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Zwei oder drei Straßen entfernt stieg ein Schwarm Pfeile in die Luft. Sulla beobachtete ihre Flugbahn mit Interesse, rechnete den mutmaßlichen Standpunkt der Bogenschützen aus und hoffte, dass einige seiner Vierertrupps sich in deren Nähe aufhielten. Die schwarzen Schäfte zogen über ihn hinweg und prasselten dann auf die Steine des Hofes, den Sulla als vorübergehenden Befehlsstand gewählt hatte. Einer seiner Boten ging mit einem Pfeil in der Brust zu Boden, ein anderer schrie auf, obwohl er unverletzt schien. Sulla verzog missmutig das Gesicht.

»Wache! Bringt den Mann irgendwo hin und peitscht ihn aus. Römer schreien nicht, wenn sie Blut sehen, und sie fallen auch nicht in Ohnmacht. Sorg dafür, dass ich ein wenig von seinem Blut auf seinem Rücken sehe, wenn ihr zurückkommt.«

Der Posten nickte, und der Bote wurde weggebracht. Aus Angst vor einer noch strengeren Bestrafung kam kein Wort über seine Lippen.

Ein Zenturio kam angelaufen und salutierte.

»Dieses Viertel ist sauber, Legat. Soll ich langsames Vorrücken signalisieren lassen?«

Sulla sah ihn an.

»Unser lahmes Vorankommen macht mich schon ganz wahnsinnig. Lass auf diesem Abschnitt zum Angriff blasen. Die anderen sollen aufschließen so gut sie können.«

»Damit geben wir uns eine Blöße, Herr. Wir sind Angriffen von der Flanke her ausgesetzt«, stammelte der Mann.

»Stell noch einmal einen meiner Befehle in Frage, und ich lasse dich wie einen gewöhnlichen Verbrecher aufhängen.«

Der Mann wurde bleich und drehte sich rasch um, um den Befehl weiterzugeben.

Sulla knirschte verärgert mit den Zähnen. Was hätte er für einen Feind gegeben, der ihm in offener Feldschlacht gegenübertrat. Dieser Häuserkampf war unvorbereitet und grausam. Männer durchbohrten sich irgendwo in fernen Gassen mit ihren Schwertern. Wo blieben die glorreichen Angriffe? Die singenden Schlachtwaffen? Doch er wollte geduldig sein und sie schließlich aufreiben. Er hörte die Trompete zum Angriff blasen und sah, wie seine Männer ihre Barrikaden aufhoben und sich bereit machten, sie weiterzutragen. Er spürte, wie sein Blut vor Aufregung rascher floss. Sollten sie ihn doch in die Zange nehmen! Er hatte seine Trupps schließlich längst da draußen, und die würden wiederum ihrerseits von hinten angreifen.

Er roch frischen Rauch und sah Flammen aus den oberen Fenstern der Häuser in den Straßen direkt vor ihnen züngeln. Durch das ständige Klirren der Waffen wurden Schreie laut, und verzweifelte Gestalten kletterten in zehn oder fünfzehn Metern Höhe auf steinerne Simse hoch über dem Gewühl hinaus. Sie würden auf den großen Steinplatten der Fahrdämme sterben. Sulla sah, wie eine Frau den Halt verlor, kopfüber auf den Bordstein fiel und wie eine verrenkte Puppe liegen blieb. Rauch wirbelte in seine Nasenlöcher. Eine Straße noch, und dann die nächste.

Seine Männer kamen rasch voran.

»Vorwärts!«, drängte er und spürte sein Herz schneller schlagen.

Orso Ferito breitete eine Karte von Rom auf dem schweren Eichentisch aus und blickte in die Gesichter der um ihn stehenden Zenturios der Erstgeborenen.

»Die Linie, die ich hier eingezeichnet habe, markiert das Gebiet, das Sulla unter seine Kontrolle gebracht hat. Er kämpft an einer sich immer weiter ausdehnenden Front und ist dort fast überall für einen gezielten Angriff anfällig. Ich schlage vor, wir greifen hier und hier gleichzeitig an.« Er zeigte auf die beiden Punkte auf der Karte und sah die anderen Männer im Raum an. Genau wie Orso waren sie müde und schmutzig. Die meisten hatten während der seit drei Tagen tobenden Schlacht kaum eine oder zwei Stunden am Stück geschlafen und waren, wie ihre Männer, der Erschöpfung nahe.

Orso selbst waren zu dem Zeitpunkt, als er Marius’ Ermordung durch Sullas Männer mitangesehen hatte, fünf Zenturien unterstellt. Er hatte den letzten Ruf seines Legaten vernommen und brannte noch immer vor Zorn, wenn er daran dachte, wie der selbstgefällige Sulla einem Mann eine Klinge in den Leib gebohrt hatte, den Orso mehr geliebt hatte als seinen eigenen Vater.

In den darauffolgenden Tagen hatte blankes Chaos geherrscht; Hunderte waren auf beiden Seiten gefallen. Orso hatte die Kontrolle über seine eigenen Männer behalten, hatte sie kurze und blutige Angriffe durchführen und sofort wieder zurückweichen lassen, bevor Entsatz herbeigeeilt war. Wie viele andere von Marius’ Männern war er nicht hochgeboren, sondern auf den Straßen Roms aufgewachsen. Er wusste, wie man in den Gassen und Seitenstraßen kämpfte, in denen er sich als Junge herumgetrieben hatte, und vor Sonnenaufgang des zweiten Tages war er zum inoffiziellen Anführer der Erstgeborenen geworden.

Sein Einfluss machte sich sofort bemerkbar, als er die Angriffe und Verteidigungsstrategien zu koordinieren begann. Manche Straßen ließ Orso als strategisch unwichtig unberücksichtigt. Er befahl den Bewohnern, die Häuser zu verlassen, legte überall Feuer und zog seine Männer unter der Deckung von Bogenschützen zurück. Um andere Straßen kämpften sie erbittert und konzentrierten sich darauf, dass Sullas Truppen nirgendwo durchbrechen konnten. Viele Straßen hatten sie verloren, doch der direkte Vorstoß auf die Stadtmitte war in vielen Vierteln vereitelt worden. Der Kampf würde nicht so rasch beendet sein, und Sulla schlug überall heftiger Widerstand entgegen.

Egal, wie seine Mutter ihn genannt haben mochte, für seine Männer war Orso immer Orso, der Bär, gewesen. Sein vierschrötiger Leib und fast das ganze Gesicht waren von schwarzem, drahtigem Haar bedeckt, bis zu den Wangen hinauf. Jetzt waren seine muskelbepackten Schultern mit getrocknetem Blut verklebt, und wie die anderen im Raum war auch er gezwungen gewesen, auf die römische Reinlichkeit zu verzichten und stank inzwischen kräftig nach Rauch und altem Schweiß.

Der Besprechungsraum, die Küche irgendeines Stadthauses, war zufällig ausgewählt worden. Die Zenturios waren von der Straße hereingekommen und hatten die Karte ausgerollt. Der Eigentümer war irgendwo im Obergeschoss. Orso schaute mit einem Seufzen auf die Karte. Durchbrüche waren möglich, aber um Sulla zu schlagen, brauchten sie das Glück der Götter. Er blickte noch einmal in die Runde und musste sich angesichts der Hoffnung, die er in den Gesichtern sah, beherrschen, um nicht zusammenzuzucken. Er wusste genau, dass er kein Marius war. Wenn der Legat am Leben geblieben und jetzt hier bei ihnen in diesem Raum wäre, hätten sie noch eine Chance gehabt. Aber so ...

»An jedem beliebigen Punkt haben sie nicht mehr als zwanzig bis fünfzig Mann stehen. Wenn wir an zwei Stellen mit jeweils einer Zenturie durchbrechen, müsste es möglich sein, sie niederzumachen, bevor ihre Verstärkung da ist.«

»Und was dann? Sollen wir Sulla suchen?«, fragte einer der Zenturios. Marius hätte seinen Namen gekannt, gestand sich Orso ein.

»Wir wissen nicht genau, wo sich diese Schlange aufhält. Ihm ist durchaus zuzutrauen, dass er als Lockvogel für Attentäter irgendwo ein Kommandozelt aufstellt. Ich schlage vor, wir ziehen uns sofort wieder zurück und lassen nur ein paar Männer in ziviler Kleidung zurück, die warten, bis sich eine Gelegenheit bietet, ihn zu schnappen.«

»Das wird den Männern nicht gefallen. Es ist kein vernichtender Sieg, und genau den wollen sie.«

»Die Männer sind Legionäre der verdammt noch mal besten Legion Roms!«, fuhr ihn Orso zornig an. »Sie werden tun, was ihnen gesagt wird. Das hier ist ein Zahlenspiel, wenn es überhaupt ein Spiel ist. Sie haben mehr. Wir haben ein ähnliches Gebiet mit weitaus weniger Männern kontrolliert. Sie können schneller Verstärkung herbeischaffen als wir, und ... sie haben einen weitaus erfahreneren Befehlshaber. Das Beste, was wir tun können, ist, hundert ihrer Leute niedermachen und uns zurückziehen und dabei so wenig wie möglich von den unseren verlieren. Sulla hat immer noch das Problem, dass er eine immer größer werdende Front verteidigen muss.« »Wir haben gewissermaßen das gleiche Problem.«

»Aber bei weitem nicht so schlimm. Wenn sie durchbrechen, dann stehen sie irgendwo in der Stadt, wo sie mit Leichtigkeit abgeschnitten und von allen Seiten angegriffen werden können.