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Natürlich hatte sie Alexandria angelogen. Es gab keine Möglichkeit für sie, die Stadt zu verlassen. Wenn es schon gefährlich war, eine junge Sklavin nur ein paar Straßen weiter zu schicken, dann war es für eine überall bekannte Frau nachgerade unmöglich, ihren Besitz an den Wölfen vorbeizuschaffen, die durch die Straßen Roms streiften und nur auf solche Gelegenheiten warteten. Vielleicht hätte sie sich als Sklavin verkleiden oder sogar mit einem der Sklaven weglaufen sollen. Mit etwas Glück wären sie vielleicht aus der Stadt herausgekommen, obwohl sie es für wahrscheinlicher hielt, dass man sie aufgehalten, misshandelt und dann irgendwo für die Straßenköter liegen gelassen hätte. Seit drei Tagen gab es kein Gesetz mehr in Rom, und das bedeutete für einige eine berauschende Freiheit. Wäre sie jünger und mutiger gewesen, hätte sie das Risiko vielleicht auf sich genommen, aber Marius war schon zu lange ihr Mut und ihre Zuversicht gewesen.

Mit ihm an ihrer Seite konnte sie die Gehässigkeiten der feinen Damen aushalten, die hinter ihrem Rücken über ihre Kinderlosigkeit tuschelten. Mit ihm konnte sie sich der Welt mit leerem Schoß stellen und trotzdem lachen, ohne dabei laut aufzuschreien. Ohne ihn wagte sie sich nicht auf die Straße hinaus, um ganz allein ein neues Leben als mittelloser Flüchtling zu beginnen. Metallbeschlagene Sandalen trabten am Tor vorbei, und Metella lief ein Schauder von der Schulter aus über den ganzen Leib. Es würde nicht mehr lange dauern, dann würden die Kämpfe auch dieses Viertel erreichen und die Plünderer und Mörder in Sullas Gefolge würden das Eisentor von Marius’ alter Stadtvilla aufbrechen. Während der ersten beiden Tage hatte sie noch Berichte von draußen bekommen, bis auch ihre Boten sie verließen. Sullas Männer waren in die Stadt eingedrungen und nahmen Straße um Straße ein. Sie nutzten den Vorteil, den Marius ihnen eingeräumt hatte, indem er die Erstgeborenen ringsum auf den Stadtmauern postiert hatte, woraufhin es ihnen nicht möglich gewesen war, gleich in den ersten Stunden ihre Kräfte geballt gegen die Eindringlinge einzusetzen. Inzwischen hatte sich Sulla festgesetzt und gab sich mit einer langsam voranschreitenden Schlacht zufrieden, zog seine Belagerungsmaschinen durch die Straßen, zerschmetterte Barrikaden und säumte die Straßen hinter sich mit den Köpfen von Marius’ Soldaten. Angeblich war der große Jupitertempel abgebrannt, und die Flammen seien so heiß gewesen, dass die Marmorplatten gesprungen und zerplatzt seien, was wiederum die Säulen und die schweren Stützpfeiler zum Einsturz gebracht hatte, die mit weithin hallendem Krachen auf den Vorplatz gekracht waren. Die Leute sagten, es sei ein böses Omen, und dass die Götter Sulla zürnten, aber trotzdem sah es nach wie vor so aus, als würde Sulla den Sieg davontragen. Dann waren die Nachrichten versiegt, und in der Nacht hatte sie gewusst, dass die rhythmischen Siegesgesänge, die durch ganz Rom hallten, nicht aus den Kehlen der Erstgeborenen stammten. Metellas Hand wanderte zur Schulter, fand den Träger und schob ihn über die Haut zur Seite. Sie ließ ihn am Arm herabgleiten und griff nach dem anderen. Kurz darauf fiel ihr Gewand in einem kleinen Stoffhaufen auf den Boden, aus dem sie nackt heraustrat. Mit dem Rücken zum Tor schritt sie durch die Bögen und Türen tiefer ins Haus hinein. Auf der unverhüllten Haut fühlte sich die Luft merklich kühler an, und sie erschauerte abermals, diesmal jedoch mit einem Anflug von Lust. Es fühlte sich seltsam an, in diesen formellen Räumen nackt umherzuwandeln!

Beim Gehen schob sie Armreife von ihren Handgelenken und Ringe von den Fingern, legte die Hand voll Edelmetall auf einen Tisch. Marius’ Ehering behielt sie an, so wie sie ihm einst versprochen hatte, ihn nie wieder abzulegen. Sie löste die Bänder in ihrem Haar und ließ es wie eine Kaskade herabstürzen, schüttelte den Kopf, damit die Locken und Wellen sich glätteten. Barfüßig und sauber betrat sie die Badehalle, spürte, wie der Dampf sie mit einem feinen Hauch schimmernder Feuchtigkeit umfing. Sie atmete ihn ein und ließ die Wärme in ihre Lunge.

Das Becken war tief und das Wasser frisch angewärmt, die letzte Verrichtung der scheidenden Sklaven und Diener. Mit einem leisen Seufzer stieg sie in das klare Nass, das von dem Mosaikboden dunkelblau gefärbt wurde. Sie schloss ein paar Sekunden lang die Augen und dachte an die Jahre mit Marius zurück. Es hatte ihr nie etwas ausgemacht, dass er so oft und so lange mit der Erstgeborenen von zu Hause und von ihr fort gewesen war, aber wenn sie gewusst hätte, wie wenig Zeit ihnen noch blieb, wäre sie mit ihm gezogen. Doch jetzt war nicht der richtige Augenblick für sinnlose Reue. Ohne dass sie es wollte, und ohne dass sie ihr Erleichterung verschafft hätten, rannen neue Tränen unter ihren Lidern hervor.

Sie erinnerte sich an seine erste Beförderung zum Offizier, an seine Freude bei jeder weiteren Beförderung. In seiner Jugend war er prächtig gewesen, ihr Liebesspiel ausgelassen und wild. Als der muskulöse Soldat um ihre Hand angehalten hatte, war sie ein unschuldiges Mädchen gewesen. Sie hatte nichts von den hässlichen Seiten des Lebens gewusst, von dem Schmerz, als ein Jahr nach dem anderen ohne Kindersegen verging. Jede ihrer Freundinnen hatte ein schreiendes Kind nach dem anderen in die Welt gepresst, und einige davon brachen ihr allein durch ihren Anblick das Herz, und sie fühlte sich sofort einsam und leer. Das waren die Jahre gewesen, in denen Marius immer mehr Zeit fern von ihr verbracht hatte, als er unfähig gewesen war, ihren Zorn und ihre Anschuldigungen zu ertragen. Eine Zeit lang hatte sie gehofft, er hätte eine Geliebte, und sie hatte ihm zu verstehen gegeben, dass sie sogar ein Kind aus einer solchen Vereinigung als ihr eigenes annehmen würde.

Er hatte ihren Kopf zärtlich zwischen seine Hände genommen und sie sanft geküsst. »Es gibt nur dich, Metella«, hatte er gesagt. »Wenn das Schicksal uns diese eine Freude genommen hat, dann will ich ihm deshalb nicht ins Gesicht spucken.«

Sie hatte gedacht, sie könnte das Schluchzen, das ihr ständig die Kehle zuschnürte, nie wieder loswerden. Schließlich hatte er sie hochgehoben und ins Bett getragen, wo er so zärtlich mit ihr war, dass sie noch einmal hatte weinen müssen, ganz am Schluss. Er war ein guter Gemahl gewesen, ein guter Mensch.

Ohne die Augen zu öffnen, streckte sie die Hand nach dem Beckenrand aus. Ihre Finger fanden das kleine Eisenmesser, das sie dort hingelegt hatte. Eins seiner Messer, das ihm überreicht worden war, nachdem seine Zenturie eine ganze Woche lang eine Bergfestung gegen eine wimmelnde Armee von Wilden gehalten hatte. Sie nahm die Klinge zwischen zwei Finger und führte sie blind hinunter zu ihrem Handgelenk. Dann holte sie tief Luft. Ihr Geist war wie betäubt und von Frieden erfüllt.

Die Klinge drang ein, und seltsamerweise tat es überhaupt nicht weh. Der Schmerz war irgendwo weit weg, sie nahm ihn kaum wahr, als sie längst vergangene Sommer vor ihrem inneren Auge vorüberziehen ließ.

»Marius.« Sie glaubte, den Namen laut gesagt zu haben, doch es war ruhig und still in dem Raum, und das blaue Wasser war rot geworden.

Cornelia sah ihren Vater wütend an.

»Ich gehe nicht weg! Das hier ist mein Haus, und hier ist es im Augenblick so sicher wie an jedem anderen Ort in der Stadt!«

Cinna sah sich um, sah die schweren Tore, die das Stadthaus zur Straße hin abgrenzten. Das Haus, das er ihr als Mitgift geschenkt hatte, war recht einfach, ein Haus mit nur acht Zimmern, alle auf einem Stockwerk. Es war ein schönes Haus, aber ein hässliches mit einer hohen Backsteinmauer ringsum wäre ihm lieber gewesen.

»Wenn der Pöbel kommt, oder Sullas Männer, um zu schänden und zu verwüsten .« Seine Stimme zitterte, so bewegt war er, doch Cornelia blieb stur.