gewachsen war. Unter der Haut seines nackten, bemalten Oberkörpers bewegten sich kräftige Muskeln. Marcus schätzte, dass sie in etwa die gleiche Reichweite hatten. Seine eigenen Arme waren lang, die Handgelenke durch stundenlange Schwertübungen kräftig. Er wusste, dass er eine Chance hatte, egal wie gut sein Gegner auch war. Renius hatte jeden Tag mit ihm gearbeitet, und inzwischen gab es niemanden mehr, der Marcus im Training hätte herausfordern können.

Er beobachtete, wie sich der große Mann bewegte, wie er seine Füße setzte. Dann sah er ihm in die Augen und fand keine Nachgiebigkeit. Der Mann lächelte nicht und würde Beleidigungen sowieso nicht verstehen. Er schritt den Kreis ab, immer darauf bedacht, sich außerhalb von Marcus’ Reichweite zu halten. Marcus drehte sich in der Mitte des Kreises auf der Stelle und behielt ihn unablässig im Auge, bis er seine Position gefunden hatte, auf der gegenüberliegenden Seite, ungefähr zwanzig Fuß entfernt. Taktik, alles Taktik. Renius sagte, man dürfe nie aufhören zu denken. Es ging nicht darum, anständig zu sein, sondern darum, zu gewinnen. Als der Mann ein langes Schwert zog, das von seiner Hüfte bis zum Boden reichte, zuckte Marcus angesichts der glänzenden Länge der bronzenen Waffe zusammen. Doch genau das war seine Chance. Bisher war ihm überhaupt nicht bewusst geworden, dass die Blauhäute Waffen aus Bronze benutzten. Ein Gladius aus gehärtetem Eisen konnte eine solche Waffe stumpf machen, wenn er nur die ersten paar Hiebe überstand. Die Gedanken rasten durch seinen Kopf. Bronze wurde stumpf. Es war weicher als Eisen.

Der Mann kam näher und lockerte seine nackten Schultern. Er trug lediglich eine Hose über nackten Füßen, bewegte sich wie eine Raubkatze und machte einen ausgesprochen athletischen Eindruck.

»Wenn ich ihn töte, darf ich gehen, ja?«, rief Marcus dem alten Mann zu.

Lauter Spott ertönte ringsum, und er fragte sich, wie viele von ihnen seine Sprache verstanden. Der Alte nickte, lächelte und gab mit der Hand das Zeichen zum Anfangen.

Als die Trommeln über dem Geschnatter der Menge einsetzten, schreckte Marcus zusammen.

Sein Gegner entspannte sich sichtlich, als die Schläge ihren Rhythmus fanden. Marcus sah, wie er sich ein wenig duckte und Kampfhaltung einnahm. Das Schwert hielt er unentwegt ausgestreckt vor sich. Die längere Klinge verlieh ihm in punkto Reichweite einen Vorteil, dachte Marcus und rollte die Schultern. Er hielt die Hand hoch, machte einen Schritt zurück und zog sich die Tunika aus. Es war eine Erleichterung, sich ihrer in der erstickenden Hitze zu entledigen, die von dem nahen Feuer und der schwitzenden Menge noch verstärkt wurde. Das Trommeln wurde lauter, und Marcus heftete den Blick auf die Kehle des Mannes. Damit ließen sich manche Gegner verunsichern. Während der andere leicht hin und her schaukelte, stand er absolut still. Zwei verschiedene Kampfstile.

Der Krajka schien sich kaum zu bewegen, doch Marcus spürte den Angriff, wich seitlich aus und ließ die Bronzeklinge ins Leere stoßen. Er ließ den Gladius nicht auf die Klinge treffen, weil er zunächst die Geschwindigkeit des Mannes einschätzen wollte.

Ein zweiter Stoß, eine elegante Fortführung des ersten, zielte auf sein Gesicht, und Marcus riss verzweifelt seinen Gladius nach oben. Metall traf klirrend auf Metall. Die Klingen glitten übereinander, und er spürte frischen Schweiß an seinem Haaransatz prickeln. Die Bewegungen des Mannes waren schnell und flüssig, und seine Hiebe kamen rasch, aus dem Handgelenk, wie Finten. Marcus parierte den nächsten, niedrig angesetzten Stoß auf seinen Bauch, setzte sofort nach und stieß nach dem blauen Körper.

Er war nicht da, und Marcus landete der Länge nach auf dem harten Boden. Sofort stand er wieder und bemerkte, dass der Krajka ein Stück zurückgewichen war, um ihn aufstehen zu lassen. Dann ging es hier also nicht um eine rasche Entscheidung. Marcus nickte ihm mit zusammengepressten Zähnen zu. Keinen Zorn fühlen, befahl er sich, keine Scham. Er erinnerte sich an Renius’ Worte: Es spielt keine Rolle, was in einem Kampf geschieht, solange der Feind am Schluss zu deinen Füßen liegt.

Der Krajka machte einen kleinen Sprung auf ihn zu. In der letzten Sekunde schoss das Bronzeschwert hervor, und Marcus war gezwungen, sich darunter wegzuducken. Diesmal folgte er nicht dem Impuls, den Angriff mit einem Gegenstoß zu kontern, und sah, dass der Mann darauf vorbereitet war und sein Schwert für einen Schlag nach unten bereit hielt. Er hat schon gegen Römer gekämpft!, schoss es Marcus durch den Kopf. Dieser Mann war mit ihrer Kampftechnik vertraut, vielleicht hatte er sie sogar im Kampf gegen einige der Legionäre gelernt, die in den vergangenen Monaten verschwunden waren, bevor er sie getötet hatte.