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»Ich habe Wachen, die sich gegen den Pöbel zur Wehr setzen können, und nichts in ganz Rom wird Sulla aufhalten, wenn es die Erstgeborene nicht kann«, gab sie zurück. Ihre Stimme war ruhig, doch innerlich nagten Zweifel an ihr. Es stimmte, das Haus ihres Vaters war wie eine Festung gebaut, aber dieses Haus hier gehörte ihr und Julius. Hier würde er nach ihr suchen, falls er die Kämpfe überlebte.

Die Stimme ihres Vaters schwoll fast zu einem Kreischen an. »Du hast nicht gesehen, was auf den Straßen vor sich geht! Banden von wilden Tieren suchen nach leichten Opfern. Ohne meine Wache könnte selbst ich nicht mehr hinausgehen. Viele Häuser sind niedergebrannt oder ausgeplündert worden. Das reinste Chaos.« Er rieb sich mit den Händen das Gesicht, und seine Tochter sah, dass er sich nicht rasiert hatte.

»Rom wird auch das überstehen, Vater. Wolltest du nicht schon vor einem Jahr aufs Land ziehen, damals, als die Aufstände ausbrachen? Wäre ich damals gegangen, hätte ich Julius niemals kennen gelernt und wäre jetzt nicht verheiratet!«

»Hätte ich es nur getan!«, knurrte Cinna mit wütender Stimme. »Hätte ich dich damals nur aus der Stadt geholt. Dann wärst du jetzt nicht hier und in Gefahr .«

Sie ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Wange.

»Beruhige dich, Vater, beruhige dich. Mit all deinen Sorgen schadest du dir noch selbst. Die Stadt hat schon so manche Erschütterung überstanden. Auch diese hier geht vorüber. Alles wird gut. Du hättest dich rasieren sollen.«

Ihm standen Tränen in den Augen, und sie umarmte ihn fest.

»Vorsichtig, Vater«, sagte sie. »Du musst jetzt viel Rücksicht auf mich nehmen.«

Der Mann hielt sie mit ausgestreckten Armen von sich und blickte sie misstrauisch an.

»Bist du schwanger?«, fragte er mit vor Rührung belegter Stimme.

Cornelia nickte.

»Mein wunderbares Mädchen«, sagte er und drückte sie wieder an sich, jetzt jedoch sehr behutsam.

»Du wirst Großvater«, flüsterte sie ihm ins Ohr.

»Cornelia«, sagte er. »Du musst jetzt mitkommen. In meinem Haus ist es sicherer als hier.

Warum willst du so ein Risiko auf dich nehmen? Komm nach Hause.«

Das Wort war so verlockend. Wie gerne wollte sie sich von ihm in Sicherheit bringen lassen, wie sehr sehnte sie sich danach, wieder ein kleines Mädchen zu sein, doch sie konnte nicht. Sie schüttelte den Kopf und lächelte tapfer, um den Stachel der Zurückweisung abzumildern.

»Wenn es dich glücklich macht, kannst du ja ein paar Wachen mehr zurücklassen, aber das hier ist jetzt mein Zuhause. Mein Kind wird hier zur Welt kommen, und wenn Julius in die Stadt zurückkehrt, wird er mich hier zuerst suchen.«

»Was ist, wenn er nicht mehr lebt?«

Sie spürte einen schmerzhaften Stich und schloss die Augen. Tränen brannten unter ihren Lidern. »Vater, bitte ... Julius wird zu mir zurückkommen. Da ... da bin ich mir ganz sicher.«

»Weiß er von dem Kind?«

Sie hielt die Augen geschlossen, versuchte, die Schwäche mit reiner Willenskraft zu vertreiben. Sie wollte keinesfalls zu schluchzen anfangen, obwohl ein Teil von ihr sich am liebsten an die Brust des Vaters geworfen und sich von ihm hätte wegbringen lassen.

»Nein, noch nicht.«

Cinna setzte sich auf eine Bank neben einem leise plätschernden Wasserbecken im Garten. Er erinnerte sich an die Unterhaltungen mit dem Architekten, mit dem er die Fertigstellung des Hauses für seine Tochter besprochen hatte. Es schien ihm so lange her zu sein. Er seufzte.

»Du treibst mich in den Wahnsinn, mein Mädchen. Was soll ich nur deiner Mutter sagen?« Cornelia setzte sich neben ihn. »Du sagst ihr, dass es mir gut geht und dass ich in ungefähr sieben Monaten ein Kind zur Welt bringen werde. Du sagst ihr, dass ich mein Haus für die Geburt vorbereite, das wird sie verstehen. Wenn es wieder ein bisschen ruhiger geworden ist, schicke ich Boten zu euch und ... sag ihr, wir haben genug zu essen und alle sind gesund. Ganz einfach.«

Die Stimme ihres Vaters kippte ein wenig, als er versuchte, einen festeren Ton anzuschlagen. »Dieser Julius tut gut daran, dir ein guter Ehemann zu sein. Und ein guter Vater. Wenn nicht, lasse ich ihn auspeitschen. Das hätte ich schon tun sollen, als ich davon erfahren habe, dass er meiner Tochter über die Dächer meines Hauses nachsteigt.«

Cornelia wischte sich mit der Hand über die Augen und drückte die Sorgen wieder zurück. Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Du bist kein grausamer Mann, Vater, also tu nicht so, als wärst du einer.«

Er verzog das Gesicht, und die Stille dehnte sich ein paar Augenblicke lang.

»Ich warte noch zwei Tage, dann lasse ich dich von meiner Wache nach Hause holen.«

Cornelia drückte den Arm ihres Vaters. »Nein. Ich gehöre dir nicht mehr. Julius ist mein Mann, und er erwartet, dass ich hier bin.«

Dann konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten und fing an zu schluchzen. Cinna zog sie an sich und nahm sie fest in die Arme.

Sulla runzelte die Stirn, als seine Männer losrannten, um die Hauptstraßen zu sichern, die ihnen den Zugang zum großen Forum und dem Herzen der Stadt sicherten. Nach dem ersten blutigen Handgemenge war die Schlacht um Rom für ihn gut gelaufen; ein Viertel nach dem anderen hatte er rasch und rücksichtslos eingenommen und dann gegen einen völlig unorganisierten Feind gehalten. Bevor die Sonne richtig aufgegangen war, befand sich ein Großteil der tiefer gelegenen östlichen Stadtteile Roms unter seiner Kontrolle, sodass er genügend Platz für seine Truppen hatte, damit sie sich zurückziehen, ausruhen und neu formieren konnten. Dann waren taktische Probleme aufgetaucht. Je weiter sich das von ihm kontrollierte Gebiet ausdehnte, umso weniger Männer hatte er, um die Grenze zu sichern, wobei er wusste, dass sie ständig der Gefahr ausgesetzt waren, an dieser oder jener Stelle von einer übermächtigen Streitmacht angegriffen zu werden.

Sullas Vorstoß verlangsamte sich, und seine Befehle gingen in immer rascherer Folge hinaus an die Truppen, beorderten sie von einem Ort zum anderen oder wiesen sie an, die Stellung zu halten. Er wusste, dass er eine sichere Basis brauchte, bevor er den Gegner auffordern durfte, sich, in welcher Form auch immer, zu ergeben. Nach Marius’ letzten Worten musste Sulla sogar damit rechnen, dass dessen Soldaten bis zum letzten Mann kämpften. Ihre Treue war legendär, sogar in einem System, in dem Treue überall gehegt und gepflegt wurde. Er musste dafür sorgen, dass sie jede Hoffnung verloren, und das war mit einem langsamen Voranschreiten nicht zu erreichen.

Er stand gerade auf einem offenen Platz oben auf dem Caelius-Hügel. Die verstopften Straßen hinter ihm bis hin zum Caelimontana gehörten ihm. Die Brände waren gelöscht worden und seine Legion hatte sich von dort bis hin zur Porta Raudusculana an der südlichen Spitze der Stadtmauer eingegraben.

Auf dem kleinen Platz standen fast einhundert seiner Männer, jeweils in Vierergruppen. Jeder von ihnen hatte sich freiwillig gemeldet, was ihn sehr rührte. War es das, was Marius empfunden hatte, als seine Männer ihm ihr Leben angeboten hatten?

»Ihr habt eure Befehle. Bleibt in Bewegung und sorgt für Chaos. Wenn ihr auf einen überlegenen Gegner trefft, zieht euch zurück und greift später an. Ihr seid mein Glück und das Glück der Legion. Mögen die Götter mit euch sein.«

Sie salutierten wie ein Mann, er erwiderte den Gruß mit steifem Arm. Er rechnete damit, dass die meisten innerhalb einer Stunde tot sein würden. Wäre es Nacht gewesen, hätte er sie besser einsetzen können, im hellen Licht des Tages jedoch waren sie nicht viel mehr als eine Ablenkung. Er sah die letzte Vierergruppe durch die Barrikade schlüpfen und mit eiligen Schritten in einer Seitenstraße verschwinden.

»Schlag Marius’ Leiche in Tücher ein und lege ihn in den Schatten«, sagte Sulla zu einem Soldaten. »Ich weiß noch nicht, wann ich die Zeit finde, ihm ein angemessenes Begräbnis auszurichten.«